28.10.2014 Arbeitsrecht
Chefarztposition: Lebensstellung oder Schleudersitz
Mit der Neubesetzung einer Chefarztposition verbinden sich heute mehr denn je wichtige Weichenstellungen für die Zukunft einer Abteilung und des gesamten Krankenhauses. Dementsprechend sind auch die Erwartungen und Anforderungen an die Kandidaten/Kandidatinnen gestiegen bzw. komplexer geworden, was bereits in den entsprechenden Ausschreibungstexten zum Ausdruck kommt.
Was Stellenausschreibungen (nicht) aussagen
An erster Stelle wird hier natürlich weiterhin nach der medizinisch-fachlichen Qualifikation und Erfahrung gefragt. Explizit erwartet wird aber fast immer auch eine gewisse „ökonomische Kompetenz“; und schließlich fehlt in kaum einer Ausschreibung die Nennung von Fähigkeiten und Eigenschaften, die eher persönlichkeitsbezogen sind: soziale und kommunikative Kompetenz, Führungsstärke, Organisationsgeschick etc.
Die einschlägigen Formulierungen in den Ausschreibungstexten ähneln sich in der Regel, doch ist damit auch immer klar, was tatsächlich gemeint ist? Was bedeutet es z. B. tatsächlich, wenn „betriebswirtschaftliches Know-how“ erwünscht ist? Wird da jemand gesucht, der radikale Sparmaßnahmen durchsetzen kann oder eine Abteilung aus den roten Zahlen bringen soll? Was ist im konkreten Fall mit Führungskompetenz gemeint? Sucht man vielleicht eine charismatische Persönlichkeit (wie es möglicherweise der Vorgänger war)? Oder geht es darum, dass einschneidende Veränderungen im medizinischen Leistungsspektrum vorgenommen und/oder durchgesetzt werden müssen?
Kurzum: Mit einer Chefarztbewerbung stellen sich die Kandidatinnen und Kandidaten einem Anforderungsprofil, dessen jeweilige Implikationen sie im Vorfeld in der Regel nur ungenau kennen (können) – es sei denn, sie verfügen zufälligerweise über gewisse interne „Kanäle“ oder aber die Position ist über eine Personalberatung ausgeschrieben. Gegenüber einem Personalberater bietet sich Interessierten immerhin die Möglichkeit, im Schutz der zugesicherten Vertraulichkeit eines Erstkontaktes Informationen einzuholen, die u. U. um einiges über den veröffentlichten Ausschreibungstext hinausgehen und die sie im laufenden Verfahren von der Geschäftsleitung (noch) nicht erhalten würden.
Die richtige Entscheidung treffen
Der erste konkrete Kontakt zwischen ärztlicher Führungskraft und Geschäftsführung beginnt in der Regel mit dem Vorstellungsgespräch. Hier werden die Weichen gestellt, und zwar nicht nur für die Stellenbesetzung als solche, sondern bereits auch für die spätere Zusammenarbeit.
Vorstellungsgespräche und Auswahlverfahren verfehlen ihren Zweck, wenn sie im Stil von Einbahnstraßen verlaufen, indem es ausschließlich um die optimale Selbstpräsentation der Beteiligten geht. Beiden Seiten, Krankenhaus und Bewerber, sollte vielmehr daran gelegen sein, dass es dabei zu einer Form des Dialogs kommt, der eine fundierte Entscheidungsfindung ermöglicht. Je deutlicher die Anforderungen und konkreten Erwartungen der Krankenhausseite zur Sprache kommen, desto bessere Möglichkeiten haben Bewerber, diese mit ihren eigenen Zielen und Erwartungen abzugleichen und entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen. Da es hier schließlich um gewichtige berufliche Entscheidungen geht, wird es zudem sinnvoll sein, diese auch noch einmal mit einer dritten Person „von außen“ zu besprechen – sei es mit jemandem aus dem eigenen privaten und/oder kollegialen Umfeld oder ggf. mit einem qualifizierten Coach. Denn so verlockend sich das Karriereziel „Chefarztposition“ auch darstellen mag, es kann sich für den Einzelnen durchaus auch zum Stolperstein entwickeln.
Komplexe Anforderungen – differenziertere Auswahlverfahren
Die Krankenhäuser ihrerseits setzen bei ihren Auswahlverfahren inzwischen verstärkt Personengruppen mit unterschiedlichen Kompetenzen und unterschiedlicher Perspektive ein: Vertreter der Geschäftsführung und/oder Personalleitung wie auch externe Berater sowie unterschiedliche medizinische Fachkollegen. Dabei geht es darum, die Kandidaten im Hinblick auf die komplexe Aufgabenstellung der Position aus unterschiedlichen Blickwinkeln kennen zu lernen und vergleichen zu können.
