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Vorwort

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

üblicherweise werden neue gesetzliche, administrative oder medizinische Vorgaben im deutschen Gesundheitswesen nicht mit finanziellen Oboli garniert. Unter der Fahne der neoliberalen „Gesundheitswirtschaft“ bleiben Krankenhäuser und Praxen da eher ihrem eigenen Handeln überlassen. Doch diesmal scheint die Zeche auch der zu bezahlen, der sie bestellt: über 4 Milliarden stellen Bund, Länder und Träger für die Digitalisierung der deutschen Krankenhäuser zur Verfügung. Eine große Summe, die sich in der Fläche aber auch leicht verlieren kann. Um sich ein Stück vom Kuchen zu sichern sollte man die Bedingungen kennen, denn Antragsverfahren und Erfolgskontrolle sind in dem Verfahren inklusive. Da bleibt nur zu hoffen, dass auch die großen Co-Themen der Digitalisierung – Datensicherheit und „gläserner Patient“ – im Investmentgerangel nicht ganz unter den Tisch fallen. Schaun mer mal.

Erhellende Lektüre wünschen

Prof. Dr. med. C. J. Krones und Prof. Dr. med. D. Vallböhmer

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat etwas angestoßen, was im Föderalismus eher selten ist: Mit dem im Oktober in Kraft getretenen Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) greift der Bund den Ländern bei der Krankenhausinvestitionsfinanzierung unter die Arme. Die Sars-CoV-2 Pandemie und damit verbunden das im Juni aufgelegte Konjunkturprogramm machten es möglich: Mehr als 130 Milliarden Euro stellt die Bundesregierung zur Verfügung, um die Wirtschaft, die Länder und die Kommunen durch die Krise zu bringen.

Die Krankenhäuser profitieren mit 4,3 Milliarden aus dem Krankenhauszukunftsfonds, wenn sie in eine moderne Notfallversorgung, die Digitalisierung ihrer Prozesse und ihre IT-Sicherheitsstruktur investieren. Drei Milliarden investiert der Bund. Die Länder bzw. Krankenhausträger steuern noch einmal 1,3 Milliarden Euro bei.

Mit der verpflichtenden Einführung der elektronischen Patientenakte ab dem 01.01.2021 und der damit verbundenen Anbindung der Krankenhäuser an die Telematikinfrastruktur kann das Strukturpaket durchaus als geschickter Schachzug von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gegenüber den Krankenhäusern gewertet werden. Denn die im Digitale-Versorgung-Gesetz geregelte Fristsetzung für Krankenhäuser, bis zum Jahresende 2020 die Vorbereitungen für die Einführung der elektronischen Patientenakte zu treffen und auch die Telematikinfrastruktur anzuschließen, stellt für Kliniken deutschlandweit eine besondere Herausforderung dar.

Positiv ist aus Sicht des BDC, dass Krankenhäuser mit dem Strukturpaket einen wichtigen politischen und finanziellen Impuls erhalten, Digitalisierungsprojekte endlich zu planen und umzusetzen.

Mit den genannten Förderschwerpunkten werden zwei Kernthemen in der Gesundheitsversorgung angegangen, deren hohe Bedeutung gerade während der Pandemie mehr als deutlich geworden ist. Denn nach wie vor besteht ein großer Nachholbedarf in den Krankenhäusern im Bereich der digitalen Infrastruktur sowie bei sektorenübergreifenden Versorgungsangeboten.

Gefördert werden deswegen Digitalisierungsprojekte zur Verbesserung der

  • Abläufe der internen und sektorenübergreifenden Versorgung (insbesondere auch in den Notaufnahmen und durch digitales Medikationsmanagement)
  • Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen
  • IT-Sicherheit
  • Kommunikation
  • Telemedizin
  • Robotik und Hightechmedizin

Damit ermöglicht das KHZG eine hohe Bandbreite an Projekten. Vermisst wird bei dieser Digitalisierungsoffensive nichtsdestotrotz ein Förderschwerpunkt explizit im Bereich Personal. Denn vielerorts fehlt es nicht nur an Technik, sondern vielmehr an geschulten Mitarbeitern für den qualifizierten Einsatz von Innovationen. Obwohl es auch optimistischere Einschätzungen von ganz anderer Seite gibt, wie beispielweise durch den Verband der Ersatzkassen (vdek), der in seiner Stellungnahme zum KHZG konstatiert: „Die Digitalisierung entlastet das Krankenhauspersonal und kann so zur Patientensicherheit beitragen.“

Bis zum 30.11.2020 wird das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) Förderrichtlinien veröffentlichen und diese zum Download bereitstellen: https://www.bundesamtsozialesicherung.de/de/. Es ist zu hoffen, dass viele Krankenhäuser mitziehen und zeitnah entsprechende Anträge stellen. Denn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn macht Tempo: Fördermittel, die nicht bis zum 31. Dezember 2021 vollständig ausgeschöpft werden, werden mit Ablauf des Jahres 2023 durch das Bundesamt für Soziale Sicherung an den Bund zurückgeführt.

