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“In der Medizin, besonders in der Chirurgie,
gibt es keine Grenzen, sie ist international.”

(Bernhard Ciritsis, 2011)

Dem US-amerikanischen Bureau of Census zufolge wurde Anfang März 2012 für die Weltbevölkerung die „Sieben-Milliarden-Menschen-Marke“ überschritten [1]. Von diesen sieben Milliarden Menschen leben über 60 Prozent in den sogenannten „Entwicklungsländern“ (ohne China). Diese Länder sind durch einen relativ niedrigen Stand an wirtschaftlicher, sozialer und politischer Entwicklung gekennzeichnet.

Charakteristisch für Entwicklungsländer sind neben den volksgesundheitlichen Merkmalen wie mangelnde Hygiene, unzureichende Ernährung und Mangel an sauberem Trinkwasser, die fehlende Abwasserreinigung für große Bevölkerungsanteile sowie ihre Bevölkerungsdynamik mit einer hohen Geburtenrate und einer hohen, jedoch stark rückläufigen Sterberate (u. a. durch bessere medizinische Versorgung), die bei starkem und oft unkontrollierbarem Bevölkerungswachstum eine extreme Verjüngung der Bevölkerungsstruktur bedingt. So stehen in den Entwicklungsländern über 1,5 Milliarden Jugendliche vor dem Eintritt ins Erwachsenenalter und rund ein Viertel dieser Jugend lebt in extremer Armut [2].

Neben allen politischen und strukturellen Problemen wird die Qualität der gesundheitlichen Versorgung noch zusätzlich durch Naturkatastrophen und kriegerische Auseinandersetzungen belastet. So waren im Jahr 2011 von organisierten Kämpfen zahlenmäßig am stärksten betroffen die Weltregionen Afrika mit 13, gefolgt von Asien und dem Vorderen und Mittleren Orient mit jeweils 11 kriegerischen Konflikten. Auch in Lateinamerika war ein Krieg zu verzeichnen [3]. Nach Untersuchungen der Hamburger Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) wurden 2011 erstmals seit sechs Jahren wieder mehr Kriege und bewaffnete Konflikte geführt als im Jahr zuvor. Die Gesamtanzahl erhöhte sich um drei auf 36.

In diesen Entwicklungsländern, Krisen- und Kriegsgebieten haben ca. zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu einer chirurgischen Notfall- und Basisversorgung. Die Weltgesundheitsorganisation hat als Antwort auf diese Herausforderung die chirurgische Unterversorgung ins Visier genommen und ein globales Forum für Notfall- und Basischirurgie geschaffen [4]. So hat das Emergency-and-Essential-Surgical-Care (EESC)-Projekt das Ziel, die chirurgische und anästhesiologisch Primärversorgung vor allem in den ländlichen Regionen zu stärken. Durch Trainingsprogramme sollen Wissen und Fähigkeiten zur Ausführung von standardmäßigen notfall- und basischirurgischen Prozeduren unter einfachsten Bedingungen gestärkt und das Personal im Umgang mit den dazugehörigen Geräten geschult werden. Bereits existierende Programme, wie Intubations-, Naht- oder Hygienekurse, werden hierzu aufgegriffen und gestärkt [4]. Langfristig wird die Qualität der chirurgisch/medizinischen Versorgung von der wirtschaftlichen Entwicklung in diesen Ländern bestimmt werden. Aber sicherlich können sie zwischenzeitlich bei der Verbesserung der medizinischen Versorgung auch von extern – von uns – unterstützt werden.

Vor diesem Hintergrund wird in den folgenden Beiträgen über die Erfahrungen deutscher Kollegen, die durch staatliche oder ‚non governmental’ Organisationen (NGO) in Entwicklungsländern oder Krisen- und Kriegsgebieten arbeiteten, berichtet. Hierbei sollen die Möglichkeiten der chirurgischen Tätigkeit im „Auslands-Einsatz“ beschrieben werden. Vor allem aber soll deutlich gemacht werden, was hierbei von einem Chirurgen, in einigen Fällen als letzte Instanz Verantwortung übernehmenden Einzelkämpfer, erwartet und abverlangt wird – „Welche Abläufe erwarten mich?“, „Was muss ich operieren können?“, „Welche Qualifikation wird von mir erwartet?“. Wie diese Organisationen die Chirurgen auf einen medizinischen Einsatz in Afrika und Asien vorbereiten und welche Aktivitäten und Aufgaben hierbei gelebt werden, soll vor allem am Beispiel der NGO „Ärzte ohne Grenzen“, des Sanitätsdienstes der Bundeswehr und der „Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin“ dargestellt werden. Ebenso wird auch über eine rein private Initiative eines Kollegens in Tansania berichtet. Aber auch die angesprochene WHO-Initiative (GIEESC) zur globalen Stärkung der Notfall- und Basischirurgie soll vorgestellt werden.

Die vollkommen unterschiedlich motivierten Beiträge beschreiben die dennoch sehr ähnlichen fachlichen und mentalen Herausforderungen, die mit einem solchen Auslandseinsatz verbunden sind und vermitteln übereinstimmend auch einen Eindruck von dem persönlichen Gewinn, den der tatkräftige Blick über den Horizont des Heimatkrankenhauses hinaus schenken kann.

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Literatur:

[1] http://www.census.gov/population/popclockworld.html

[2] http://www.berlin-institut.org/fileadmin/user_upload/Jugend_und_Kriegsgefahr/Jugend_und_Kriegsgefahr_web.pdf

[3] http://www.sozialwiss.uni-hamburg.de/publish/Ipw/Akuf/publ/AKUF-Analysen-10.pdf

[4] Dtsch. Ärzteblatt 2011; 108(25): A-1424 / B-1196 / C-1192

Willy C. Chirurgie in Entwicklungsländern, Krisen- und Kriegsgebieten. Passion Chirurgie. 2012 April; 2(04): Artikel 01_01.

Autor des Artikels

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Prof. Dr. Christian Willy

Septisch-Rekonstruktive ChirurgieLeiter der Konsiliargruppe ChirurgieScharnhorststr. 1310115Berlin kontaktieren

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