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Prähabilitation – ein Konzept des perioperativen Managements mit Potential

Ein wesentliches Ziel der onkologischen Chirurgie besteht darin, die postoperative Morbidität eingriffsspezifisch so weit als möglich zu reduzieren. Hiermit sollen nicht nur die unmittelbare Lebensqualität der Patienten, sondern auch das onkologische Outcome verbessert werden. Zum einen ist für multiple Tumorentitäten nachgewiesen, dass die Rate postoperativer Komplikationen das Überleben direkt negativ beeinflusst, zum anderen werden signifikant weniger adjuvante Therapien nach komplikativen postoperativen Verläufen durchgeführt.

Gegenwärtig werden verschiedene wissenschaftliche Ansätze zur Reduktion der postoperativen Morbidität untersucht. Hierzu gehören insbesondere die geeignete Selektion von Patienten für spezifische Eingriffe sowie die Zentralisierung komplexer chirurgischer Prozeduren auf spezialisierte Standorte. Aber auch das perioperative Management selbst zielt unmittelbar auf eine Reduktion postoperativer Komplikationen ab. Intraoperativ haben sich in vielen Bereichen der onkologischen Chirurgie minimalinvasive Operationstechniken durchgesetzt, während postoperativ zunehmend sog. Fast-track-Konzepte mit diesem Ziel implementiert werden. Die Prähabilitation verfolgt dagegen den Ansatz, bereits präoperativ komplikationsträchtige Organdysfunktionen zu identifizieren, vor dem geplanten Eingriff zu konditionieren und so die Leistungsfähigkeit des Patienten vor dem Operationstrauma zu steigern. „Fit for surgery“ ist der Leitsatz dieses interdisziplinären Grundgedankens.

Im Folgenden soll in einem kurzen Überblick der aktuelle Wissenstand zur Prähabilitation hinsichtlich seiner Rationalen, praktischen Durchführung und gegenwärtigen Evidenz zusammengefasst werden.

Definition und Rationale der Prähabilitation

Unter Prähabilitation wird im Allgemeinen ein präoperatives Behandlungskonzept verstanden, welches nach Untersuchung der einzelnen Organfunktionen verschiedene Übungen, Interventionen und Lifestyle-Modifikationen umfasst, die auf eine Verbesserung der präoperativen funktionellen Kapazität und damit eine Reduktion der postoperativen Morbidität abzielen.

Damit wird deutlich, dass Prähabilitation ein auf den spezifischen operativen Eingriff bezogenes Behandlungskonzept ist, welches sich an den Organdysfunktionen des individuellen Patienten orientiert. „One size does not fit all“ ist die Richtschnur der Prähabilitation. Ein junger gesunder Patient, der zur Versorgung eines Leistenbruchs ansteht, bedarf keiner Prähabilitation. Eine ältere, adipöse Patientin mit geplantem Hüftgelenksersatz wird von einer physiotherapeutischen Prähabilitation möglicherweise profitieren. Ein Patient mit Ösophaguskarzinom mit eingeschränkter pulmonaler Funktion und relevantem Gewichtsverlust weist vor geplanter Ivor-Lewis-Ösophagektomie ein erhebliches Potential zur Prähabilitation auf.

Prähabilitationskonzepte finden mittlerweile in fast allen chirurgischen Fachdisziplinen Anwendung. Ein wesentlicher Schwerpunkt liegt auf der onkologischen Chirurgie, da hier besonders häufig ältere Patienten mit multiplen Komorbiditäten behandelt werden. In einer aktuell publizierten, populationsbasierten Kohortenstudien konnte gezeigt werden, dass nach elektiven, großen chirurgischen Eingriffen („Major Surgery“) das 1-Jahres-Überleben signifikant mit dem Lebensalter des Patienten korreliert und Patienten > 80 Jahre eine kumulative Mortalität von 20 % aufweisen [1]. Diese exemplarisch aufgeführten Daten werden durch andere organbezogene Untersuchungen unterstrichen. Sie stellen die Rationale eines Prähabilitationskonzeptes. Die Idee der Prähabilitation basiert auf einer Stärkung der eingeschränkten Altersphysiologie vor dem operativen Trauma, welche in der postoperativen Phase dann zu einer schnelleren Rekonstitution des initialen Gesundheitszustandes führt, (s. Abb. 1) [2]. Aus pathophysiologischer Sicht erscheint es plausibel, dass postoperative „Fast-track“-Konzepte hier synergistische Effekte aufweisen, dieser Zusammenhang wurde bisher aber noch nicht weiter untersucht.

Abb. 1: Konzept der Prähabilitation (modifiziert nach [2])

Konzepte der Prähabilitation

Der Patientenpfad zur Prähabilitation umfasst in der Regel vier unterschiedliche Phasen:

  1. die Selektion der Patientengruppe (Screening),
  2. die Einschätzung der vorhandenen funktionellen Kapazität (Assessment),
  3. die eigentliche Behandlung (Intervention) und
  4. die Beurteilung der erzielten Verbesserung (Re-Assessment).

Die Selektion der zu behandelnden Patienten orientiert sich an der eingriffsspezifischen Morbidität und dem individuellen Potential zur Verbesserung. Im Assessment sind gebräuchliche Scores des Allgemeinzustandes wie ASA oder ECOG nicht ausreichend differenziert, um die individuell eingeschränkte Leistungsfähigkeit exakt zu definieren. Hier werden stattdessen häufig der 6-Minuten-Gehtest oder auch zunehmend der Frailty-Score eingesetzt. Frailty ist definiert als ein multidimensionales geriatrisches Syndrom, gekennzeichnet durch den Verlust von individuellen physiologischen Reserven sowie eine erhöhte Vulnerabilität gegenüber internen und externen Stressoren. Zur Evaluation umfasst die Frail-Scale modifiziert nach Fried die Faktoren Gewichtsverlust, Erschöpfung, körperliche Aktivität, Gehgeschwindigkeit und Handkraft. Der resultierende Score unterteilt die Patienten dann in die Kategorien „robust“, „prefrail“ und „frail“. Der Score wurde in multiplen Beobachtungsstudien validiert und korreliert signifikant mit der postoperativen Mortalität [1, 3]. Bei thorakalen Eingriffen ist dazu die präoperative Evaluation der Lungenfunktion mittels Spirometrie obligat. Zentraler Baustein des präoperativen Assessments ist die Beurteilung des Ernährungsstatus. Hier gibt der Body Mass Index (BMI) eine erste orientierende Einschätzung, da unter- und übergewichtige Patienten oft ein schlechteres postoperatives Ergebnis aufweisen. Zunehmende Anwendung findet der Nutritional Risk Index (NRI), der in einem Vor- und Hauptscreening die Störung des Ernährungszustands über den Gewichtsverlust (in % des Körpergewichts/Zeit), die Schwere der Grunderkrankung sowie das Alter des Patienten dokumentiert. Der finale Score kann ein Ernährungsrisiko identifizieren und eine individuelle Ernährungsberatung empfehlen. Für einen Patienten > 70 Jahre mit einer onkologischen Grunderkrankung sowie einem Gewichtsverlust von > 5 % des Körpergewichts in zwei Monaten wird diese Empfehlung bereits ausgesprochen. Von zunehmender prognostischer Bedeutung ist auch die Sarkopenie, die den altersbedingten Verlust an Muskelmasse und -funktion beschreibt. Zur Bemessung der Sarkopenie wird im CT-Abdomen auf Höhe des dritten Lendenwirbelkörpers exemplarisch der Querschnitt des M. psoas in mm² berechnet und mit Referenzwerten für Männer bzw. Frauen verglichen. Insgesamt ist zu beachten, dass Mangelernährung, Frailty und Sarkopenie oft kombiniert zu beobachten sind, dies aber nicht zwingend der Fall sein muss.

Nach dem Assessment folgt die eigentliche Intervention, die in den gegenwärtigen Prähabilitationskonzepten vier Bereiche umfasst [2, 4]. Hierzu gehören

  1. körperliche (zumeist anaerobe) und spirometrische Übungen zur Verbesserung der Muskelkraft und funktionellen Lungenkapazität, damit einhergehend
  2. die Optimierung und Anpassung der Ernährung. Begleitet wird dieses Programm von einem
  3. kognitiven Training zur Verbesserung der Resilienz durch Relaxationsübungen oder auch eine psychoonkologische Betreuung sowie
  4. Lifestyle-Modifikationen, die in erster Linie den Verzicht auf Nikotin und Alkohol umfassen.

Für jeden Patienten wird in diesen vier Bereichen ein individuell angepasstes Trainingsprogramm durch ein interdisziplinäres Team aus Internisten/Chirurgen, Physiotherapeuten, Ernährungsmedizinern und Psychotherapeuten zusammengestellt, welches für wenigstens vier Wochen vor dem geplanten Eingriff durchgeführt werden sollte [4]. Diese Vorgaben verdeutlichen den hohen personellen und organisatorischen Aufwand dieser Programme. Im Re-Assessment werden die angewandten Testverfahren wiederholt, um eine Verbesserung der diagnostizierten Organdysfunktionen durch das gezielte Trainingsprogramm zu dokumentieren.

Aktuelle Evidenz der Prähabilitation

In 2023 wurde von der AWMF in der S3-Leitlinie Perioperatives Management bei gastrointestinalen Tumoren (POMGAT) die aktuelle Evidenz zur Prähabilitation publiziert [5]. Diese Leitlinie analysierte die Parameter Mortalität, Gesamt-Komplikationen, pulmonale Komplikationen, Verweildauer im Krankenhaus und auf der Intensivstation sowie Lebensqualität. Die Ergebnisse wurden neben der Betrachtung des Gesamtkollektivs zusätzlich in definierte Risikogruppen stratifiziert. Für keine der untersuchten Outcome-Variablen konnte ein Effekt nachgewiesen werden. Lediglich die pulmonalen Komplikationen wurden wahrscheinlich durch die Prähabilitation im gesamten Kollektiv positiv beeinflusst. Dazu ließ sich bei den Gesamt-Komplikationen ein möglicher Effekt für einzelne Risikokollektive annehmen. Die Ergebnisse der Leitlinie wurden in einer aktuellen Publikation bestätigt, welche die bisher publizierten systematischen Reviews und Metaanalysen in einem sog. Umbrella-Review zusammenfasst [6]. Zusammenfassend ist der Nutzen einer Prähabilitation auf das postoperative Outcome gegenwärtig also nicht sicher nachzuweisen. Die Studienlage bleibt zurzeit aber auch noch schwach. Die Studienpopulationen sind inhomogen gewählt und die untersuchten Risikogruppen unzureichend definiert (patient selection). Dazu weisen die eingeschlossenen Studien sowohl eine mangelnde Konsistenz der Prähabilitations-Programme (intervention design and duration), eine mangelnde Überprüfung der Umsetzung (compliance/adherance) sowie abweichende primäre Outcome-Parameter auf.

Exemplarisch für eine gut geplante und durchgeführte Studie steht eine aktuell publizierte Untersuchung, welche randomisiert 251 Patienten mit kolorektalem Karzinom vor minimalinvasiver Resektion in einem randomisierten Studiendesign mit und ohne 4-wöchige multimodale Prähabilitationsintervention einschloss (PREHAB Trial) [7]. Primäre Endpunkte waren die postoperativen Komplikationen gemessen als Comprehensive Complication Index (CCI) sowie der 6-Minuten-Gehtest. Auch wenn sich durch das Trainingsprogramm der 6-Minuten-Gehtest vier Wochen postoperativ in der Interventions- gegenüber der Kontrollgruppe nicht unterschied, war die Anzahl der schweren Komplikationen (CCI > 20) signifikant geringer bei Patienten mit Prähabilitationsprogramm. Weitere Studien dieser Konzeption sind notwendig, um den Benefit eines multimodalen Prähablilitationsprogramms für spezifische Eingriffe und Risikokohorten verlässlich zu bewerten.

Zusammenfassung

Die Prähabilitation umfasst jede Form von präoperativer Intervention, die darauf abzielt, altersbedingte Organdysfunktionen zu konditionieren und damit die postoperative Rekonvaleszenz zu verkürzen. Prähabilitationsprogramme werden eingriffsspezifisch an das individuelle Ausgangsniveau des Patienten angepasst. Das mindestens vierwöchige Training selbst ist multimodal konzipiert und umfasst in der Regel vier Bereiche: physisches Training, Ernährungsumstellung, kognitives Training und Lifestyle-Modifikationen. Der Prähabilitation wird ein großes Potential zugeschrieben, die peri- und postoperative Morbidität zu senken. Die aktuelle Evidenz kann aufgrund mangelnder Studienqualität jedoch noch keinen sicheren Benefit dokumentieren.