Für das Gesamtresultat des Verfahrens kann eine solche differenzierte Vorgehensweise nur von Vorteil sein – vorausgesetzt, sie wird gut vorbereitet sowie angemessen kommuniziert und moderiert. Gerade die Einbeziehung externer oder „neutraler“ Moderatoren kann entscheidend dazu beitragen, dass eine Entscheidungsfindung ohne Tunnelblick oder vorgefertigte Meinung zustande kommt. Denn erwiesenermaßen ist nicht immer der Kandidat mit den formal gesehen „besten“ Voraussetzungen für jedes Krankenhaus dann auch der richtige, und nicht jede Chefarztposition für den prinzipiell hoch qualifizierten Kandidaten die passende. Fehlentscheidungen auf beiden Seiten sind sicherlich nie völlig auszuschließen, aber die Risiken dafür lassen sich minimieren. Und daran dürften wiederum beide Seiten ein elementares Interesse haben.
Neu besetzte Chefarztposition – Herausforderung für alle Seiten
Die Übernahme einer Chefarztposition bedeutet, sich in einen Fokus von beruflichen Beziehungen, Anforderungen und Erwartungen zu begeben, in dem man als Oberarzt eben nicht war (in der Regel auch nicht als Chefarztvertretung). Ist mir dieser „qualitative Sprung“ überhaupt klar und was bedeutet das für mich? Welche über meine medizinisch-fachliche Qualifikation hinausgehenden Kompetenzen bringe ich dafür mit und wie kann ich diese weiter entwickeln (Stichwort: Führungskräfteseminare, Coaching)?
Zu einer erfolgreichen Karriereplanung und Chefarztbewerbung gehört, dass man sich mit Fragen wie diesen aktiv auseinandersetzt. Die Bewährungsprobe folgt dann mit der tatsächlichen Übernahme einer Chefarztposition. Ob diese dann auch wirklich erfolgreich stattfinden kann, wird wiederum ganz entscheidend von den vorhandenen Rahmenbedingungen und Strukturen des Hauses abhängen. Und hier ist die Krankenhausleitung gefordert.
Wie sieht es generell mit der Führungskultur im Haus aus und wie werden Führungskräfte als solche integriert? Geschieht dies eher zufällig, so wie es sich gerade ergibt, oder hat man dafür ein Konzept mit speziellen Maßnahmen und Angeboten entwickelt, etwa in Form von regelmäßigen Feedback-Gesprächen, Führungskräftekolloquien, begleitendem Coaching oder zusätzlichen Qualifizierungsmöglichkeiten? Gerade weil Chefärztinnen und Chefärzte eine zentrale Schlüsselfunktion einnehmen und gleichzeitig nach außen einen wichtigen „Wettbewerbsfaktor“ darstellen, sollte deren Förderung und Weiterentwicklung im ureigenstem Interesse des Unternehmens Krankenhaus liegen.
Fazit und Ausblick
Eines ist klar: Mit zunehmendem ökonomischem Druck sind die Krankenhäuser immer stärker zu Anpassungen im medizinischen Leistungsspektrum gezwungen. Dies bekommen zurzeit auch und gerade Abteilungen für Allgemein-/Viszeralchirurgie zu spüren. Dabei nimmt auch das Konflikt-potential zwischen Chefärztinnen/Chefärzten und Geschäftsführung zu. Entscheidend ist nun, wie mit den damit einhergehenden Spannungen umgegangen wird. Und dies betrifft nicht nur das Miteinander auf der Führungsebene, sondern hat auch Auswirkungen auf die generelle Attraktivität des Karrierezieles Chefarztposition. Eine steigende Anzahl von unzufriedenen Chefärzten weckt bei den nachrückenden Ärztinnen und Ärzten mit Sicherheit keine Lust auf eine klinische Karriere. (Letzteres wird auch Thema einer Veranstaltung im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie am 29.10.2014 in Berlin sein: „Keine Lust mehr auf Karriere?! Von den Schwierigkeiten, Chefarzt/Chefärztin zu werden und es zu bleiben“)
Autor des Artikels
Ingrid Rebmann
Personal-und Karriereberaterin, Coachmainmedico GmbHEschersheimer Landstr. 6960322Frankfurt am Main kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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