Das KZHG sieht darüber hinaus eine Erfolgskontrolle der Investitionsentscheidungen in den Krankenhäusern vor. Dafür weisen Kliniken jeweils zum 30. Juni 2021 und zum 30. Juni 2023 mittels strukturierter Selbsteinschätzung ihren digitalen Reifegrad nach. Eine Forschungseinrichtung wird bis zum 28. Februar 2021 mit der Evaluation beauftragt. Ab 2025 gelten dann Sanktionen: So sollen Krankenhäuser und Krankenkassen gemeinsam Abschläge von bis zu zwei Prozent des Rechnungsbetrags für jeden voll- und teilstationären Fall vereinbaren, wenn ein Krankenhaus die förderfähigen Dienste nicht in ausreichendem Maße implementiert hat. Die im Kontext der Digitalisierung gesetzlich verankerten Sanktionsregelungen gegenüber Ärzten bzw. ärztlichen Einrichtungen hält der BDC für kontraproduktiv und lehnt diese auch für den stationären Bereich grundsätzlich ab.

Mit dem Krankenhauszukunftsfonds zeigt der Bundesgesundheitsminister, wie auch schon mit dem Krankenhausstrukturfonds, dass die Kofinanzierung durch Bund und Länder ein Zukunftsmodell werden könnte, um verkrustete Strukturen im Gesundheitswesen aufzubrechen. Dabei vertritt der BDC die Position, dass, wenn zunehmend Steuergelder vom Bund in die Länder fließen, auch rechtlich geprüft werden muss, inwiefern ein solches Modell entsprechend an Mitbestimmungsrechte des Bundes geknüpft werden kann. Auf diese Weise könnte endlich Bewegung in die längst überfällige Neuordnung der Versorgungsstrukturen mit einer Konsolidierung von Krankenhausstrukturen auf der einen Seite und der Schaffung sektorenübergreifender Strukturen auf der anderen Seite, kommen. Letzteres scheiterte bisher regelmäßig an der föderal bestimmten Planung.

Abschließend lassen Sie mit noch auf das gestufte Antragsverfahren in der folgenden Infobox hinweisen. Leider lagen zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags noch keine konkreten Förderrichtlinien vor. Gerne werden wir deren Praxistauglichkeit aber im Verlauf ganz konkret testen und die Erfahrungen und Schlussfolgerungen aus der Sicht eines antragstellenden Kollegen zur Anschauung für Sie bringen.

Sollten Sie persönlich Interesse daran haben, Ihre Erfahrungen mit der Antragstellung mit den Kollegen und Leserinnen der PASSION CHIRURGIE zu teilen und in einem BDC|Praxistest aufzubereiten, dann melden Sie sich bei uns – die Redaktion der Passion unterstützt Sie gern dabei!

So Beantragen Sie die Fördermittel

Schritt 1: Der Krankenhausträger, ggf. die Hochschulklinik meldet gegenüber dem zuständigen Bundesland seinen Bedarf unter Angabe insbesondere des Vorhabens und der Fördersumme an. Das BAS stellt hierfür in Kürze die entsprechenden Formulare bereit.

 

Schritt 2: Das Land entscheidet innerhalb von drei Monaten, ob das Projekt gefördert werden soll und beantragt dies entsprechend beim BAS. Voraussetzung für die Förderung ist, dass sich das antragstellende Land bzw. die zu fördernde Einrichtung mit mindestens 30 Prozent der förderfähigen Kosten an dem Vorhaben beteiligt.

 

Schritt 3: Das BAS prüft die Anträge der Länder auf Auszahlung von Fördermitteln aus dem Krankenhauszukunftsfonds und weist die Mittel zu.

Burgdorf F: BDC-Praxistest: Der Bund lockt Kliniken mit Milliarden in die Digitalisierung. Passion Chirurgie. 2020 November; 10(11): Artikel 05_01.

Autor des Artikels

Profilbild von Friederike Burgdorf

Dr. med. Friederike Burgdorf

GeschäftsführerinBerufsverband der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC)Luisenstraße 58/5910117Berlin kontaktieren

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