Literatur

[1]   Gill TM, Wyk BV, Summer LL, et al.. Population-Based Estimates of 1-Year Mortality After Major Surgery Among Community-Living Older US Adults. JAMA Surg. 2022;157(12):e225155. doi:10.1001/jamasurg.2022.5155
[2]   Charlotte J.L. Molenaar, Nicole E. Papen-Botterhuis, Florian Herrle and Gerrit D. Slooter. Prehabilitation, making patients fit for surgery – a new frontier in perioperative care. Innov Surg Sci 2019; 4(4): 132–138
[3]   Patrick R. Varley, Dan Buchanan, Andrew Bilderback, Mary Kay Wisniewski, et al.. Association of Routine Preoperative Frailty Assessment With 1-Year Postoperative Mortality. JAMA Surg. 2023;158(5):475-483. doi:10.1001/jamasurg.2022.8341
[4]   June F. Davis, Stefan J. van Rooijen, Chloe Grimmett, Malcom A. West, et al. From Theory to Practice: An International Approach to Establishing Prehabilitation Programmes. Current Anesthesiology Reports (2022) 12:129–137
[5]   Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Perioperatives Management bei gastrointestinalen Tumoren (POMGAT), Langversion 1.0, 2023, AWMF-Registernummer: 088-010OL
[6]   Daniel I. McIsaac, Marlyn Gill, Laura Boland, Brian Hutton, Karina Branje, et al.. Prehabilitation in adult patients undergoing surgery: an umbrella review of systematic reviews. British Journal of Anaesthesia, 128 (2): 244e257 (2022)
[7]   CJL Molenaar, EM Minnella, Miquel Coca-Martinez, et al.. Effect of Multimodal Prehabilitation on Reducing Postoperative Complications and Enhancing Functional Capacity Following Colorectal Cancer Surgery. The PREHAB Randomized Clinical Trial. JAMA Surg. doi:10.1001/jamasurg.2023.0198

Schröder W, Fuchs H: Prähabilitation – ein Konzept des perioperativen Managements mit Potential. Passion Chirurgie. 2024 Januar/Februar; 14(01/02): Artikel 03_01.

Das neue BDC|Akademie-Programm 2024

Herzlich willkommen zu einem neuen Jahr chirurgischer Fort- und Weiterbildung zusammen mit der BDC|Akademie des Berufsverbands der Deutschen Chirurgie e.V.

Wir freuen uns, unseren Mitgliedern und allen chirurgisch Interessierten ein Programm anzubieten, das neben lang bewährten „Klassikern“ der Fort- und Weiterbildung auch wieder neue Präsenz- und Online-Angebote präsentiert.

Eine Veränderung ist offensichtlich und notwendig. Das Jahresprogramm steht nicht mehr nur im gewohnten Printformat, sondern online über verschiedene Medien zur Verfügung, dies als ein Zeichen, dass der gegenwärtige wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Wandel in unserem Land mittlerweile auf allen Ebenen, auch in der BDC|Akademie, angekommen ist. Andere Aspekte aber sind entscheidender. Der Fachkräftemangel im deutschen Gesundheitssystem verhindert längere Abwesenheiten für Fort- und Weiterbildung im niedergelassenen und stationären Bereich, ein Umstand, der zusammen mit einem veränderten Anmeldeverhalten die Planung und Durchführung, insbesondere von Präsenzveranstaltungen, deutlich schwieriger macht. Die Diskussion um das optimale Format einer Fortbildung steht daher im Fokus. Mehrere Treffen mit zahlreichen Seminarleiter:innen haben jedoch ein eindeutiges Votum ergeben, nämlich dass Angebote in Präsenz für den direkten Austausch aller Beteiligten unverzichtbar sind und bleiben. Das sieht auch die jüngere Generation der Chirurg:innen so.

Es besteht also die Herausforderung, einen akzeptierten Mix zwischen Online- und Präsenzformaten anzubieten, der nicht nur das individuelle Lernverhalten, sondern auch die aktuellen Erfordernisse in den Kliniken berücksichtigt. Dieser Spagat der Programmgestaltung ist nicht innerhalb eines Jahres umzusetzen, sondern vielmehr als kontinuierlicher Prozess zu verstehen. Neben mittlerweile vielfältigen Online-Veranstaltungen in allen Fort- und Weiterbildungsgruppen ist die BDC|eAkademie mit zwei Webinar-Reihen und einem eigenen Podcast gut aufgestellt. Insbesondere der Podcast „Surgeon Talk“ findet wachsenden Zuspruch und damit auch Interesse bei den Sponsoren der Industrie. Eine der Kernaufgaben der BDC|Akademie bleibt aber, wie auch in diesem Jahr, immer wieder innovative Formate mit neuen Inhalten und mit verschiedenen Kooperationspartnern voranzutreiben und auf dem Markt zu erproben.

An dieser Stelle bedankt sich die BDC|Akademie bei allen, die an der Gestaltung des Jahresprogramms 2024 mitgewirkt haben, ganz besonders bei den Seminarleiter:innen und den Referent:innen, aber auch bei unseren Partnern in der Industrie, die ebenfalls vor großen Herausforderungen bei zunehmender Bürokratie, der zwingenden Wirtschaftlichkeit und notwendigen Innovation stehen. Nur ein vertrauensvoller Austausch in beiderlei Interessen ist hier zielführend.

In diesem Sinne möchten wir alle Chirurg:innen motivieren, die anstehenden Veränderungen im kommenden Fort- und Weiterbildungsjahr nicht als Bürde, sondern als Chance für eine Neugestaltung zu verstehen, und laden alle herzlich ein, sich gemeinsam mit dem BDC hierbei einzubringen.

HIER gehts zum neuen Jahresprogramm der BDC-Akademie,

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Akademie Aktuell: Im Herbst startet das Programm „Basis Surgery – Learn and Chat“

Die BDC|Akademie und AMBOSS präsentieren ein innovatives Blended-Learning-Programm

Mit dem innovativen Format Learn and Chat lernen junge Chirurgen und Chirurginnen, Basiswissen nicht nur sicher zu beherrschen, sondern auch souverän zu kommunizieren.

Das Seminarprogramm besteht aus drei Bausteinen: Am 17. und 18. Oktober 2023 richtet die BDC|Akademie ein zweitägiges Präsenzseminar in Berlin aus, inklusive realistischer Patient:innen-Fälle, Fallpräsentationen in Kleingruppen und Diskussion mit erfahrenen Chirurg:innen.

Zur Vor- und Nachbereitung des Präsenzseminars der BDC|Akademie erhalten Seminarteilnehmenden zwei Monate kostenfreien Zugang zu einem für die Kooperation geschaffenen AMBOSS Lernplan „Basis Surgery – Learn and Chat”. In den zwei Monaten können die Seminarteilnehmenden auch alle anderen Wissensinhalte auf der AMBOSS Plattform in ihrem klinischen Alltag nutzen. Schwerpunktthemen des Lernplans: Basic Skills, Allgemein- und Viszeralchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Screenshot vom Lernplan

„Nach dem intensiven und abwechslungsreichen Präsenzseminar sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fit für die Oline-Prüfung, die sie bequem von zu Hause ablegen können”, erklärt Professor Schröder. Die Prüfung findet auf der AMBOSS-Plattform statt. In sechzig Multiple-Choice-Fragen wird das gelernte Wissen mit direktem Bezug zu den im Präsenzseminar bearbeiteten Fällen abgefragt.

Wissenschaftliche Leitung:

  • BDC|Akademie: Prof. Dr. Wolfgang Schröder
  • AMBOSS: Dr. Lena Rivera Cerezo

Die Anmeldung erfolgt über die BDC|Akademie.

Schröder W: Im Herbst startet erstmals das Programm „Basis Surgery – Learn and Chat“. Passion Chirurgie. 2023 Juli/August; 13(07/08): Artikel 04_02.

Weitere Artikel zum Thema finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) unter der Rubrik Wissen | Aus-, Weiter- und Fortbildung | Akademie Aktuell.

Akademie Aktuell: Das erste Jahr SURGEON TALK – eine neue Erfahrung

Bild links: Wolfgang Schröder, Sylvia Joachimi, Avi Schotland, Mara Goetz, Benedikt Braun, Anna Dypree, Stephan Freys

Vor einem Jahr, am 1. Juni 2022, wurde der erste BDC-Podcast unter dem Markennamen SURGEON TALK online gestellt. Seitdem sind kontinuierlich im zweiwöchigen Rhythmus weitere Episoden in den verschiedenen sozialen Medien erschienen, der 29. Podcast als erster Meilenstein wurde im Juni 2023 publiziert. Grund genug für die Macher, ein erstes Fazit zu ziehen und einen kurzen Ausblick zu präsentieren.

SURGEON TALK war vor einem Jahr angetreten, um das Spektrum der BDC|Akademie in chirurgischer Fort- und Weiterbildung mit einem neuen Medium zu erweitern – ein Medium, das im Format einer Audiodatei das Potenzial hat, aktuelle Themen rund um die Chirurgie auf kurzem Weg in die chirurgische Community über den Kreis der BDC|Mitglieder hinaus zu transportieren. Damit war auch klar, welche Zielgruppe mit diesem Projekt angesteuert wurde, da Podcasts mit das favorisierte Medium der jungen Generation in den Social Medias sind. Dieses Konzept ist vollständig aufgegangen, wenn man sich die aktuellen User-Zahlen auf Spotify und iTunes anschaut. Hier dominieren gegenwärtig mit Abstand die 20- bis 35-Jährigen die Hörerschaft von SURGEON TALK.

Ist eine Podcast-Serie wie SURGEON TALK deshalb auch geeignet, die Weiterbildung junger Chirurgen:innen als begleitendes Medium des täglichen Berufslebens substanziell zu verbessern? Diese Frage muss letztendlich mit einem klaren Nein beantwortet werden. Dies liegt insbesondere daran, dass sich die Themenauswahl dieser Podcast-Reihe nicht an der inhaltlichen Struktur der Weiterbildungsordnung orientiert – ein Aspekt, den das Team von SURGEON TALK womöglich noch in die redaktionelle Planung der Themen mit aufnehmen könnte, um zumindest das Level „Kenntnisse“ der drei Weiterbildungskompetenzen abzudecken. Aber das war und ist nicht das Ziel von SURGEON TALK.

Worin liegt dann der eigentliche Nutzen einer aufwendigen Podcast-Produktion? Natürlich will SURGEON TALK chirurgisches Wissen vermitteln, aber das ist vielleicht nicht der primäre Fokus. Es geht unserem Team von SURGEON TALK um Eines: wir wollen begeistern für das Fach Chirurgie, begeistern für die Vielfalt der chirurgischen Tätigkeit und damit verbunden die Möglichkeit zur persönlichen Entwicklung und Lebensgestaltung. Damit folgt SURGEON TALK der langjährig etablierten Strategie der BDC-Kampagne „Nur Mut! Chirurgie zum Mitmachen”, die mit den landesweit angebotenen Workshops insbesondere den Medizinstudierenden einen ersten Einblick in die manuelle Tätigkeit des chirurgischen Berufslebens geben soll. „Lust auf mehr“ ist das tragende Konzept dieser Workshops, aber auch von SURGEON TALK, dies mit der Überzeugung, dass nur die initiale Begeisterung für ein Fach in die Passion führt.

Diese Begeisterung hat auch unser Team von SURGEON TALK durch das erste Jahr getragen und die Zutaten für dieses Rezept sind einfach zusammengestellt. Erstens: ein Team, das alle Stufen der chirurgischen Karriereleiter abbildet, vom Studierenden bis zum Chirurgen mit langjähriger Berufserfahrung. Zweitens: monatliche redaktionelle Online-Meetings, in denen alle Mitglieder des Teams zu gleichen Teilen zu Wort kommen, aber auch zuhören und damit aktiv das Gesamtprodukt mitgestalten. Drittens: ein professionelles Back-up in Organisation, Marketing und technischer Produktion wie SURGEON TALK es mit der BDC|Akademie und der Firma Monks – Ärzte im Netz GmbH, München, hat. Für die Gestaltung eines Audioformats sind hier die unterschiedlichen Sprachen der mitarbeitenden Generationen von überragender Bedeutung. Alle Beteiligten von SURGEON TALK haben wertvolle Erfahrungen gesammelt, die durchaus auf andere, vielleicht zu hierarchische Strukturen übertragbar sind. Das ist erfolgreiche Projektarbeit durch gelebte Partizipation des gesamten Teams. Und mit unseren drei Hauptsponsoren Corza Medical GmbH, Karl Storz SE & Co. KG und Medtronic GmbH haben wir Gleichgesinnte gefunden, die auch für die Chirurgie leben und die erste chirurgische Podcast-Reihe nicht nur finanziell unterstützen.

SURGEON TALK muss und will sich weiterentwickeln – mit neuen Inhalten, mit modifizierten Formaten und auch einer Erweiterung der Zielgruppe. Als Beispiel kann hier der bei Drucklegung in Planung befindliche Podcast „DCK Kompakt” aufgeführt werden. In dieser einstündigen Audiodatei werden vom SURGEON-TALK-Team die Highlights des Deutschen Chirurgenkongresses 2023 aus München als bunter Strauß aktueller chirurgischer Entwicklungen, aber auch berufspolitischer Kontroversen in kurzen Interviews zusammengefasst – eine in dieser Form innovative Kongressnachlese.

Der Marktwert eines Podcasts orientiert sich heutzutage ausschließlich an den User-Zahlen und in diesem Punkt ist es nicht einfach, den Erfolg von SURGEON TALK als Non-Profit-Unternehmen gegenwärtig richtig zu taxieren. Die zu erreichenden Klickzahlen in den Social Media müssen sich an der möglichen Zielgruppe orientieren, aber es ist auch zu vergleichen, wie viele Interessierte ein klassisches Fortbildungsformat zum gleichen Thema erreicht hätte. Basierend auf der jährlich publizierten Ärztestatistik der Bundesärztekammer befinden sich deutschlandweit ungefähr 10.000 Ärzte und Ärztinnen in einer chirurgischen Weiterbildung. Das erklärte Ziel ist, 25 Prozent dieser Berufsgruppe als Stammhörerschaft für SURGEON TALK zu gewinnen. Wir sind auf gutem Weg dahin.

Deswegen: Wer unsere Idee eines chirurgischen Podcasts unterstützen will, hört sich SURGEON TALK auf den Streaming-Diensten an und empfiehlt uns weiter. In einem Jahr werden wir dann wieder berichten. Mehr auf: www.surgeontalk.de

Co-Autoren:

  • PD Dr. med. Anna Duprée
  • Avi Schotland
  • Dr. med. Mara R. Goetz
  • PD Dr. med. Benedikt J. Braun
  • Sylvia Joachimi
  • Prof. Dr. med. Stephan M. Freys

Schröder W: Das erste Jahr SURGEON TALK – eine neue Erfahrung. Passion Chirurgie. 2023 Juni; 13(06): Artikel 04_01.

