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Die Mitglieder der Reformkommission der Stiftung Münch zu den „Gesundheitsberufe der Zukunft“ haben ihren Bericht am 05. Mai 2020 veröffentlicht. Um die digitale Transformation im Gesundheitswesen zu gewährleisten werden drei neue Berufsbilder mit unterschiedlichen Qualifikationen vorgeschlagen:

 

 

  1. Die Fachkraft für digitale Gesundheit, die sich patientennah engagiert und arztentlastend fungiert sowie sich durch Weiter- und Sekundärqualifikation aus bestehenden Gesundheits-fachberufen professionalisiert.
  2. Der Prozessmanager für digitale Gesundheit stellt das Bindeglied intersektoral und interprofessionell dar und ist Ansprechpartner für alle Berufe im Gesundheitswesen. Er ist zuständig für die Implementierung und Aufrechterhaltung der Versorgungsabläufe, die sektorenübergreifenden analogen wie digitalen Schnittstellen sowie die die Patienten(daten)sicherheit.
  3. Der Systemarchitekt für digitale Gesundheit überwacht die einzelnen Digitalisierungsprojekte im Gesundheitswesen und stellt diese in Einklang mit der Digitalisierungsstrategie.

Die Auswahl und Schwerpunkte der neuen Berufe sehen wir als junge Ärztinnen und Ärzte positiv. Allein aus bestehenden Berufsbildern ist die digitale Transformation im Gesundheitswesen nicht möglich. Die Gesamtbetrachtung der Stiftung Münch fokussiert jedoch die stationäre Versorgung sowie größere ambulante Versorgungsstrukturen wie z.B. Medizinische Versorgungszentren (MVZ). Ein Großteil der Patientenversorgung findet jedoch in Praxen statt. Die Prozess- und Strukturprobleme des deutschen Gesundheitswesens, wie die fehlende interprofessionelle Kommunikation und die sektorenübergreifende Versorgung von Patienten, werden von der Stiftung Münch nicht beachtet. Aus unserer Sicht kann auch die digitale Transformation die Prozess- und Strukturprobleme im kleinteiligen deutschen Gesundheitswesen nicht lösen. Diese Probleme wurden über Jahrzehnte nicht konsequent angegangen. Die Abläufe im Gesundheitswesen sind papiergebunden, fehleranfällig und umständlich, sodass der Wandel von Prozessen und Strukturen in der Versorgung von Patienten überfällig ist und dringend umgesetzt werden muss. Eine prozessverantwortliche Koordination durch die Ärztinnen und Ärzte, welche stets die Gesamtverantwortung für die Therapie der Patienten tragen, ist notwendig.

Gerade junge Ärztinnen und Ärzte sind im Umgang mit digitalen Anwendungen geübt. Im klinischen Alltag sind wir jungen Ärzte jedoch an antiquierte Technik gebunden, sodass Tools aus dem privaten Alltag zur verbesserten Patientenversorgung herhalten müssen. Mit Behelfstechniken (…ein Foto eines Medikamentenplanes ist besser, als überhaupt kein Medikamentenplan) werden die Defizite der Systemtransformation der vergangenen Jahre versucht zu kompensieren.

Der Darstellung, Ärzte seien Digitalisierungsverweigerer und würden unreflektiert digitale Tools einsetzen, verwehrt sich das Bündnis Junge Ärzte und forderte zuletzt mehrfach die Einbindung von Nachwuchsorganisationen bei der digitalen Transformation im Gesundheitswesen. Ärztinnen und Ärzte müssen als Digitalisierungspartner einbezogen werden. Eine Annahme des Papieres ist die Entlastung der Mitarbeiter im Gesundheitswesen durch die Digitalisierung der Prozesse: Es braucht eine intensive Zusammenarbeit mit den Anwendern in der Entwicklung von digitalen Tools, um eine sinnvolle Entlastung für die Mitarbeiter im Gesundheitswesen zu erreichen. Die hierdurch gewonnene Zeit wird allerdings durch die Autoren des Berichtes in den Kontext der Effizienzsteigerung gesetzt, was das Bündnis Junge Ärzte ablehnt. Freiwerdende Zeit muss zur Entlastung der Menschen im Gesundheitswesen und zur Verbesserung der Versorgung unserer Patienten eingesetzt werden. Das Hamsterrad, in dem sich das deutsche Gesundheitswesen bewegt, muss zu Gunsten der Patientenversorgung gebremst werden.

Überdies wird im Bericht der Stiftung der alleinige, digitale Kontakt zum behandelnden Arzt als wünschenswerter Zielzustand angestrebt. Dem widersprechen wir: Aus Sicht des Bündnis Junge Ärzte ist und bleibt die persönliche Arzt-Patienten-Beziehung das Rückgrat gegenseitigen Vertrauens und des Therapieerfolges. Digitale Verlaufsbeobachtungen hingegen sind überaus sinnvoll, um die ärztlichen Ressourcen im leistungsgetriebenen Gesundheitssystem zu schonen.

Die Entwicklung neuer Gesundheitsberufe ist in der Zukunft unverzichtbar. Eine Arbeitsteilung zwischen Ärzten, Gesundheitsfachberufen und Digitalexperten ist erforderlich. Ärztinnen und Ärzte müssen als therapieverantwortliche Digitalpartner einbezogen werden, da Ärzte im Mittelpunkt der Patientenversorgung stehen. Dies wird sich auch durch die digitale Transformation nicht ändern, denn digitale Entwicklungen können immer nur ein Hilfsmittel in der Patientenversorgung sein.

Daher benötigt es aus Sicht des Bündnis Junge Ärzte ein viertes Berufsbild: den Arzt für digitale Medizin: Dieser muss fundierte Kenntnisse über digitale Tools und digitale Gesundheitsanwendungen haben und diese, vergleichbar mit einem Stethoskop, anwenden können. Über das Angebot digitaler Tools muss der Arzt für digitale Medizin die Patienten informieren und bei Problemen – egal ob medizinisch oder digital – kompetent beraten können, da Ärzte weiterhin erster Ansprechpartner für Patientinnen und Patienten sein werden. Hierfür braucht es Schulungen für Ärztinnen und Ärzte, eine attraktive Vergütung dieser zusätzlichen Leistungen, die Implementation von Digitalkompetenzen in die Aus- und Weiterbildung sowie grundsätzliches Interesse an digitalen Anwendungen. Hier muss die Expertise von jungen Ärztinnen und Ärzten aus der unmittelbaren Patientenversorgung und gleichzeitig als digital natives genutzt  werden.

Quelle: BÜNDNIS Junge Ärzte, c/o Berufsverband Deutscher Dermatologen e.V., Robert-Koch-Platz 7, 10115 Berlin, www.buendnisjungeaerzte.org

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