Heute ist es zwingend notwendig, dass die nationalen Berufsverbände ihre Aktivitäten über die Grenzen hinaus ausweiten. Die Berufsverbände der Länder in der EU müssen auf der europäischen Bühne vertreten sein. In dieser Hinsicht hat der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) nicht versagt! Seit Anbeginn der Union Européenne des Médecins Spécialistes (UEMS) und ihrer Section of Surgery hat der BDC an Aktivitäten dieser Vereinigungen stets teilgenommen.
In den Archiven des Büros der UEMS in Brüssel sammelten wir eine Reihe von Dokumenten über den des Aufbau der Sektion für Chirurgie in der UEMS. Das erste datiert aus der Zeit vor 1979. Es ist ein Dokument vom BDC (Geschäftsstelle: Aachen) und erwähnt die Zusammensetzung der Sektion für Chirurgie (aufgeführt als „Section monospécialisée de la Chirurgie“) der 1958 gegründeten Europäischen Vereinigung der Fachärzte (UEMS). Unter der Präsidentschaft von Prof. Dr. Nuboer (Utrecht) bildeten sechs Delegationen die Sektion: Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Italien und Luxemburg.
Die deutsche Delegation bestand aus Prof. Dr. Müller-Osten (Hamburg) und Prof. Dr. Junghanns (Frankfurt/Main). In dem Dokument von 1982 blieb die deutsche Delegation identisch. 1985 traten Griechenland und Spanien der Sektion bei, gleichzeitig übernahmen Prof. Dr. K. Hempel und Prof. Dr. Schweiger die Aufgaben als deutsche Delegierte in der Sektion. (Als belgischer Delegierter war ich damals schon anwesend in der Sektion.)
Prof. Dr. W. Hartel befand sich auf der Liste von 1992, zusammen mit Hempel, während im Jahr 1994 unter dem Namen des ‚Board Européen de Chirurgie’ drei deutsche Delegierte erwähnt werden: Prof. Dr. K. Hempel, Prof. Dr. W. Hartel und Prof. Dr. J. Witte. Die Zusammensetzung der deutschen Delegation erschien unverändert in dem Dokument von Oktober 1997. Im Jahr 2000 erfolgte ein Wechsel, Prof. Dr. Farthmann ersetzte Hempel. Diese Zusammensetzung blieb bis 2003 identisch, bis aufgrund des unerwarteten tragischen Todes von J. Witte (Juni 2003), Prof. Dr. Polonius als Delegierter in der Sektion erschien. 2005 löst Prof. Post Herrn Fahrtmann ab. 2005 wurden die Namen von Herrn Polonius und Prof. Dr. Klaus Matzel aufgezeichnet. Der Entwicklung der Chirurgie folgend, wurden in der UEMS Section of Surgery für die Subspezialitäten Abteilungen (Divisionen) und Arbeitsgruppen (Working groups) eingerichtet. In diesen trugen die deutschen Kollegen zur Entwicklung und den Aktivitäten bei. Dr. Branscheid kümmerte sich um die Division Thoraxchirurgie, Prof. Dr. H.- J. Oestern war und ist noch der aktive Förderer der Division Traumatologie, Prof. Bechstein beteiligte sich am Aufbau der Division Transplantation, Prof. Klaus Matzel für die Koloproktologie, Prof. Dralle um die Endokrine Chirurgie, um nur einige zu nennen.
Diese Aufzählung zeigt ganz klar die führende Rolle, die die deutschen Delegierten von Anfang an in der Sektion, den Abteilungen und ihren Boards spielten. Ich hatte zwar nicht das Privileg, mich persönlich mit Prof. Dr. Müller-Osten, Prof. Dr. Junghanns oder Prof. Dr. Schwaiger zu treffen, aber von Zeitgenossen wie Herrn Prof. Lacquet erfuhr ich von ihren herausragenden und einflussreichen Persönlichkeiten und ihrem Einfluss auf die Entwicklung und Erweiterung der Sektion.
Im Gegensatz dazu habe ich Prof. K. Hempel, Prof. Fahrtmann und Prof. Hartel gut gekannt. Hempel kann man als Anführer des beruflichen Kampfes betrachten, während Hartel, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, durch seinen methodischen Ansatz und seine klare und präzise Sprache hervorstach. Eduard Fahrtmann gehörte dem inneren Kreis des Präsidiums an und wies große internationale Erfahrung auf, u. a. im „Collège Européen de Chirurgie“, einer kurzlebigen europäischen Chirurgengruppe. Alle drei waren sehr einflussreiche Mitglieder der Sektion.
Was Jens Witte betrifft, möchte ich nur gerne wiederholen, was ich in der Geschichte der UEMS Section of Surgery (UEMS Jahrbuch 2008; 129-139) schrieb: „Er war ein herausragender Kollege: eine beeindruckende Persönlichkeit und eine fähige und sanfte Person, eine geborene Leitfigur.“ Die Sektion war wie verwaist nach seinem Tod. Wir haben bereits die unermüdlichen Anstrengungen der Mitglieder wie Prof. Oestern, Dr. Branscheid und Prof. Bechstein und anderen beim Aufbau ihrer Abteilungen und der Organisation der Europäischen Facharzt-Prüfungen betrachtet.
Die Sektion verdankt viel dem aktuellen Präsidenten. Michael Polonius trat im Mai 2004 nicht nur ein schweres Erbe an, sondern es gelang ihm auch, die Geschäftsstelle nach Berlin zu verlegen und in einen effizienten und reibungslos funktionierenden Apparat zu verwandeln. Sein ruhiges Vorgehen und sein gelassenes, aber starkes und methodisches Management war für die Sektion sehr von Vorteil.