Akademie Aktuell: Das BDC|Akademie-Programm 2023

Die Deutsche Akademie für Chirurgische Fort- und Weiterbildung freut sich, ihren Mitgliedern und allen chirurgisch Interessierten auch für 2023 wieder ein umfassendes Angebot präsentieren zu können, und möchte alle herzlich einladen, im Jahresprogramm nach ihrem individuell passenden Angebot zu suchen.

Viele Mitglieder werden möglicherweise überlesen haben, dass sich hinter der Abkürzung BDC nicht mehr der „Berufsverband der Deutschen Chirurgen“, sondern der „Berufsverband der Deutschen Chirurgie“ verbirgt. Diese Namensänderung unseres Verbands ist intern lange und auch kontrovers diskutiert worden, letztendlich spiegelt sie aber in angemessener Weise den notwendigen gesellschaftlichen Wandel wider, den der BDC in allen Bereichen ausdrücklich mitträgt.

Eine weitere begriffliche Änderung bringt die Umsetzung der 2018 beschlossenen Musterweiterbildungsordnung mit sich, die nicht mehr die reinen Operationszahlen, sondern die Erfahrungen und Fertigkeiten als Handlungskompetenz in den Mittelpunkt der Weiterbildung stellt. Auch wenn es noch für alle chirurgischen Fachdisziplinen einen kleinen gemeinsamen Weiterbildungskatalog gibt, ist das Konzept des „Common Trunk“ zugunsten einer frühen chirurgischen Spezialisierung verlassen worden. Das ändert nichts daran, dass auch weiterhin in der BDC|Akademie grundlegendes chirurgisches Wissen vermittelt werden muss. Das entsprechende Kursprogramm findet sich jetzt unter dem Begriff „Chirurgisches Basiswissen“.

Ein erklärtes Ziel der BDC|Akademie ist es, die Online-Programme weiter auszubauen und alle gegenwärtigen digitalen Formate den BDC-Mitgliedern anzubieten. Im Programm neu aufgenommen wurde die im Juni 2022 mit großem Enthusiasmus begonnene Podcast-Serie „Surgeon Talk“, die insbesondere die jüngere chirurgische Generation über die sozialen Medien erreichen soll. Mit dem Ziel, die Kommunikation von chirurgischem Fachwissen zu trainieren, wurde zusammen mit AMBOSS ein Blended-Learning-Konzept als Pilotprojekt entwickelt. Ebenfalls neu im Jahresprogramm ist „Medizinökonomie Kompakt“, das als monatliche curriculare Webinarreihe konzipiert wurde. Auch mit Augmented- und Virtual-Reality-Modellen will die BDC|Akademie die ersten Erfahrungen sammeln.

Die Umsetzung eines jeden neuen Konzepts und die kontinuierliche Verbesserung bestehender Angebote erfordert nach wie vor ein großes Engagement, für das sich die BDC|Akademie bei allen Beteiligten herzlichst bedankt. Wir wissen sehr wohl um den hohen zusätzlichen und nicht selbstverständlichen Zeitaufwand, der hier in eine qualitativ hochwertige und innovative Fort- und Weiterbildung investiert wird. In diesem Sinne blicken wir gespannt auf das kommende Fort- und Weiterbildungsjahr und hoffen, dass das Jahresprogramm 2023 und insbesondere die neuen digitalen Angebote gut angenommen werden.

Das neue BDC|Akademie-Programm liegt der Dezemberausgabe der PASSION CHIRURGIE bei!

Fehlte das Programm? Melden Sie sich, wir schicken es Ihnen auch gerne zu: [email protected]. Oder schauen Sie auf www.bdc.de! Hier finden Sie alle Seminare 2023: www.bdc.de/veranstaltungen/ 

Schröder W, Meyer HJ: Das neue BDC|Akademie-Programm 2023. Passion Chirurgie. 2022 Dezember; 12(12): Artikel 04_02.

Fortbildung mit Zukunft – eine Umfrage zur Digitalisierung chirurgischer Fort- und Weiterbildung

Die Frage nach der richtigen Strategie zur Bewältigung der Pandemie bestimmt nach wie vor die gegenwärtige gesellschaftliche Debatte, und noch immer scheint kein Licht am Ende des Tunnels sichtbar. Tiefgreifende Veränderungen, welche die Pandemie wohl überdauern, sind jedoch jetzt schon auf allen sozialen, gesundheitspolitischen und ökonomischen Ebenen unverkennbar zu spüren. Ein einfaches Zurück zum Status quo wie vor der Corona-Pandemie wird es nicht geben – darin sind sich alle Beteiligten, trotz der kontroversen Diskussion zur Bewältigung der Pandemie, einig.

Diese Veränderungen betreffen ohne Frage den Bereich der Schulbildung und der Hochschulausbildung, im Grunde aber jede Form allgemeiner Wissensvermittlung. Auch auf dem chirurgischen Fort- und Weiterbildungsmarkt hat die Pandemie zu einer fundamentalen Umstrukturierung geführt. Noch in den Jahren 2018 und 2019 wurden über 90 % aller Veranstaltungen der BDC|Akademie, wie auch alle großen Jahreskongresse der Fachgesellschaften und Regionalvereinigungen, traditionell in einem Präsenz-Format angeboten und durchgeführt. Im Jahr 2020, als die Pandemie das wirtschaftliche und soziale Leben dominierte, musste der größte Teil der angekündigten Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen aus Infektionsschutzgründen abgesagt werden, Präsenzveranstaltungen fanden so gut wie gar nicht statt. Dieses Jahr wurde jedoch genutzt, um mit erstaunlicher Geschwindigkeit Onlineprodukte für die Fort- und Weiterbildung vorzubereiten, die dann den Markt ab 2021 förmlich geflutet haben.

Über 80 % der BDC-Veranstaltungen wurden 2021 in einem Online- oder zumindest Hybrid-Format durchgeführt, ebenso wie die meisten Jahreskongresse der Fachgesellschaften. Die Geschwindigkeit der Umsetzung lässt vermuten, dass die Pandemie in diesem Punkt auf ein vorbestelltes Feld traf und letztendlich nur als Brandbeschleuniger seine Wirkung entfaltete. Damit sind aber noch nicht alle Fragen beantwortet, denn es ist nicht geklärt, wie zukünftig in einem Post-Pandemie-Status dieser Markt bedient werden soll und kann. Lässt sich chirurgisches Training und Wissen ausschließlich in einem Online-Format transferieren oder lebt die Wissensvermittlung doch mehr von der schwer zu erfassenden informellen Kommunikation, wie sie am Rand der Präsenzveranstaltungen stattfindet? Ist diese Frage möglicherweise ein altersabhängiges Problem, mit einer technik-affinen und -begeisterten jungen Generation, die schon lange nicht mehr auf die klassischen Methoden der Wissensakquise der älteren Chirurg:innen-Generation zurückgreift?

Grund genug, ein Meinungsbild bei den in Deutschland tätigen Chirurg:innen zu all diesen Fragen einzuholen. Von September bis November letzten Jahres wurde daher eine Umfrage bei allen BDC- und DGCH-Mitgliedern durchgeführt. Unter dem Stichwort „Fortbildung mit Zukunft“ wurden die Mitglieder dieser beiden Vereinigungen aufgefordert, ihre Vorstellungen zu Inhalten und Formaten von Fort- und Weiterbildung zu formulieren. Ziel dieser Umfrage war es, das zukünftige Fort- und Weiterbildungsprogramm der Akademie entsprechend den Bedürfnissen ihrer Mitglieder zu planen und auf eine solide Grundlage zu stellen.

Methodik der Umfrage

In der September-Ausgabe 2021 der Passion Chirurgie wurde die geplante Umfrage in der Rubrik „Akademie Aktuell“ angekündigt. Am 27.9.2021 wurde die Umfrage erstmals via E-Mail mit einem entsprechenden Link an die Mitglieder verschickt. Weitere Mailings erfolgten am 7.10. und 29.10.2021. Auch der DGCH-BDC-Newsletter 03/2021, der im Oktober 2021 versendet wurde, und ein Hinweis auf der BDC-Website im Oktober und November 2021 warben für die Umfrage.

Die Umfrage selbst bestand aus insgesamt 30 Fragen, die sich inhaltlich in vier separate Blöcke gliederten:

  • Epidemiologische Fragen
  • Allgemeine Fragen zur Fort- und Weiterbildung
  • Fragen zu Inhalten von Fort- und Weiterbildung
  • Fragen zu Formaten von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen

Für D-Ärzte wurde ein zusätzlicher Fragenkatalog mit 10 weiteren Fragen angehängt; die Ergebnisse der D-Arzt Umfrage werden in diesem Artikel nicht vorgestellt.

Der komplette Fragenkatalog kann über die Redaktion der Passion Chirurgie (via [email protected]) angefragt werden.

Ergebnisse der Umfrage

Insgesamt wurde die Umfrage von 891 Mitgliedern des BDC (880) und der DGCH (279) bei möglicher Mehrfachnennung beantwortet. Entsprechend den aktuellen Mitgliederzahlen des BDC von 2021 entspricht dies einer Rücklaufquote von näherungsweise 5 %. 41 % des Rücklaufs erfolgte nach Versand der ersten und vor Versand der zweiten Mail.

Charakteristika der teilnehmenden Chirurg:innen

70 % der Befragten waren männlich, 30 % weiblich. Hinsichtlich der Altersstruktur waren über 30 % der Befragten 50-59 Jahre und über 20 % 40-49 Jahre alt, während nur knapp 15 % 39 Jahre und jünger waren. Ein gleich großer Anteil der Befragten gab an, 60-65 Jahre alt zu sein. Wichtig erscheint, dass die Altersverteilung geschlechtsabhängig war und mit zunehmendem Alter das männliche Geschlecht dominierte.

Entsprechend der Altersstruktur verteilten sich auch die Dienstgruppen. Die größte Gruppe war mit 39 % die der Oberärzt:innen. Annährend gleich große Gruppen bildeten die Assistenzärzt:innen (mit/ohne Fachärzt:innen), Chefärzt:innen und niedergelassenen Chirurg:innen mit jeweils 18 %, 20 % und 23 %. 90 % der Befragten hatten eine abgeschlossene Facharztweiterbildung. 56 % aller Teilnehmer:innen arbeiteten an einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung bzw. einem Schwerpunktkrankenhaus, gefolgt von 26 % der Befragten, die als Selbstständige oder Angestellte in einer Praxis oder einem MVZ tätig waren. Nur 18 % waren in einem Krankenhaus der Maximalversorgung bzw. Universitätsklinik tätig. 25 % der Befragten gaben zusätzlich an, als D-Arzt zu arbeiten. Die drei häufigsten Fachbereiche waren mit 41 % aller Teilnehmer:innen die Allgemein- und Viszeralchirurgie, gefolgt von der Orthopädie/Unfallchirurgie mit 33 % und der Allgemeinen Chirurgie mit 14 %.

Allgemeine Fragen zur Fort- und Weiterbildung

Knapp 40 % der Befragten hielten es insgesamt für schwierig, auf dem aktuellen Wissensstand in ihrem Fachbereich zu bleiben (ja 8 %, eher ja 32 %), während 60 % diese Frage mit nein (19 %)/eher nein (40 %) beantworteten (Abb. 1).

Abb. 1: Ist es schwierig, in Ihrem Fachbereich auf dem aktuellen Stand des Wissens zu bleiben?

Auffällig ist, dass die jüngeren Teilnehmer:innen diese Frage häufiger mit ja/eher ja beantworteten: In den Altersgruppen 20 bis 29 und 30 bis 39 Jahre waren es jeweils 55 %, in der Altersgruppe 40 bis 49 waren es noch 45 %, in der Altersgruppe 50 bis 59 nur noch 35 %.

Auch bei der Frage, ob der Erwerb von CME-Punkten (Continuous Medical Education) zur Aktualisierung des Fachwissens zielführend ist, war die Meinung geteilt (56 % ja/eher ja; 42 % nein/eher nein). 44 % der Befragten gaben an, dass 1-2 Stunden pro Woche notwendig sind, um auf dem aktuellen Wissenstand ihres Fachgebietes zu bleiben. 25 % meinten, dass mehr als 2 Wochenstunden erforderlich sind, während ein weiteres Viertel der Befragten glaubt, dass die notwendigen Fortbildungsstunden schwierig in Wochenstunden zu berechnen sind. Von 37 % der Befragten werden regelmäßige Fortbildungseinheiten von 1-2 Wochenstunden gegenüber anderen Zeiteinteilungen (1 Tag/Monat und 1 Fortbildungswoche/Jahr) bevorzugt, allerdings wollte sich ein Viertel nicht auf eine bestimmte Zeiteinteilung festlegen. Eindeutig und altersunabhängig war, dass eine große Mehrheit auch Fortbildungsangebote an Wochenenden nutzt (50 % ja, 28 % eher ja, 22 % nein/eher nein). Bei der Frage, nach welchen Kriterien die Fortbildungsveranstaltungen ausgesucht werden, wurde mit 73 % am häufigsten „Informationen der Anbieter (Flyer, Newsletter)“ als Antwort angekreuzt. 63 % der Befragten gaben an, dass die Corona-Pandemie einen nachhaltigen Einfluss auf die zukünftige Wahl von Fort- und Weiterbildungsangeboten hat und haben wird, bei 37 % spielte die Pandemie keine entscheidende Rolle.

