03.04.2019 Krankenhaus
Burnout bei Krankenhausärzten

Chirurgenpräsident fordert Bürokratie-Abbau und Klinik-Kitas
Immer mehr Krankenhausärzte resignieren vor überbordender Bürokratie, ökonomischem Druck und zunehmender Arbeitsverdichtung. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Professor Dr. med. Matthias Anthuber, fordert daher ein Umsteuern und appelliert an die gesundheitspolitisch Verantwortlichen, das durch Ärzte erbrachte Ausmaß an Verwaltungstätigkeit zurückzubauen. Zugleich müssten mehr Klinik-Kitas mit Rund-um-die-Uhr-Betreuung eingerichtet werden, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.
Untersuchungen zeigen: Fast zwei Drittel der deutschen Klinikärzte erleben negativen Stress im Übermaß („Disstress“), ein Viertel hegt den Wunsch, aus der klinischen Tätigkeit auszusteigen. Eine neue britische Studie aus dem Jahr 2018 bezeichnet Burnout unter Ärzten gar als „Epidemie“. Dass die Burnout-Raten bei den Medizinern zunehmen, ist unter Experten unstrittig. „Alle Studien, ob national oder international, belegen einen Anstieg“, berichtet Dr. med. Hans-Peter Unger, Chefarzt des Zentrums für seelische Gesundheit am Asklepios Klinikum Harburg.
Auch bei den Ursachen kommen die Untersuchungen zu einhelligen Schlüssen. Als Auslöser der Gesundheitsgefährdung identifizieren Experten ein Übermaß an Bürokratie, Arbeitsverdichtung, Multitasking, häufige Unterbrechungen sowie fachfremde ökonomische und politische Zwänge. „Hinzu kommen Patienten, die informierter und kritischer geworden sind“, ergänzt Psychiater und Psychotherapeut Unger. „Insgesamt befinden sich Klinikärzte immer stärker in einer Sandwichposition zwischen Ökonomie und Patientenwohl. Das führt zu Dauerstress, zu Frustration und Erschöpfung, und trifft ältere wie jüngere Ärzte gleichermaßen.“
Bei den Jüngeren, die auf dem Arbeitsmarkt stark gefragt sind und noch vor einer endgültigen Weichenstellung stehen, kann das radikale Konsequenzen haben – und ein Abdriften aus der Kliniktätigkeit bewirken. Wie eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KV) in Zusammenarbeit mit dem medizinischen Fakultätentag und der Bundesvereinigung der Medizinstudierenden unter knapp 14.000 Medizinstudierenden ergab, streben 70 Prozent der Studierenden eine Tätigkeit in der ambulanten Medizin an, vor allem in angestellter Position in einer Gemeinschaftspraxis oder einem Medizinischen Versorgungszentrum. „Das ist ein verheerendes Signal für die kurative Medizin im Krankenhaus oder auch in der Praxis“, betont Professor Dr. med. Matthias Anthuber, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH).
Um die hochwertige Versorgung in den Kliniken aufrecht erhalten zu können, fordert der Chirurgenpräsident daher ein Umsteuern vor allem auf zwei Feldern. „Gesundheitsminister Spahn würde dem Medizinstandort Deutschland einen großen Dienst erweisen, wenn er sich dafür einsetzte, die überbordende bürokratische Tätigkeit, die Klinikärzten inzwischen zugemutet wird, zurückzuführen“, sagt Anthuber „Die deutsche Medizin genießt fachlich einen exzellenten Ruf weltweit, doch viel zu viel Zeit müssen sich deutsche Ärzte mit arztfremden und patientenfernen Tätigkeiten beschäftigen.“ Zudem müssten Kliniken sich mehr in der Kinderbetreuung engagieren. „Wir brauchen Klinik-Kitas mit angemessenen Öffnungszeiten, um dem chirurgischen Nachwuchs im Sinne der Vereinbarkeit von Beruf und Familie attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten“, so Anthuber.
Damit wäre viel geholfen, wie Umfragen belegen. Laut Monitor 2017 des Marburger Bundes ist 70 Prozent der Ärzte in Kliniken eine Entbürokratisierung „sehr wichtig“ oder sogar „am wichtigsten“. Die Umfrage unter Medizinstudierenden kam zu dem Ergebnis, dass die Wahl des zukünftigen Arbeitsplatzes zu 94 Prozent von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bestimmt wird.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e.V., Luisenstraße 58/59, 10117 Berlin, www.dgch.de, 01.04.2019
Weitere aktuelle Artikel
03.06.2020 Krankenhaus
DKG zur Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts
Die gesetzlich vorgesehenen Ausgleichszahlungen für die Krankenhäuser reichen nicht aus, um die Erlösausfälle und Zusatzkosten durch die COVID-19-Pandemie zu kompensieren. Dadurch hat sich die wirtschaftliche Situation der Häuser im Vergleich zum Vorjahr deutlich verschlechtert.
20.04.2020 Corona
Übergangsfrist verstrichen: Klinik-Bettenmeldung an das DIVI-Intensivregister jetzt Pflicht
Das DIVI Intensivregister erfasst derzeit tagesaktuell die Versorgungskapazitäten und Fallzahlen zu intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Patienten. Ziel des Registers ist, die Verfügbarkeiten von Beatmungsbetten und von erweiterten Therapiemaßnahmen bei akutem Lungenversagen in Deutschland sichtbar zu machen. Hierzu melden Kliniken mit Intensivstationen selbstständig und freiwillig per Log-in ihre Daten und sind angehalten, diese täglich zu aktualisieren.
16.04.2020 Corona
DKG für vorsichtige Wiederaufnahme der Regelversorgung
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat in ihrer aktuellen Pressemitteilung für die
27.03.2020 Krankenhaus
DIVI: „Wir entscheiden nicht nach Alter!“
Deutschlands Notfall- und Intensivmediziner bereiten sich auf die schwerste aller Entscheidungen vor: Welchen Patienten im Fall der Fälle intensivmedizinisch behandeln und welchen palliativmedizinisch versorgen, wenn die Intensivbetten und Ressourcen knapp werden? Noch ist es nicht so weit.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.