Obwohl von Geburt Britin, gehörte Mrs. Pauline Janson, die Sekretärin der Sektion, jahrelang dem deutschen Team von Herrn Witte und später auch dem des jetzigen Präsidenten an. Diese sehr enthusiastische Person verschmolz vollständig mit der Sektion und schaffte es, Sonne in unsere Treffen zu zaubern. Man wird sie niemals vergessen.
Die Verlegung des Büros der Sektion ins Langenbeck-Virchow-Haus stellte sich als Trumpfkarte für die Sektion heraus und unter der kompetenten Leitung von Carola Paech als
Sekretärin und Katrin Meier für Facharztprüfungen wurde es zur vitalen Drehscheibe. Darüber hinaus erleichterte dies in großem Maße das professionelle Handling der Meetings und die sprachlichen Kenntnisse der Sekretärin das effiziente Arbeiten der Geschäftsstelle.
Der BDC war in sechs Fällen Veranstalter der Sektion. Kurz nach dem ersten Treffen am 02. März 1963 in Brüssel organisierte die deutsche Delegation ein zweites Treffen in München (18. bis 19. April 1963), welches man mehr oder weniger als ein Gründertreffen ansehen kann. Seitdem war die Sektion in Frankfurt (21. Oktober 1978), in Hamburg (12. Mai 1990), in Berlin (23. bis 25. Oktober 1994), in Hannover anlässlich der Weltmesse (28. Oktober 2000) und wieder in Berlin im Jahr 2006 (23. September). Natürlich gelang es unseren deutschen Kollegen jedes Mal, den Mitgliedern der Sektion und der Abteilungen einen interessanten Aufenthalt zu bereiten und ein fürsorglicher Gastgeber zu sein.
Wenn man all diese Aspekte in Betracht zieht, wird deutlich, dass das Mitwirken des BDC in der UEMS Section of Surgery maßgeblich zum Erfolg beigetragen hat. Die Ausübung der Chirurgie ist ein herrlicher, aber anstrengender Beruf! Jeder von uns hat seine Karriere auf der Grundlage von zwei bestimmten Elementen vorangetrieben: zum einen die wissenschaftliche Basis unserer klinischen Aktivitäten, für die wir uns zum Großteil auf unsere wissenschaftlichen Gesellschaften berufen, und zum anderen die vielen beruflichen Aspekte, die nicht nur die lokalen sondern heutzutage auch die internationalen umfassen, für die unsere Berufsverbände uns zur Verfügung stehen.
Gelegentlich wird die Rolle unserer beruflichen Organisationen in Frage gestellt. In dieser Hinsicht möchte ich gerne Karl Hempel zitieren, der in seinem Beitrag zum Jubiläum von Prof. Dr. J. R. Siewert schrieb: „Er hatte erkannt, dass neben der wissenschaftlich begründeten Chirurgie in Klinik und Praxis, die Berufspolitik und berufsständische Fragen für den Chirurgen in Ausübung seines Berufs von großer Bedeutung sind.“ (Der Chirurg BDC, Febr. 2010, S. 96) Vom europäischen Standpunkt im ganzen gesehen, kann ich nur sagen und bestätigen, dass der BDC seine Aufgaben und Verpflichtungen in der europäischen Gemeinschaft der Chirurgen in vollem Umfang erfüllt hat!
Allerdings könnte jedes europäische Land von der Qualität, der Organisation und des Umfangs von dieser beruflichen Gruppe lernen. Solch einem herausragenden Beispiel sollte gefolgt werden und in großem Umfang von anderen europäischen Ländern nachgeahmt werden. Jeder andere europäische Chirurg kann nur davon träumen, solch ein leistungsstarkes System in Anspruch zu nehmen, das sich um alles außerhalb seiner bzw. ihrer privaten Umgebung hinsichtlich seiner oder ihrer beruflichen Angelegenheiten kümmert und sich folgendermaßen auszeichnet: die Hauptgeschäftsstelle in dem stattlichen Langenbeck-Virchow-Haus in Berlin, die Qualität und Gründlichkeit seiner Zeitschrift „Der Chirurg BDC“, die umfangreichen und ausführlichen Anstrengungen bei der Fachausbildung, sein Fokus auf CME, die bereits fortgeschrittenen Entwicklungen in ICT, sein Umgang mit dem Nachwuchs, den Nachfolgern, die Art wie Qualitätssicherung gelöst wird oder seine Beschäftigung und Entschlossenheit in der Wahrung seiner beruflichen, ethischen, ökonomischen und sozialen Interessen der deutschen Chirurgen und insofern ich in der Lage gewesen bin einzuschätzen, die Erreichbarkeit und Effizienz seiner Zentralbüros.
Ein anderer sehr positiver und dienlicher Aspekt für den deutschen Chirurgen ist das stete Bemühen um eine enge Kooperation zwischen dem BDC und den wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Es ist klar, dass die einzelnen Gesellschaften trotz ihrer Spezialgebiete Aufgaben in gemeinsamen Bereichen haben, aber nichts ist so schädlich auf der politischen Bühne und für chirurgische Kollegen als das Agieren und Kämpfen von Gesellschaften in zerstreuter Form! Somit gibt es viele Gründe, um dem BDC anlässlich seines 50. Jubliäums zu gratulieren und ihn zu ermutigen, weiter fortzufahren und dieselbe Marschroute beizubehalten.
Ad multos annos!
Der BDC dankt Agnes Berlinicke aus der Geschäftsstelle für die Übersetzung dieses Textes aus dem Englischen.