Fragen zu Inhalten von Fort- und Weiterbildung

Auf die Frage, welche Inhalte von Fort- und Weiterbildung relevant sind, wurde bei möglicher Mehrfachnennung ein breites Spektrum genannt. Folgende Inhalte wurden von 50 % und mehr der Befragten angekreuzt: praktisches Wissen für den chirurgischen Alltag (78 %), regelmäßiges Update zu einzelnen Themen (77 %), Präsentation chirurgischer Techniken (63 %), Zusammenfassung von Leitlinien (59 %), exemplarische Fallpräsentationen mit Diskussion (50 %). In einer weiteren Frage zu Themen außerhalb des fachspezifischen Wissens waren berufspolitische Entwicklungen (57 %) und gesundheitspolitische Gesetzgebung (53 %) von vorrangigem Interesse, bei der jüngeren Generation überwog eindeutig das Thema „Karriereplanung“.

Fragen zu Formaten von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen

Zum Zeitpunkt der Umfrage im November gaben die Teilnehmer:innen an, am häufigsten digitale Formate der Fortbildung zu nutzen (45 %). Ein Viertel der Befragten machte von einer Kombination aus Präsenz-, Hybrid- und rein digitalen (online) Veranstaltungen Gebrauch (Abb. 2)

Abb. 2: Welche Formate von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen nutzen Sie gegenwärtig am häufigsten?

Bei der Frage, welche Veranstaltungsform bei entsprechendem Angebot zukünftig genutzt wird, wurden am häufigsten „Präsenzveranstaltungen“ mit 39 %, gefolgt von den Hybridveranstaltungen (Kombination aus Präsenz und digitaler Form) mit 30 % angekreuzt (Abb. 3).

Abb. 3: Welche Formate von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen werden Sie künftig bei entsprechendem Angebot überwiegend nutzen?

Dieser Trend zu Präsenzveranstaltungen zeigte sich auch bei den jüngeren Generationen bis 39 Jahre. Fast 80 % der Befragten gab an, dass es Veranstaltungen gibt, die Sie ausschließlich als Präsenzformat besuchen würden, während diese Frage in Bezug auf die digitalen Formate von 60 % positiv beantworte wurde. Für die Hybrid-Veranstaltungen war diesbezüglich kein einheitliches Meinungsbild zu erkennen. Die überwiegende Mehrheit stufte den Stellenwert der klassischen Printmedien (Journals, Bücher) als eher hoch oder hoch ein (Abb. 4). Diese Meinung wurde überraschenderweise von allen Altersgruppen vertreten (Abb. 5).

Abb. 4: Wie beurteilen Sie den aktuellen Stellenwert der klassischen Printmedien (Bücher und Journale) für Ihre persönliche Fortbildung?

Abb. 5: Wie beurteilen Sie den aktuellen Stellenwert der klassischen Printmedien (Bücher und Journale) für Ihre persönliche Fortbildung?

Von den Befragten wurde zum Zeitpunkt der Umfrage bereits ein großes Spektrum verschiedener digitaler Formate genutzt (Abb. 6).

Abb. 6: Welche der folgenden digitalen Fort- und Weiterbildungsangebote haben Sie schon genutzt? (Mehrfachnennung möglich)

Die Vor- und Nachteile der digitalen Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen konnten von allen Beteiligten der Umfrage klar benannt werden (Abb. 7 und Abb. 8). Hier war für die jüngeren Generationen (Alter bis 39 Jahre) insbesondere die Flexibilität der Planung ein entscheidender Vorteil der digitalen Angebote. Während in dieser Altersgruppe nur ungefähr ein Drittel der Befragten die fehlende fachliche Diskussion bei digitalen Formaten bemängelte, wurde mit zunehmendem Alter der reduzierte fachliche Austausch als wesentliches Defizit der Online-Formate benannt. Die Befragten sind gegenwärtig mit ihrer technischen Ausstattung (Hard- und Software) zur Teilnahme an digitalen Veranstaltungen zufrieden (sehr gut 44 %, eher gut 48 %) und schätzen ihre Kenntnisse im Umgang mit der vorhandenen Hard- und Software als gut ein (sehr gut 31 %, eher gut 53 %). 50 % der Befragten geben zudem an, dass Sie bei technischen Schwierigkeiten ausreichend Unterstützung erhalten, 15 % benötigen keine Hilfe.

Abb. 7: Welche Vorteile sehen Sie in den digitalen Angeboten einschließlich der e-Learning-Plattformen? (Mehrfachnennung möglich)

Abb. 8: Welche Nachteile sehen Sie in den digitalen Angeboten einschließlich der e-Learning-Plattformen? (Mehrfachnennung möglich)

Diskussion

Die vorgestellte Umfrage zeichnet ein gut erkennbares Meinungsbild von der aktuellen Einstellung der BDC-/DGCH-Mitglieder zur Fort- und Weiterbildung mit ihren verschiedenen Lernformaten, aber auch von Erwartungen an die zukünftige Entwicklung auf diesem Gebiet.

Die wesentliche Kernaussage dieser Umfrage ist, dass ein breites Spektrum digitaler Formate als fester Bestandteil der Fort- und Weiterbildungsangebote gegenwärtig genutzt wird und diese Entwicklung in allen Altersgruppen auch nach der Corona-Pandemie Bestand haben wird. Alle User sind mit der erforderlichen Technik gut vertraut und erkennen die eindeutigen Vorteile der digitalen Medien. Dennoch ist unstrittig, dass trotz aller akzeptierten Vorteile die chirurgische Gemeinschaft nicht bereit ist, auf Präsenzveranstaltungen als Teil von Fort- und Weiterbildung zukünftig zu verzichten, da für alle Beteiligten die persönliche Kommunikation notwendiger Bestandteil der Fort- und Weiterbildung ist.

Welche Schlussfolgerungen lassen sich also aus dieser Umfrage ziehen, um zukünftig ein den Bedürfnissen aller Generationen angepasstes Akademie-Programm zu entwickeln? Sind alle Fragen beantwortet, um ein maßgeschneidertes Programm in den nächsten Jahren passgenau auf den Markt zu bringen? Wahrscheinlich nicht – und das war wohl auch mit dieser Umfrage nicht zu erwarten, denn gerade die Organisation von Präsenzveranstaltungen unterliegt in Pandemiezeiten ständig wechselnden Regularien, die dann auch Einfluss auf die zur Verfügung stehenden Kapazitäten der Veranstaltung haben.

Trotz weiterhin bestehender Fragezeichen lohnt es sich, kurz auf einige Aspekte näher einzugehen. Nach dieser Umfrage meint eine Mehrheit der in Deutschland tätigen Chirurgen:innen, dass sie auf dem aktuellen Wissenstand ihres Fachgebiets ist und für diesen Wissenserwerb 1-2 Wochenstunden benötigt. Auch hier bestätigt sich der Trend zu zeitlich kürzeren Fortbildungseinheiten, der insbesondere von der jungen Generation propagiert wird und sich mit digitalen Medien wie Webinaren und Podcasts gut abbilden lässt. Nicht wirklich überraschend ist, dass die praktisch-orientierte Fortbildung weiter inhaltlich im Fokus steht. Auf diesem Sektor der Workshops im Sinne von Wet-Labs oder auch Hospitationen kommt das digitale Format sicherlich an seine Grenzen, obwohl auch diese durch den Einsatz von „virtual und augmented reality“-Modellen verschoben werden. Bei steigender Komplexität der operativen Prozeduren durch minimal-invasive und auch roboter-assistierte Techniken ist es zwingend erforderlich, den Einstieg in die immer länger werdenden Lernkurven aus dem OP in die verschiedenen Trainingszentren zu verlagern. Hierfür sind digitale Techniken unabdingbare Voraussetzung.

Eine Überraschung dieser Umfrage ist, dass die schon oft totgesagten klassischen Printmedien wie Journals und Bücher in der Fortbildung der älteren, aber auch der jüngeren Generation immer noch einen hohen Stellenwert haben. Auch hier ist der Sprung in das digitale Zeitalter noch nicht vollständig vollzogen und Anbieter der Printmedien müssen sich nicht für das Format entschuldigen, das aufgrund der langjährigen Erfahrung eine hohe Qualität aufweist. Allerdings können hier die Umfrageergebnisse durch die ungleich verteilte Altersstruktur der Befragten, die nicht der Mitgliederstruktur des BDC/DGCH entspricht, verzerrt sein. Nur 15 % der Teilnehmer:innen waren jünger als 39 Jahre. Gerade aber die Gestaltung eines Weiterbildungsprogramms, das dem Lernverhalten dieser Generation entgegenkommt, ist eine zentrale Aufgabe der BDC|Akademie. Die inhaltliche Gestaltung für diese Altersgruppe muss insbesondere das Thema „Karriereplanung“ mitberücksichtigen.

Ein weiterer Aspekt erscheint mit der zunehmenden Digitalisierung wichtig. Digitale Fortbildungen insbesondere in spezialisierten Segmenten können und werden zunehmend global angeboten, sodass sich hier der Wettbewerb zumindest auf den europäischen Markt, wenn nicht weltweit, ausdehnt. Für deutschsprachige Veranstaltungen sind dies in erster Linie Österreich und die Schweiz. Mit dieser Entwicklung müssen traditionelle Finanzierungsmodelle einzelner Anbieter möglicherweise neu gedacht werden, da insbesondere aus Sicht der oftmals industriellen Sponsoren eine zunehmende Globalisierung und Zentrierung von Angeboten wünschenswert ist.

Da es gegenwärtig wenige valide Daten zur Planung von Weiterbildungsprogrammen gibt, ist zusammenfassend festzustellen, dass die vorliegende Umfrage, die nicht strengen wissenschaftlichen Kriterien folgt, der BDC|Akademie hilfreiche Hinweise für die inhaltliche und organisatorische Planung von Fort-und Weiterbildung liefert. In diesem Sinne bedankt sich die BDC|Akademie bei allen Mitgliedern des BDC/DGCH, die sich an dieser Umfrage beteiligt haben.

Schröder W, Hahn MP, Seifert J, Dreusch J, Joachimi S, Burgdorf F: Fortbildung mit Zukunft – eine Umfrage zur Digitalisierung chirurgischer Fort- und Weiterbildung. Passion Chirurgie. 2022 April; 12(04): Artikel 04_02.

BDC|Akademie veröffentlicht Jahresprogramm 2022

Die Deutsche Akademie für Chirurgische Fort- und Weiterbildung des BDC bietet auch für das Jahr 2022 wieder ein umfassendes Programm an und lädt alle Chirurginnen und Chirurgen herzlich zur Teilnahme an den vielfältigen Veranstaltungen ein.

Das vergangene Jahr war erneut durch die Corona-Pandemie geprägt. Wie sich das Fort- und Weiterbildungsjahr 2022 entwickeln wird, kann derzeit keiner vorhersagen. Dennoch scheint sich ein Trend abzuzeichnen: So finden große Kongressveranstaltungen in einem Hybrid-Angebot immer mehr Zustimmung. Workshops mit Hospitationscharakter bleiben die Domäne der Präsenzveranstaltung. Seminare können flexibel als online-Webinare angeboten und dann von E-Learning Plattformen abgerufen werden. Die BDC|Akademie bietet gegenwärtig alle Formate an. Dabei bleibt es der jeweiligen Seminarleitung überlassen, welches Medium sie anbieten möchte.

Direkt zum Programm

Akademie Aktuell: Fortbildung mit Zukunft

Die Corona-Pandemie, die uns mehr als ein Jahr fest im Griff hatte, ist im zweiten Quartal 2021 bundesweit abgeebbt. Die Wirtschaft leckt ihre Wunden, während das gesellschaftliche Leben einen Hauch von Normalität zurückgewinnt. Dennoch, die Veränderungen auf allen ökonomischen und sozialen Ebenen sind deutlich spürbar. Es wird seine Zeit dauern, bis wir uns an die „neue Normalität“ gewöhnt haben. Von diesen Veränderungen ist auch die BDC|Akademie nicht verschont geblieben.

Die Zahlen sind eindeutig und sprechen für sich (Graphik 1): In den Jahren 2018 und 2019 waren 117 beziehungsweise 134 Veranstaltungen geplant und im Akademie-Programm ausgewiesen. Der Anteil der abgesagten Veranstaltungen betrug 2018 acht Prozent und erreichte 2019 mit zwei Prozent einen Tiefstand. In beiden Jahren wurden zehn Prozent des Angebotes in einem Online-Format überwiegend als Webinar durchgeführt.

Aufgrund der verschiedenen Lockdowns zur Eindämmung der Corona-Pandemie mussten 2020 insgesamt 57 Prozent aller geplanten Veranstaltungen abgesagt werden. 25 Prozent wurden noch als Präsenzveranstaltungen durchgeführt, dies jedoch überwiegend im 1. Quartal 2020, also noch vor den Auswirkungen des ersten Lockdowns. Immerhin verdoppelte sich die Zahl der Online-Veranstaltungen von 2019 auf 2020 schon auf 18 Prozent, ein erster Indikator für einen unaufhaltsamen Trend zu digitalen Programmen. Die ersten sechs Monate 2021 zeigen deutlich die Folgen der Pandemie: 62 Prozent aller Veranstaltungen wurden in einem digitalen Format durchgeführt, 17 Prozent als Präsenzveranstaltung, 22 Prozent abgesagt.

Diese wenigen Zahlen bestätigen, dass digitale Fortbildungsangebote durch die Pandemievorgaben nochmals einen enormen Schub erfahren haben. Dass eine so schnelle Umstellung auf ein digitales Programm in der BDC|Akademie überhaupt möglich war, hat zwei Gründe: Zum einen hatte die BDC|Akademie bereits vor Ausbruch der Pandemie in eine neue E-Learning Plattform investiert, deren Entwickler bei allen digitalen Formaten die Akademie mit neuester Technik und Knowhow unterstützen konnte. Zum anderen zeigten sich alle Seminarleiter und Referenten überaus flexibel und aufgeschlossen bei der digitalen Implementierung und wurden durch das Personal der BDC|Akademie bei der Umsetzung sicher durch den digitalen Dschungel begleitet.

Grafik: Veranstaltungen der BDC|Akademie 2018-2021

Was aber folgt aus diesen Zahlen für die Akademie-Planung des kommenden Jahres und insbesondere für die mittelfristige Ausrichtung des gesamten Akademie-Programmes? Welche Inhalte werden besser in einem ausschließlich digitalen Format angenommen? Welche Angebote erfordern zwingend die Planung einer Präsenz? Welchen Stellenwert haben Hybridveranstaltungen als verbindendes Medium zwischen virtuell und real? Ist die Wahl des Fortbildungsformates möglicherweise ein Problem der Generationen mit ihren unterschiedlichen Lernmethoden?

Einig sind sich alle nur in einem Punkt: Ein simples Zurück zum Status quo wird es nicht mehr geben. Wir haben diese zukünftigen Entwicklungen und ihr Potenzial in der Akademie aber auch auf Vorstandsebene intensiv diskutiert, ohne zu einer abschließenden und konklusiven Bewertung gelangt zu sein. Für die Planung des Jahres 2022 haben wir deshalb eine pragmatische Lösung gewählt und überlassen die Entscheidung – digital, face-to-face oder eine Kombination – den jeweiligen Seminarleitern und ihrer individuellen Seminargestaltung. Sie kennen die vorhandene Logistik vor Ort und die Zielgruppe ihrer Veranstaltung am besten. Die BDC|Akademie kann alle gewählten Formaten sicher durchführen.

Aktuelle Umfrage des BDC
Für die mittelfristige Planung des Akademieprogrammes führen wir aktuell eine Umfrage durch, die an alle BDC- und DGCH-Mitglieder verschickt wurde. Die Umfrage erreichen Sie unter folgendem Link: https://www.surveymonkey.de/r/BDC_Akademie.

Auswertung und Veröffentlichung der Daten erfolgen im letzten Quartal dieses Jahres. Unter dem Stichwort „Fortbildung mit Zukunft“ sollen die Mitglieder mitentscheiden, wohin die Reise geht und wie sich neue Lernformate mit angepassten Inhalten in der BDC|Akademie entwickeln sollen. Wir möchten Sie herzlich auffordern, diesen spannenden Prozess der Neugestaltung von Fort- und Weiterbildung aktiv mitzugestalten und laden Sie ein, an dieser Umfrage teilzunehmen.

Wolfgang Schröder
Friederike Burgdorf
Sylvia Joachimi

Schröder W, Burgdorf F, Joachimi S. Fortbildung mit Zukunft. Passion Chirurgie. 2021 September; 11(09): Artikel 04_02a.

BDC-Praxistest: Video-Sprechstunden in der Chirurgie

Vorwort „Die Online-Sprechstunde – Fortschritt oder Gimmick?“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung in der Medizin einen weiteren Schub verliehen. Die Kontaktsperren belasten neben vielem anderen auch die Arzt-Patienten-Kommunikation. Dazu meiden viele Menschen Praxis oder Krankenhaus aber auch aus Angst sich zu infizieren. Online-Sprechstunden könnten dem entgegenwirken.

Doch das Thema existiert nicht erst seit der Virus-Vulkan in Wuhan ausgebrochen ist. Tatsächlich hatte der Deutsche Ärztetag bereits 2018 durch die Lockerung des Fernbehandlungsverbots die Möglichkeit einer Online-Sprechstunde geschaffen. Und im Nachgang übernahmen auch die Landesärztekammern die Lockerung in ihre Berufsordnungen – allerdings mit der Einschränkung, dass die teilnehmenden Ärzte nur max. 20 Prozent der Patient:innen ausschließlich online behandeln dürfen.

Danach blieb es um die Online-Sprechstunde zunächst doch wieder sehr ruhig – zu groß war wohl die Skepsis auf Seiten der Betreiber und auch das Interesse auf Seiten der Empfänger. Doch durch die umfangreichen Einschränkungen der Pandemie ist das Thema wieder richtig aufgepoppt, denn die „Kontaktfreudigkeit“ aller Beteiligten hat nachgelassen. Und so wurde bereits zum 01. April 2020 die „20-Prozent-Beschränkung“ (befristet) aufgehoben. Seitdem dürfen außer Radiologen, Pathologen, Nuklearmedizinern und Laborärzten alle Arztgruppen unbegrenzt ihre Patient:innen online beraten.

Doch weiterhin bleibt das Echo zur Online-Sprechstunde geteilt. Einige Beteiligte sparen sich hoch erfreut lange Wege und Wartezeiten vor allem in spezialisierten Zentren und loben, dass online auch in Corona-Zeiten die Angehörigen am Arzt-Gespräch teilnehmen können. Das spiegelt auch die aktuelle Umfrage des Digitalverbandes Bitkom aus März 2020, in der zwei Drittel das Angebot von Online-Sprechstunden begrüßen. Die Kritiker fürchten dagegen eine weitere Entfremdung des Arzt-Patienten-Verhältnisses weg von der alten Basis des tiefen, persönlichen Vertrauens hin zu einer konsumatorischen Dienstleistung, die Fehldiagnosen oder Behandlungsfehler fördert.

Grund genug für uns das Thema von verschiedenen Standpunkten zu beleuchten.

Erhellende Lektüre wünschen

Prof. Dr. med. C. J. Krones und Prof. Dr. med. D. Vallböhmer

Wer hat in den letzten Monaten der COVID-Pandemie nicht mit dem Gedanken gespielt, seinen ambulanten Patienten eine Video-Sprechstunde anzubieten – und musste dann nach einer ersten Recherche unter dem Stichwort „Telemedizin“ feststellen, dass alles gar nicht so einfach ist, wie von den Protagonisten dieses Formats immer propagiert wird. Deswegen dieser Beitrag „Video-Sprechstunde“, der für den niedergelassen wie klinisch tätigen Chirurgen die rechtlichen Grundlagen, technische Umsetzung, ökonomische Aspekte sowie Praktikabilität und Akzeptanz im chirurgischen Alltag darstellen und bewerten soll.

Video-Sprechstunden als Teil der Telemedizin

Zunächst zu den Begrifflichkeiten. Wie von der Arbeitsgemeinschaft Telemedizin der Bundesärztekammer (BÄK) beschrieben, werden unter dem Begriff Telemedizin verschiedene ärztliche Versorgungskonzepte zusammengefasst, die alle den prinzipiellen Ansatz aufweisen, dass die medizinische Leistung einer Gesundheitsversorgung in den Bereichen Diagnostik und Therapie sowie ärztlicher Entscheidungsberatung über eine räumliche oder auch zeitliche Distanz erbracht wird [1]. Hierfür werden digitale Informations- und Kommunikationstechnologien verwendet, die zwei grundsätzlich unterschiedliche Anwendungsbereiche bieten.

Auf der einen Seite werden zunehmend Applikationen (APP) mit einer eigenen Funktionalität entwickelt, mit denen eine Indikations- und Diagnosestellung erfolgt, die automatisiert ausgewertet und in die Behandlung mit einbezogen wird. Das beste Beispiel hierfür ist die digitale Überwachung von Patienten mit Herzinsuffizienz, deren Nutzen mittlerweile in großen Studien evaluiert wurde (Fontane Studie), sodass die routinemäßige (digitale) Anwendung in Leitlinien empfohlen wird und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) diese Leistung in die Versorgung übernimmt [2, 3]. Entscheidend für diese Form der Telemedizin ist, dass die ärztliche Aufgabe der Bewertung von Patientendaten zum Teil automatisiert durch digitale Algorithmen ersetzt wird (Arztvorbehalt). Auf der anderen Seite stehen die telemedizinischen Sprechstunden (sog. Video-Sprechstunden), die zwar eine fundamentale Änderung der ärztlichen Arbeitsweise im Hinblick auf die Arzt-Patient Kommunikation nach sich ziehen, aber keine grundsätzliche Veränderung der medizinischen Beratung, Indikationsstellung und Behandlung beinhalten. Um diese Form der Telemedizin geht es im weiteren Beitrag.

Akzeptanz und Nutzung der Video-Sprechstunden

Die gegenwärtige Corona-Pandemie hat einen erheblichen Impuls zur Implementierung dieser online-Sprechstunden ausgelöst, auch wenn die Notwendigkeit einer solchen digitalen Neuorientierung im Gesundheitswesen schon lange vor der Pandemie erkannt und auch auf verschiedenen Ebenen initiiert wurde. Die Corona-Pandemie ist somit nicht Auslöser, sondern lediglich Treiber dieses grundlegenden Wandels der Arzt-Patient Kommunikation.

Verdeutlicht wird die zunehmende Bedeutung von Online-Sprechstunden durch verschiedene Förderprogramme, die Bund und Ländern seit 2015 für diesen telemedizinischen Bereich eingerichtet haben. Das Bundesland Hessen hat Mitte 2017 eine E-Health Initiative gestartet und stellte für telemedizinische Innovationsprojekte bis zu 6 Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Ende 2019 wurde ein vom Land NRW mit 2 Millionen Euro gefördertes Programm zusammen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen vorgestellt, welches zum Ziel hatte, verschieden Aspekte der Telemedizin in der Fläche zu implementieren. Das größte Förderprogramm wurde 2015 vom Bund aufgelegt. In diesen Innovationsfond wurden zwischen 2016 und 2019 jedes Jahr 225 Millionen Euro zur Förderung neuer Versorgungsformen, also auch der Telemedizin, investiert. Der zuständige Ausschuss dieses Innovationsfonds, der beim G-BA und Leitung des Vorsitzenden Prof. Hecken angesiedelt ist, entscheidet hier anhand von Evaluationsberichten, welche Projekte realistisch in die Regelversorgung überführt und deshalb weiter gefördert werden [4].

Auch wenn die Tagespresse versucht, Online-Videosprechstunden schon zum Standard der medizinischen Kommunikation zu erheben, sind diese gegenwärtig weit davon entfernt, das traditionelle Arzt-Patient Gespräch in Präsenz der beiden Kommunikationspartner zu ersetzen. Auch in den kommenden Jahren ist eine flächendeckende Anwendung in der ärztlichen Kommunikation nicht zu erwarten. Verlässliche Zahlen zum anteilmäßigen Gebrauch dieses online-Mediums an den ambulanten Patientenkontakten liegen nicht vor und so sind es überwiegend Einzelberichte, welche die verschiedenen Möglichkeiten einer sinnvollen Nutzung aufzeigen. Die Akzeptanz von Seiten der Patienten scheint hier ein Generationsproblem zu sein und daraus ergibt sich die Frage nach Zugang und Kenntnis der notwendigen Hard- und Software. In einer Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gaben 50 Prozent der über 70-Jährigen an, kein Internet zu nutzen. Insofern ist die Skepsis vieler Versicherten bei der Digitalisierung des Arzt-Patienten-Kontaktes gut nachvollziehbar. Auf der anderen Seite zeigen zwei repräsentative Umfragen zur Digitalisierung und Technologisierung im Gesundheitswesen, dass es insgesamt eine hohe Bereitschaft zur Inanspruchnahme dieser Dienste gibt [5].

Die möglichen Vorteile der Online-Sprechstunden liegen für beide Seiten, Arzt wie Patient, auf der Hand. Diese sind:

  • eine flexible Integration in den Praxis- und Klinikalltag mit Verkürzung von Wartezeiten der Patienten, damit ein effizientes Zeitmanagement im Rahmen des seit Mai 2019 geltenden Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG),
  • einen besseren Zugang zu wohnortfernen Spezialisten und damit verbunden die Steigerung eines flächendeckenden medizinischen Angebotes,
  • daraus resultierend eine bessere Nutzung der personellen ärztlichen Ressourcen,
  • Zeit- und Kostenersparnis für den Patienten durch redundante Fahrten zum Arzt
  • sowie unter den Bedingungen der gegenwärtigen Pandemie eine Reduktion der Patientenkontakte und damit eine Steigerung des Infektionsschutzes für Patienten sowie für ärztliches und nicht-ärztliches Personal.

Stand 2020 ist jedoch, dass entsprechend den Anforderungen der Bundesärztekammer telemedizinische Sprechstunden primär additiv zu den herkömmlichen Versorgungsmaßnahmen zu verstehen sind. Der Deutsche Ärztetag 2018 stellte mit Änderung der Musterberufsordnung fest, dass nach wie vor der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt der Goldstandard ist und bleibt. Unter dieser Maxime kann jetzt überlegt werden, in welchem Setting Online-Sprechstunden zum Einsatz kommen und medizinisch sinnvoll sind.

  • Von rund 13.800 Chirurg:innen sowie Orthopäd:innen und Unfallchirurg:innen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, haben im 2. Quartal 2020 n = 685 (5%) und im 3. Quartal 2020 n = 380 (3%) die Videosprechstunde nach der GOP 01450 mindestens einmal berechnet.
  • Mehr als 30 Mal je Quartal berechneten Chirurg:innen bzw. Orthopäd:innen und Unfallchirurg:innen n = 93 (0,7%) im 2. Quartal und n = 44 (0,3) im 3. Quartal die Videosprechstunde (GOP 01450).
  • 73% der Chirurg:innen (einschl. O&U), die die 01450 abrechnen sind Orthopäd:innen und Unfallchirurg:innen, 11% Allgemeinchirurg:innen.

Quelle: Abrechnungsstatistik der KBV

Fachbezogene Anwendung der Video-Sprechstunden

Es liegt auf der Hand, dass die oben beschriebenen Vorteile nicht für alle Fachdisziplinen gleiche Gültigkeit haben und auch innerhalb einer Fachdisziplin das Krankheitsbild über die Sinnhaftigkeit einer Nutzung von Online-Sprechstunden entscheidet.

Einen festen Platz haben sich Online-Formate in den psychotherapeutischen Sprechstunden inklusive der neuropsychologischen Therapie erobert, wobei ein großer Teil dieser Behandlungen zunächst in einem Face-to-Face Setting begonnen und dann online fortgesetzt wird [6, 7]. Auch in der Pneumologie wird den Online-Sprechstunden ein großes Potential attestiert, da bei steigender Prävalenz der häufigen Erkrankungen COPD, Asthma bronchiale und Schlafapnoe eine flächendeckende Versorgung gerade im ländlichen Bereich zunehmend schwieriger wird. Sinnvoll ist die Nutzung der Videosprechstunden im Verbund mehrerer Ärzte verschiedener Disziplinen. Ein Beispiel hierfür ist ein vom Innovationsfond gefördertes Projekt im Bereich der Teledermatologie. Hier wird in der ländlichen Region Mecklenburg-Vorpommern der Aufbau eines Netzwerkes evaluiert, der die Behandlung von Patienten mit dermatologischen Erkrankungen in einer koordinierten Versorgungskette zwischen erstbetreuenden Hausarzt, Dermatologen und Krankenhaus durch telemedizinische Konsile sicherstellen soll.

Was folgt aus diesen Beispielen für die Umsetzung von Online-Sprechstunden in der Chirurgie? Auf der eine Seite des Spektrums stehen alle Krankheitsbilder, die zwingend eine körperliche Untersuchung und Befunderhebung zur Diagnosefindung erfordern und daher nicht geeignet für dieses Kommunikationsmedium sind. Das gilt sicherlich für das akute Abdomen, bei dem die klinische Untersuchung führend für die Diagnosestellung ist. Schwierig erscheint auch, in der Orthopädie und Unfallchirurgie Bewegungsausmaße verschiedener Gelenke online zu untersuchen, um den Erfolg einer Operation sicher beurteilen zu können. Aber ist die postoperative Beurteilung einer Wunde über ein Online-Medium möglich? Hier wird es unter den Chirurgen schon geteilte Meinungen geben und die angebotene Bildqualität über das Internet wird einen wesentlichen Faktor darstellen. Sinnvoll dagegen erscheint der Einsatz bei allen chirurgischen Erkrankungen, die multiple Arztkontakte beinhalten und bei denen, nach einem persönlichen Erstkontakt mit Festlegung eines Behandlungskonzeptes, die Befundkontrollen im weiteren Verlauf der Behandlung online durchgeführt werden. So ist es in der chirurgischen Onkologie problemlos möglich, im Verlauf eines multimodalen Therapiekonzeptes einschließlich der Tumornachsorge, den Patienten zu festgesetzten Terminen über das Online-Medium an die behandlungsführende Klinik zu binden. Die wenigen Beispiele zeigen, dass sich die Chirurgie ihr fachbezogenes Anwendungsgebiet von Online-Sprechstunden erst noch erobern muss und sich erst durch die Nutzung dieses Mediums die wirklichen Limitationen herauskristallisieren werden.

Rechtliche Grundlagen und Datenschutz der Video-Sprechstunden

Ein Beschluss der Bundesärztekammer (BÄK) und eine Gesetzesinitiative des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) mit den bestehenden gesetzlichen Grundlagen im Sozialgesetzbuch (SGB V) schaffen gegenwärtig die notwendigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Implementierung von telemedizinischen Sprechstunden.

Auf dem 121. Deutschen Ärztetag 2018 in Erfurt wurde von den Delegierten nach kontroverser Diskussion, dann aber mit großer Mehrheit eine Änderung der Musterberufsordnung (MBO-Ä) beschlossen und das bisher geltende berufsrechtliche Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen aufgehoben. Demnach sollen eine Beratung und Behandlung über verschiedene Kommunikationsmedien zukünftig auch ohne persönlichen Erstkontakt erlaubt sein, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt gewahrt wird und der Patient über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über diese Medien aufgeklärt wurde (MBO-Ä § 7, Abs. 4) [8]. Detaillierte Hinweise und Erläuterungen sowie ein Fragekatalog zur Änderung der Musterberufsordnung finden sich in den Bekanntmachungen der BÄK (Stand 03/2019) [9, 10]. Da die Regelungen der MBO-Ä in den Berufsordnungen der einzelnen Bundesländer umgesetzt werden müssen, muss jeder Arzt die Voraussetzungen der Zulässigkeit der ausschließlichen Fernbehandlung in seinem Bundesland prüfen.

Nach einem ersten Referentenentwurf im Mai 2019 trat bereits am 19. November 2019 das ‚Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation‘ (Digitales Versorgungsgesetz, DGV) in Kraft (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019, Teil I Nr.49) [11]. Dieses Gesetzespaket umfasst drei Schwerpunkte: Neben der verpflichtenden Einführung eines sicheren digitalen Netzwerkes im Gesundheitsbereich sowie dem möglichen Gebrauch von Gesundheits-Apps auf Rezept soll der Ausbau und Zugang zu Videosprechstunden im klinischen Alltag als eine ergänzendes Medium in der Arzt-Patient Kommunikation vorangetrieben werden.

Für Vertragsärzte ist des Weiteren die Videosprechstunde als telemedizinisches Verfahren gesetzlich geregelt in §§ 365, 368 SGB V. Hierzu hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit dem GKV-Spitzenverband eine Vereinbarung über die Anforderungen an die technischen Verfahren zur Videosprechstunde geschlossen, die als Anlage 31b dem BMV-Ä beiliegt. Ebenso haben diese Parteien eine Vereinbarung über telemedizinische Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung geschlossen, die dem BMV-Ä als Anlage 31 beigefügt ist. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat auf ihrer Homepage Informationen zu Anforderungen, Vergütung und Organisation der Video-Sprechstunde zur Verfügung gestellt [12].

Mit der Novellierung der ärztlichen Berufsordnung und der Lockerung des Verbots der ausschließlichen Fernbehandlung durch den Deutschen Ärztetag 2018 werden aus juristischer Sicht zwei Fragen aufgeworfen, die gegenwärtig noch nicht abschließend beantwortet sind. Dies sind zum einen die rechtswirksame Qualitätssicherung der ärztlichen Beratung und Behandlung und zum anderen die Datensicherheit und Datenschutz der ärztlich erhobenen Informationen. Die Komplexität nimmt ohne Frage zu. Wie vom Deutschen Ärztetag festgestellt und von Rechtsexperten bestätigt, gilt die physische Präsenz des Arztes weiter hin als Goldstandard der ärztlichen Beratung und Behandlung. Bei der ausschließlichen Fernbehandlung ist jedoch die Einhaltung dieses fachlichen Standards nicht gewährleistet, zumal ein „Fernbehandlungs-Standard“ noch nicht definiert wurde. Daher ist fraglich, ob im Schadensfall einer fehlerhaften Beratung oder einem Befunderhebungsfehler dieses online-Medium juristischen Bestand hat. Von Seiten der Juristen wird zudem darauf hingewiesen, dass die Inanspruchnahme einer Video-Sprechstunde keine stillschweigende Vereinbarung einer Abweichung vom Standard impliziere und daher Zivilgerichte solchen privatautonomen Vereinbarungen Im Sinne des Patientenschutzes engen Grenzen ziehen würden. Dies bedeutet, dass der behandelnde Arzt für einen Schaden haftbar gemacht werden kann, den der Patient in einer persönlichen Behandlung oder Beratung nicht erlitten hätte [13].

Die wichtigste juristische Implikation dieser bestehenden Rechtsunsicherheit betrifft die Aufklärung zur Operation. Aufgrund der BGH-Rechtsprechung zur wirksamen Aufklärung per Telefon dürfte aus juristischer Sicht eine Fernaufklärung allerdings nur in medizinisch einfach gelagerten Fällen als zulässig anzusehen sein, wenn der Patient sich mit der fernmündlichen Aufklärung einverstanden erklärt hat, der Arzt die Möglichkeit hatte, auf individuelle Belangte des Patienten einzugehen und Fragen zu beantworten und er sich davon überzeugt hat, dass der Patient die Aufklärung verstanden hat. Bei komplizierten Eingriffen bzw. Behandlungen mit erheblichen Risiken ist eine fernmündliche Aufklärung nach der geltenden Rechtslage regelmäßig unzureichend. Aus den genannten Gründen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer ausschließlich fernmündlichen, also telemedizinischen OP-Aufklärung abzuraten, eine erste dokumentierte Aufklärung in der online-Sprechstunde im Rahmen der Stufenaufklärung, wenn also eine weitere Aufklärung dann im persönlichen Gespräch noch erfolgt, aber statthaft. Dies gilt insbesondere für komplexe chirurgische Eingriffe, die eine klinisch relevante Morbidität und Mortalität haben.

Hinsichtlich des Datenschutzes ist der Arzt, der telemedizinische Verfahren einsetzt, grundsätzlich Verantwortlicher i. S. d. Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO). Bei Einsatz eines Webportals oder Ähnlichem besteht ggf. eine gemeinsame Verantwortlichkeit nach Art. 26 DS-GVO mit dem Plattformbetreiber. Dies bedeutet, dass der Arzt jedenfalls innerhalb seiner Praxis die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Datensicherheit und zum Datenschutz zu ergreifen hat. Für die Anwendung der Telematik-Infrastruktur regeln die §§ 306, 307 SGB V die Verantwortlichkeiten des Vertragsarztes. Bei Einsatz solch neuer Technologien muss auch stets geprüft werden, ob der Arzt vor deren Anwendung eine Datenschutzfolgenabschätzung nach Art. 35 DS-GVO durchführen muss. Ist dies der Fall, ist der Arzt auch zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet.

Technische Voraussetzungen und Durchführung der Video-Sprechstunde

Um einen ordnungsgemäßen Ablauf einer Online-Sprechstunde gewährleisten zu können, müssen bestimmte Grundvoraussetzungen geschaffen werden. Diese haben einerseits zum Ziel, durch funktionelle Technik eine störungsfreie und angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Andererseits sind bestimmte strukturelle, bauliche und digitale Bedingungen notwendig, um den juristischen Voraussetzungen im Umgang mit sensiblen und persönlichen Patientendaten zu genügen und um durch die korrekte Dokumentation die Abrechenbarkeit mit den Krankenkassen zu ermöglichen.

Der Patient selbst muss lediglich dafür Sorge tragen, dass er ein internetfähiges Endgerät sowie eine stabile Internetverbindung zur Verfügung hat. Dies kann ein Tablet, ein Smartphone, ein Laptop oder ein PC darstellen, die selbstverständlich mit einer funktionstüchtigen Kamera, einem Mikrofon sowie Lautsprechern ausgestattet sein müssen. Obwohl die meisten zertifizierten Videodienstanbieter auch einen Login auf Ihrer Webpage über einen Zugangscode anbieten, wird der Kontakt am einfachsten über einen Link hergestellt. Dieser wird digital versandt, so dass der Patient zudem noch auf eine E-Mail-Adresse Zugriff haben muss.

Die Anforderungen an die technischen Verfahren zur Durchführung von Videosprechstunden in der vertragsärztlichen Versorgung, insbesondere Einzelheiten hinsichtlich Qualität und Sicherheit sowie die Anforderungen an die technische Umsetzung werden in der Anlage 31 b des Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) geregelt [14]. Die Zugangsbedingungen im technischen Bereich auf der Seite der Praxen/Krankenhäuser entsprechen in etwa den Voraussetzungen auf Patientenseite. Allerdings empfiehlt sich, im Hinblick auf Professionalität und Außendarstellung einen gewissen Grad an Ton- und Bildqualität zu gewährleisten. Dies wird am ehesten durch ein fest installiertes Kamera- und Videosystem garantiert; von einer Videosprechstunde über ein Smartphone auf ärztlicher Seite wird dringend abgeraten. Mit diesen Vorrausetzungen braucht es dann lediglich noch eine stabile Internetverbindung.

Grundsätzlich gilt, dass eine Videosprechstunde nur unter den Rahmenbedingungen eines reellen Arzt-Patientengespräch stattfinden sollte. Daher wird empfohlen, einen entsprechend ausgestatteten Raum zu schaffen, der neben stabilen technischen Voraussetzungen auch einen störungsfreien und vertraulichen Verlauf des Arzt-Patientengesprächs sichert. Ebenso wie bei einem Präsenzkontakt eines Patienten darf das Gespräch keinen unbeteiligten Personen zugänglich sein. Der digitale Einblick in das persönliche Büro des Arztes ist der erste Eindruck des Patienten von seinem behandelnden Arzt.

Vor der Durchführung der Sprechstunde muss der Patient seine Einwilligung erklären, dies kann in Abhängigkeit des verwendeten Anbieters über das System oder direkt über den Arzt selbst erfolgen. Für den Fall, dass der Patient zuvor noch nicht in der Praxis oder Klinik vorstellig war, müssen seine Stammdaten (Bezeichnung der Krankenkasse, Name und Vorname, Geburtsdatum, Versichertenart, Postleitzahl des Wohnorts, Krankenversichertennummer) digital erfasst werden. Hierzu kann der Patient seine Versichertenkarte in die Kamera halten, so dass seine Identität geprüft werden kann. Insgesamt darf eine Sprechstunde nicht anonym ablaufen, der Klarname des Patienten (Identität) muss für den Arzt erkenntlich sein. Zu Beginn der Sprechstunde der Videosprechstunde hat auf beiden Seiten eine Vorstellung aller im Raum befindlichen Personen zu erfolgen. Im Anschluss an das Sprechstundengespräch ist eine korrekte Dokumentation der Diagnosen und Leistungen selbstverständlich, um einen nachvollziehbaren medizinischen Verlauf und eine möglichst vollständige Abrechnung zu gewährleisten.

Kommerzielle Anbieter von Video-Sprechstunden

Die Zahl der kommerziellen Anbieter ist groß und unter der COVID-Pandemie noch größer geworden. Viele bieten ihre Dienste zudem für Einsteiger kostenfrei an. Bei der Wahl des Videodienstanbieters ist darauf zu achten, dass dieser bei der KBV in Bezug auf die technische Sicherheit und den Datenschutz zertifiziert ist. Der Videodienstleister muss zwingend gewährleisten, dass die Video-Sprechstunde während der ganzen Übertragung Ende-zu-Ende verschlüsselt ist und die Übertragung über eine Peer-To-Peer-Verbindung (d. h. ohne Nutzung eines zentralen Servers) stattfindet. Die genauen Voraussetzungen hierfür sind in der Anlage 31b zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) geregelt, die voraussichtlich im ersten Quartal 2021 in einer neuen Fassung erscheint. Auch wenn die KBV selbst nicht die Zertifizierungsinstanz der verschiedenen Anbieter darstellt, bietet Sie auf Ihrer Homepage eine Liste der zertifizierten Anbieter an. Vergleichbare Listen sind ebenfalls auf den Webseiten der meisten Kassenärztlichen Vereinigungen zu finden. Auf der Liste der KBV sind zum aktuellen Zeitpunkt 44 zertifizierte Anbieter aufgeführt (Stand 19.10.2020) [12]. Aufgrund der großen Anzahl und unterschiedlichen Leistungen lohnt sich ein Vergleich der Konditionen. Die Anbieter unterscheiden sich in der vertraglichen Laufzeit und Kündigungsfristen sowie vielfältigen technischen Details wie der Möglichkeit des Dokumentenaustauschs über die Plattform oder der Anzahl der möglichen Gesprächsteilnehmer. Die Kosten liegen gegenwärtig zwischen 39 und 139 Euro monatlich, je nach Anbieter und Leistungsumfang. Zudem offerieren manche Anbieter die Möglichkeit einer Einzelgesprächsabrechnung, die zwischen 1,99 Euro und 3,99 Euro pro Gespräch angeboten wird.

Abrechnung von Video-Sprechstunden

Das Bemühen, Online-Sprechstunden unbürokratisch attraktiv zu machen, ist unübersehbar. Die KBV und der GKV-Spitzenverband einigten sich aufgrund der Corona-Pandemie über zahlreiche Sonderreglungen in der ambulanten Versorgung. Hierzu gehören auch die Videosprechstunden, die hinsichtlich Fallzahl und Leistungsmenge weiter unbegrenzt in der ambulanten Versorgung angeboten werden können. Diese Sonderregelungen wurden zuletzt im Dezember 2020 für weitere drei Monate verlängert und gelten nun zunächst mindestens bis zum 31. März 2021. Video-Sprechstunde müssen jedoch zunächst bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) anzeigt werden, die im Rahmen der Corona-Pandemie in der Regel ein unbürokratisches Verfahren zur Anmeldung anbieten [15]. Die Verfahren hier sind regional unterschiedlich und können über die zuständige KV erfragt werden, eine gute Übersicht bietet hier die KBV auf ihrer Homepage.

Die Abrechnung der Videosprechstunde über den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) ist seit dem 01. April 2017 möglich und wird über die übliche Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschale vergütet [16]. Zusätzlich kann ein Technikzuschlag GOP 01450 (40 Punkte/4,45 Euro) abgerechnet werden, dieser ist auf maximal 1899 Punkte (205,52 Euro) gedeckelt. Im Rahmen der Anschubfinanzierung können Arztpraxen ebenso die GOP 01451 (92 Punkte/10,23 Euro) ansetzen, wenn die Praxis mindestens 15 Sprechstunden im Quartal durchführt. Diese Ziffer ist auf 50 Videosprechstunden pro Quartal begrenzt und gilt seit dem 01.10.2019 für zwei Jahre. Weiterhin existiert bis zum 30.09.2021 befristet die GOP 01444 (10 Punkte/1,11 Euro). Diese soll dem zusätzlichen Aufwand des Praxispersonals für die Authentifizierung neuer Patienten Rechnung tragen, wenn die persönlichen Stammdaten aufgrund der virtuellen Vorstellung des Patienten nicht über die elektronische Gesundheitskarte automatisiert erfasst werden können. Insgesamt wird die Pauschale neben den möglichen Zuschlägen in voller Höhe gezahlt, wenn im selben Quartal noch ein weiterer persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden hat. Wird der Patient in dem Quartal nicht mehr persönlich vorstellig, ist wie zum Beispiel in der Chirurgie ein Abschlag von 25 Prozent vorzunehmen. In der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) liegt, insbesondere in der momentanen Pandemiephase, eine vergleichbare Situation vor. Hier sind allerdings nur die Ziffern 01450 und 01444 zusätzlich abrechenbar. Ob diese Möglichkeit der Abrechnung in Zukunft bestehen bleibt, ist abzuwarten.

Fazit

Es besteht kein Zweifel. Telemedizinische Angebote mit Schwerpunkt der Video-Sprechstunden werden in absehbarer Zukunft fester Bestandteil in der Kommunikation Arzt-Patient sein und diese auch nachhaltig verändern. Dabei ist auch klar, dass nicht alle Bereiche des persönlichen Kontaktes in der Chirurgie für dieses Medium zugängig sind. Gegenwärtig ist die Nachfrage zur Nutzung der online-Sprechstunden von Arzt- und von Patienten-Seite noch überschaubar, auch wenn die aktuelle Pandemie die Bereitschaft deutlich erhöht hat. Hardware und Software zur Implementierung einer solchen Online-Sprechstunde sind auch für nicht IT-affine Chirurgen gut umzusetzen. Am Wichtigsten erscheint, die hohen Auflagen des Datenschutzes zu kennen und bei Praktizierung zu beachten. Die KBV hat alle Vorrausetzungen zur Abrechnung dieser ärztlichen Leistung geschaffen. Deshalb – alle Chirurg:innen, die das Zeitmanagement ihres klinischen Alltags optimieren möchten, sollten diese Möglichkeit nutzen und den Einstieg in diese neue Medium wagen.

Literatur

[1]   https://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/telematiktelemedizin/telemedizin/
[2]   Koehler F, et al.. Efficacy of telemedical interventional management in patients with heart failure (TIM-HF2): a randomised, controlled, parallel-group, unmasked trial. Lancet 2018, https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)31880-4
[3]   Gemeinsamer Bundesausschuss, Pressemitteilung und Beschluss von 17. Dezember 2020, www.g-ba.de
[4]   Deutsches Ärzteblatt 2018, Jg.115, Heft 15, Seite A684 ff.
[5]   Deutsches Ärzteblatt 2019, Jg. 116, Heft 9, Seite 420 ff; Zitat 3 und 4.
[6]   Eichenberg C, Hübner L. Psychoanalyse via Internet: Ein Überblick zum aktuellen Stand der Diskussion um Möglichkeiten und Grenzen. Psychotherapeut 2018, 63(4): 283-90. DOI: 10.1007/s00278-0180294-0
[7]   Eichenberg C. Trendwende in der Online-Psychotherapie. DÄB 06/2020, Seite 255 ff.
[8]   https://www.bundesaerztekammer.de/recht/berufsrecht/muster-berufsordnung-aerzte/muster-berufsordnung/
[9]   https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Recht/HinweiseErlaeuterungenFernbehandlung.pdf
[10] https://www.bundesaerztekammer.de/recht/publikationen/fragenkatalog/
[11] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/digitale-versorgung-gesetz.html
[12] https://www.kbv.de/html/videosprechstunde.php
[13] Katzenmeier C, DÄB 2019, Jg.116 Heft 15, Seite A728
[14] www.kbv.de: Vereinbarung über die Anforderungen an die technischen Verfahren zur Videosprechstunde gemäß § 291g Absatz 4 SGB V vom 21. Oktober 2016 in der Fassung vom 27. Juli 2020 / Anlage 31b zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä)
[15] Verfahren zur Anzeige der Videosprechstunde bei der KV (Stand: 06.04.2020) https://www.kbv.de/media/sp/Anzeige_Videosprechstunde-KV.pdf; Kassenärztliche Bundesvereinigung 2020
[16] Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM), Stand: 1. Quartal 2021, KBV; Kassenärztliche Bundesvereinigung, Berlin 2021

Schröder W, Urbanski A: BDC-Praxistest: Video-Sprechstunden in der Chirurgie. Passion Chirurgie. 2021 Mai; 11(05): Artikel 05_01.

AUS DER KLINIK

Interview mit DR. MED. MAXIMILIAN ANHEIER
Oberarzt der Klinik für Allgemein- und
Viszeralchirurgie
Zentrum für onkologische und minimalinvasive
Chirurgie
Kaiserswerther Diakonie
Florence-Nightingale-Krankenhaus
Kreuzbergstr. 79
40489 Düsseldorf
[email protected]

1. 
Die Covid-Pandemie hat dem online-Kontakt zwischen Arzt und Patient nochmals deutlich Aufschwung verliehen. Was ist das Fazit Ihrer Erfahrungen?

Das vorher wenig bespielte Spielfeld des Online-Kontaktes hat durch die Pandemie einen großen Schub erhalten. Ich sehe das nur positiv, weil so ein einfacher und schneller Kontakt zu Patienten möglich ist.

 

2.
Wird sich die Arzt-Patienten-Beziehung durch die Digitalisierung verändern? Und wenn ja – wie?

Ich glaube nicht, dass sich die Arzt-Patienten-Beziehung verändern wird. Und falls doch, dann eher zum guten, weil durch die Digitalisierung ein schneller und persönlicher Kontakt herzustellen ist. Sicher gibt es auch Dinge, die nicht in den digitalen Bereich gehören. Zum einen die Dinge, die digital schlicht nicht machbar sind, wie eine eingehende klinische Untersuchung aber sicher auch die Besprechung eines Befundes mit deutlichen Konsequenzen für den Patienten wie beispielsweise das Überbringen einer Krebs-Diagnose. Aber ist hier das erste Gespräch persönlich und nicht digital geführt, so können Folgegespräch dann ggf. auch digital erfolgen.

3.
Echter Fortschritt oder nice to have. Wie sehen Sie die Zukunft der Online-Sprechstunde?

Echter Fortschritt! Ich hoffe, dass auch nach der Pandemie weiter Online-Sprechstunden angeboten werden. Man kann online viele Fragen beantworten, Befunde und Bilder demonstrieren, ggf. sogar Wunden betrachten. Und falls es am Ende in der Online-Begutachtung unklar bleibt, so kann der Patient ja dann immer noch persönlich in die Klinik kommen.

AUS DER KLINIK

Interview mit PROF. DR. MED. WOLFGANG SCHRÖDER, FACS, FEBS
Leiter der Deutschen Akademie für chirurgische
Fort- und Weiterbildung
Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V.
Leitender Oberarzt
Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Tumor- und
Transplantationschirurgie
Universitätsklinik Köln
[email protected]

1.
Die Covid-Pandemie hat dem online-Kontakt zwischen Arzt und Patient nochmals deutlich Aufschwung verliehen. Was ist das Fazit Ihrer Erfahrungen?

Ich kann hier nur über erste Erfahrungen berichten, die aber durchgehend positiv sind. Wir nutzen Video-Sprechstunden im UK Köln in unserem hochspezialisierten Zentrum für Ösophagus- und Magenchirurgie, das onkologische Patient:innen aus ganz Deutschland zugewiesen bekommt. Wir haben die Sprechstunden in Kooperation mit dem Zentrum für integrierte Onkologie (CIO) nach der ersten Pandemie-Welle eingerichtet. Was vorher schon lange in der Planung war, wurde jetzt in der Not zügig umgesetzt. Aber nur durch die Video-Sprechstunde war es möglich, den vielen Patienten weiterhin den Kontakt zu unserem Zentrum zu ermöglichen. Als weiterer, großer Vorteil erwies sich auch, dass online alle Angehörige teilnehmen konnten, denen sonst aufgrund der Kontaktverbote der Zugang zum Sprechzimmer verwehrt geblieben wäre. Außerdem freuen sich wirklich viele Patienten und Angehörige, dass ihnen die langen Anfahrtswege erspart bleiben. Am Ende der Online-Sprechstunde rechnen wir für alle Patienten die nicht-gefahrenen Kilometer zusammen. Gerade für onkologische Patient:innen, die überregional versorgt werden, in ein multimodales Therapiekonzept eingebunden sind und sich an verschiedenen Eckpunkten der Therapie immer wieder vorstellen müssen, ist dieses online-Medium doch eine große Erleichterung. Bei uns wird diese innovative Variante der Arzt-Patienten-Kommunikation gut angenommen.

2.
Wird sich die Arzt-Patienten-Beziehung durch die Digitalisierung verändern? Und wenn ja – wie?

Viele paramedizinische Berufe ohne direkten Patientenkontakt verbreiten das Credo, dass die Arzt-Patienten-Beziehung wegen der unaufhaltsamen Spezialisierung in der Medizin von einer Service-orientierten Leistung lebt, die der/die beratende und behandelnde Arzt/Ärztin unter ökonomischen Gesichtspunkten zu erbringen hat. In diesem Konzept hat die zunehmende Digitalisierung die alleinige Aufgabe, die Effizienz der Leistungserbringer zu steigern. Das mag für Teilbereiche der Medizin zutreffen, aber die meisten Patienten haben eine abweichende Vorstellung von der Beziehung zu ihrem/r Arzt/Ärztin. Digitale Kontaktformen bleiben von Patientenseite willkommen, aber nur solange der eigentliche Ur-Kern der Arzt-Patienten-Beziehung unangetastet bleibt. Dieser Kern ist das grundlegende, häufig unausgesprochene Vertrauen in eine kompetente und emphatische Behandlung. Ist diese Basis gelegt, läuft Kommunikation auch digital.

3.
Echter Fortschritt oder nice to have. Wie sehen Sie die Zukunft der Online-Sprechstunde?

Online-Sprechstunden sind grundsätzlich nur ein weiteres Tool, das gegenwärtig auch lediglich einen sehr kleinen Teil der Arzt-Patienten-Kommunikation bedient. Doch der Trend in diese Richtung ist in der Digitalwelle nicht mehr umzukehren. Wir erwarten, dass dieses Medium noch größere Teile der Arzt-Patienten-Kommunikation erobern wird. Zu offensichtlich sind die Vorteile in einer digitalisierten Welt, die in vielen Bereichen doch schon ausschließlich digital kommuniziert. Die Akzeptanz ist gegenwärtig noch stark vom Patientenalter abhängig und so wird wohl erst eine spätere Generation die Online-Sprechstunde als ihr zentrales Medium der Arzt-Patienten-Kommunikation besetzen. Aber so wird es kommen.

AUS DER NIEDERLASSUNG

Interview mit DR. HANS-JÜRGEN BECKMANN
FA Chirurgie, Visceralchirurgie, Phlebologie,
D-Arzt
Aesthetische Lasermedizin (D.A.L.M.)
Vorstand Medizin u. Mehr eG
Holzhauser Str. 4
32257 Bünde
[email protected]

1.
Die Covid-Pandemie hat dem online-Kontakt zwischen Arzt und Patient nochmals deutlich Aufschwung verliehen. Was ist das Fazit Ihrer Erfahrungen?

Die aktuellen Zahlen der KV Westfalen Lippe verdeutlichen, dass viele, alte Argumente gegen die Durchführung von Videosprechstunden mit Beginn der Corona Pandemie nicht mehr zu halten sind. Der Gesetzgeber hatte bereits 2019 die Möglichkeit geschaffen, Videosprechstunden abzurechnen und das zu durchaus akzeptablen Honoraren. Trotzdem wurden im vierten Quartal 2019 im gesamten Versorgungsgebiet nur insgesamt 320 Videosprechstunden zur Abrechnung gebracht. Mit Beginn der Corona Pandemie stiegen die Nutzerzahlen aber exponentiell an, sodass zum Ende des zweiten Quartals 2020 bereits 100.000 Video-Sprechstunden an die KV gemeldet wurden. Ein ähnliches Bild bietet das Bundesgebiet mit mehr als 1,2 Millionen Videosprechstunden für den gleichen Zeitraum. Obgleich wir in Bünde schon seit 2015 in verschiedensten Szenarien Vorteile und Zugewinn durch Videosprechstunden erprobt, evaluiert und publiziert haben, konnte erst das einschneidende Ereignis der Pandemie die Kollegen:innen von der einfachen und sinnstiftenden Anwendbarkeit zu überzeugen.

2.
Wird sich die Arzt-Patienten-Beziehung durch die Digitalisierung verändern? Und wenn ja – wie?

Die Arzt-Patienten-Beziehung wird sich genauso ändern, wie unsere normale Kommunikation sich bereits geändert hat. Im Aufenthaltsraum meiner Praxis versenden die Mitarbeiter in der Pause eher Nachrichten über das Handy statt miteinander zu reden. Das ist eine nachhaltige Verhaltensänderung. In den letzten Jahren habe ich im Rahmen von Präsentationen viele Diskussionen mit Gegnern von Videosprechstunden geführt. Diese Diskussionen waren oft dann beendet, wenn ich darauf hinwies, dass man z. B. mit Kindern im Ausland auch per Skype oder Whats-App kommuniziere und vertrauliche familiäre Informationen über die Internet-Kanäle teile, die in ihrer hinsichtlich Datensicherheit mit ärztlichen Videosprechstunde überhaupt nicht zu vergleichen sind.
An dieser Stelle muss man aber betonen, dass die Videosprechstunde in den allermeisten klinischen Disziplinen nicht die Erstuntersuchung und das Kennenlernen Vis-a-Vis ersetzen kann. Eine Ausnahme mag in rein „sprechenden Disziplinen“ wie der Psychotherapie gelten – Psychotherapeuten stellen mittlerweile die größte Nutzergruppe. Nicht aber in Disziplinen, wo die körperliche Untersuchung am Anfang allen Handelns steht. Was die Videosprechstunde in den Wochen danach aber sehr wohl und gerade bei langwierigen Behandlungsverläufen gut leisten kann, ist eine intensivere Betreuung von Patient:innen. Die Befundkontrolle per Video ist viel unkomplizierter als etwa ein Hausbesuch oder die wiederholte Vorstellung in der Praxis. Wir haben diese positiven Effekte in verschiedensten Szenarien immer wieder nachweisen können.

3.
Echter Fortschritt oder nice to have. Wie sehen Sie die Zukunft der Online-Sprechstunde?

Aus meiner Sicht stellt die Videosprechstunde erst den Anfang einer neuen Arzt-Patienten-Beziehung und damit auch einer komplett neuen Form der Patientenuntersuchung und -beurteilung ist. Bereits in unserem ersten Videoprogramm, elVi®, hatten wir Schnittstellen programmiert, die etwa die Fernableitung von EKGs oder die Übertragung von Temperatur und Sauerstoffspannung im Blut möglich machen. Die Zeit war aber 2015 dafür noch nicht reif. Patient:innen und Ärzt:innen mussten sich erst an den Umgang mit der Videosprechstunde selbst gewöhnen. Meiner Meinung nach ist es aber überhaupt keine Frage mehr, dass diese Zusatzfunktionen zukünftig an die Videosprechstunde angedockt werden. Und auch wegen Corona, können doch viele potentiell riskante Besuche in überfüllten Praxen und Krankenhäusern durch die Videosprechstunde vermieden werden. Das Unternehmen Teleclinic etwa bietet bereits 14 verschiedene Selbsttests für zu Hause an, deren Ergebnisse dann per Videosprechstunde mit den Ärzten der Teleclinic besprochen werden können. Der Schritt zur sensorbasierten Messung und Übertragung von Körperdaten ist dann nur noch logisch. Erst vor kurzem las ich über sog. „Biopads“, deren technischer Reifegrad mittlerweile die Messung verschiedener Blutwerte durch die Haut zulässt. Warum soll man diese Messwerte gerade bei bekannten Patient:innen nicht per Videosprechstunde erörtern? Und ein letztes von noch vielen möglichen Beispielen: Mit Beginn der Corona Pandemie wurde im März 2020 das „Virtuelle Krankenhaus NRW“ eröffnet, um kleineren Krankenhäusern die Möglichkeit zu geben, schwere Verläufe der Virusinfektion mit den Universitätskliniken Aachen, Münster und Essen per Videoschaltung zu diskutieren. Mehr als 2.000 videogestützten Konsile dieser Art wurden seitdem abgehalten. Schneller und unmittelbarer kann es doch nicht gehen! Ich bin ganz davon überzeugt, dass wir uns auf weitere Digitalisierung bei Diagnose und Patientenbesprechungen einstellen müssen, und das ist auch nicht negativ. Gerade die junge Generation möchte für ein fünfminütiges Gespräch nicht mehr weite Wege zurückzulegen und viel Zeit zu opfern, wenn sie auf der anderen Seite Bankgeschäfte und Besprechungen mit Anwälten oder Steuerberatern online erledigen kann. Die Videosprechstunde und Digitalisierung stellen einen echten Fortschritt. Man sollte es einfach einmal ausprobieren.

BDC|eAkademie – einfach starten!

Aller guten Dinge sind eins: eAkademie des BDC gestartet

Die Corona-Pandemie ist weltweit das all bestimmende Ereignis des Jahres 2020, mit langfristigen Auswirkungen auf große Teile des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Von dieser Krise ist auch die BDC|Akademie nicht verschont geblieben. Mehr als fünf Monate konnten keine Präsenzveranstaltungen angeboten und durchgeführt werden. Mittlerweile ist eine Vielzahl der BDC-Veranstaltungen wieder schrittweise und unter besonderen hygienischen Voraussetzungen

 in der Durchführung. Trotz allem gibt es ein positives Aber in diesem Kontext: Die Corona-Pandemie hat den chirurgischen Fort- und Weiterbildungsmarkt nachhaltig beeinflusst und dem Trend zu allen Formen digitaler Angebote einen explosionsartigen Schub verliehen. Auch unabhängig von dieser Entwicklung stand für die BDC|Akademie seit über einem Jahr der Aufbau einer neuen, modernen und leistungsfähigen E-Learning Plattform auf der Agenda. Unter www.bdc-eakademie.de ist diese neue Plattform jetzt an den Start gegangen.

Am Anfang dieses Projektes stand eine solide, langfristige Finanzierung für die laufenden Kosten sowie die Wahl eines erfahrenen, unabhängigen Anbieters, der die technischen Möglichkeiten für eine visionäre Gestaltung digitaler Lernformen bereitstellen konnte. Diesen Partner hat die BDC|Akademie mit der Medienagentur Monks – Ärzte im Netz GmbH in München gefunden, die ihren Schwerpunkt im digitalen Sektor des Gesundheitsmarktes hat. Die zweite Kernaufgabe dieses Projektes lag auf der inhaltlichen Strukturierung der Plattform mit der Integration bereits vorhandener Angebote, gefolgt von der Gestaltung der Website im traditionellen BDC-Design. Einfach einloggen und mit wenigen Klicks die Inhalte zum gesuchten Thema finden – das war das Ziel bei der Gestaltung der Startseite. BDC|eAkademie bedeutet also: Zugang zu allen digitalen Lerninhalten mit nur einem BDC-Login..

Damit ist die BDC|Akademie gut aufgestellt für die Anforderungen in der digitalen Fort- und Weiterbildung. Die Kernstruktur der neuen BDC|eAkademie folgt den unterschiedlichen Formaten des E-Learnings und wird ergänzt durch eine inhaltlich ausgerichtete Suchfunktion. Das Angebot umfasst Webinare, Online-Kurse, Podcasts, und ergänzende Online-Unterlagen zu den BDC-Präsenzseminaren. Folgende Beispiele verdeutlichen das Spektrum aktueller Angebote und geplanter digitaler Projekte:

  • Ein Klassiker der Online-Kurse ist das jährlich erscheinende Periodikum „Was gibt es Neues in der Chirurgie?“, welches die wesentlichen Publikationen des Vorjahres aus allen Fachgebieten der Chirurgie prägnant zusammenfasst. Jedes Kapitel ist mit entsprechenden CME-Fragen versehen, die nicht nur der Rekapitulation des aktuellen Wissens dienen, sondern auch helfen, das Punktekonto verpflichtender ärztlicher Fortbildung zu füllen.
  • Stark nachgefragt ist nach wie vor das Blended-Learning Programm zum Erwerb der Zusatzqualifikation „Hygienebeauftragter Arzt“. Diese curriculare Fortbildung, bestehend aus 21 Online-Lernmodulen und einer Präsensveranstaltung, lässt sich einfach und flexibel in den Klinik- und Praxisalltag integrieren.
  • Monatliche Webinare zu den aktuellen „Leitlinien in der Chirurgie“ sind fest etabliert im Programm der BDC|Akademie. Mittlerweile sind über 30 dieser Leitlinien aus allen chirurgischen Fachdisziplinen in der BDC|eAkademie abrufbar. Eine Erfolgsgeschichte der BDC|Akademie, die ab 2021 durch eine zweite Webinar-Serie ergänzt wird. „Chirurgie Aktuell“ heißt das neue BDC-Produkt, in welchem ebenfalls einmal monatlich ein aktuelles chirurgisches oder auch berufspolitisches Thema live referiert wird. Damit wird die BDC|eAkademie jeden Monat um zwei Beiträge erweitert.
  • Ein weiteres neues Produkt ist die Podcast-Serie „Perioperative Medizin“, die Anfang 2021 an den Start gehen wird und fachübergreifend die wichtigsten Themen im perioperativen Management zusammenfasst. Kurze Lerneinheiten als Download für zwischendurch. Weitere Podcast-Serien für Studierende und den chirurgischen Nachwuchs sind bereits in Planung.
  • Die BDC|eAkademie ist verlinkt mit der Mediathek der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Medien (CAM) der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und zeigt ein breites Spektrum aktueller chirurgischer Techniken in qualitativ hochwertigen Videos.
  • Nicht zuletzt sind auch alle CME-Artikel der PASSION Chirurgie online über die neue Plattform abrufbar.

Noch mehr Fortbildungsservices finden BDC-Mitglieder und Interessierte in der neu gestalteten BDC|eAkademie, deren Angebot stetig weiterentwickelt wird. Viele Online-Fortbildungen stehen den BDC-Mitgliedern als Service der Akademie kostenfrei zur Verfügung. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Fortbildung – einfach starten!

Schröder W, Joachimi S: BDC|eAkademie – einfach starten! Passion Chirurgie. 2020 Oktober, 10(11): Artikel 04_01.