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Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist am 28.06.2025 in Kraft getreten und stellt Anforderungen an die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen. Hiervon kann auch die Website einer medizinischen Einrichtung (Arztpraxis, MVZ etc.) betroffen sein. Deshalb werden in diesem Beitrag die wichtigsten Informationen kurz dargestellt.

Wann fällt eine medizinische Einrichtung unter das BFSG?

Der Anwendungsbereich des BFSG (vgl. im Folgenden unter https://bfsg-gesetz.de) ist für eine medizinische Einrichtung eröffnet, wenn diese

  1. Dienstleistungen i. S. d. BFSG anbietet und
  2. kein Kleinstunternehmen im Sinne des BFSG ist.

1) Nach § 1 Abs. 3 BFSG unterfallen u. a. folgende Dienstleistungen dem BFSG:

  • Telekommunikationsdienste (Nr. 1): dies sind z. B. ein Online-Kontaktformular oder Videosprechstunde;
  • Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr (Nr. 5): dies sind Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten (Apps) angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden (§ 2 Nr. 26 BFSG). Hierzu zählen insbesondere die auf Praxiswebseiten eingebundenen Angebote von Online-Terminbuchung, Online-Kontaktformular, sonstige digitale Möglichkeiten der Patientenaufnahme oder Chatbots. Denn diese werden regelmäßig im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrages, zu dem auch der Behandlungsvertrag nach § 630a BGB zählt, erbracht.

Ausnahmen:

Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit ist der Auffassung, dass Praxiswebseiten, die zur Terminbuchung ausschließlich auf eine andere Website verlinken, über die dann ein Termin ausgemacht werden kann, vom BFSG nicht unmittelbar betroffen sind. Ebenso dürften Praxiswebseiten, auf denen lediglich reine Informationen mit nur allgemeinen Kontaktdaten bereitgestellt werden und keinerlei interaktive Funktionen enthalten sind, ausgenommen sein (vgl. Bayerische Landesärztekammer, Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) – Was Ärztinnen und Ärzte wissen müssen, Stand Juli 2025, unter: https://api.blaek.de/media/pages/medien/yd760fstxx1524808768aimwgtlzcb360/c5180495f0-1751528840/informationsblatt-blak-barrierefreiheitsstarkungsgesetz.pdf).

Ferner unterfallen nach § 1 Abs. 4 BFSG Inhalte von Webseiten dann nicht dem BFSG, wenn es sich um Inhalte von Dritten handelt, die von der Arztpraxis weder finanziert oder entwickelt werden noch deren Kontrolle unterliegen. Wenn, wie nach Ansicht des Verfassers wohl üblich, eine Arztpraxis ein fertiges Anwendungstool wie eine Online-Terminbuchung von einem externen Anbieter (z. B. Doctolib) erwirbt, dürfte nach derzeitiger Einschätzung des Verfassers dies grundsätzlich vom Anwendungsbereich des BFSG ausgenommen sein, weil in der Regel die Tatbestandsmerkmale des Finanzierens, der Entwicklung und der Kontrollmöglichkeit durch den Praxisinhaber nicht erfüllt sein dürften. Dies muss aber in jedem Einzelfall anhand der tatsächlichen Umstände geprüft werden. Hier muss sich dann zumindest der Drittanbieter darum kümmern, dass sein Tool barrierefrei ist.

2) Kein Kleinstunternehmen i. S. d. BFSG

Wenn es sich bei der medizinischen Einrichtung um ein Kleinstunternehmen handelt, gilt das BFSG für das Angebot und die Erbringung von Dienstleistungen gemäß § 3 Abs. 3 S. 1 nicht.

Nach der Legaldefinition in § 2 Nr. 17 BFSG ist ein „Kleinstunternehmen“ ein Unternehmen, das weniger als zehn Personen beschäftigt und das entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielt oder dessen Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft.

Zur Berechnung der Beschäftigtenzahl wird auf Art. 5 der Empfehlung der Kommission vom 06.05.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (2003/361/EG) abzustellen sein, da hierauf laut der Gesetzesbegründung zum BFSG die Definition des Kleinstunternehmens zurückgeht.

Maßgeblich ist die Zahl der Jahresarbeitseinheiten (JAE), d. h. der Anzahl der während eines Jahres beschäftigten Vollzeitarbeitnehmer. In die Mitarbeiterzahl einzubeziehen sind hiernach

a)Lohn- und Gehaltsempfänger,

b)für das Unternehmen tätige Personen, die in einem Unterordnungsverhältnis zu diesem stehen und nach nationalem Recht Arbeitnehmern gleichgestellt sind,

c)mitarbeitende Eigentümer sowie

d)Teilhaber, die eine regelmäßige Tätigkeit in dem Unternehmen ausüben und finanzielle Vorteile aus dem Unternehmen ziehen.

Teilzeitbeschäftigte, Zeitarbeitskräfte und Saisonarbeiter werden nur entsprechend ihres Anteils an den JAE berücksichtigt. Auszubildende sowie Mitarbeiter im Mutterschafts- oder Elternurlaub sind während der Dauer des Mutterschafts- oder Elternurlaubs nicht zu berücksichtigen (vgl. häufige Fragen zum BFSG unter: https://bfsg-gesetz.de/ abgerufen 07.07.2025).

Fraglich ist, wie größere Einrichtungen, die sich in Trägerschaft eines anderen Unternehmens befinden, wie dies bei MVZ durchaus der Fall sein kann, die relevanten Zahlen ermitteln. Auch hier ist aus derzeitiger Sicht des Verfassers auf die Empfehlung der Kommission vom 06.05.2003 2003/261/EG abzustellen. Die maßgeblichen Regelungen finden sich in Art. 3 und 6 der Empfehlung. Hier muss zunächst unterschieden werden, ob es sich bei dem einzelnen MVZ um ein „eigenständiges Unternehmen“ nach Art. 3 Abs. 1 oder um ein „Partnerunternehmen“ nach Art. 3 Abs. 2 oder um ein „verbundenes Unternehmen“ nach Art. 3 Abs. 3 handelt.

Artikel 6 legt dann fest, wie die Daten sodann aufgrund der sich aus Artikel 3 ergebenden Unternehmenstypen erstellt und berechnet werden. Hierbei ist letztendlich festzustellen, dass bei eigenständigen Unternehmen die Daten einschließlich der Mitarbeiterzahl ausschließlich auf der Grundlage der Jahresabschlüsse dieses Unternehmens erstellt werden. In allen anderen Fällen werden die Daten angerechnet bzw. addiert.

Es muss also jede medizinische Einrichtung für sich prüfen, ob sie unter die Kleinstunternehmerregelung fällt und damit vom BFSG ausgenommen ist.

Weitere Ausnahmen von der Barrierefreiheitspflicht

Die §§ 16 und 17 BFSG sehen sodann weitere Ausnahmetatbestände vor, bei denen die Barrierefreiheitsanforderungen nicht zu erfüllen sind.

Nach § 16 Abs. 1 BFSG gelten die Barrierefreiheitsanforderungen nur insoweit, als deren Einhaltung keine wesentliche Änderung eines Produkts oder einer Dienstleistung erfordert, die zu einer grundlegenden Veränderung der Wesensmerkmale des Produkts oder der Dienstleistung führt. Die Gesetzesbegründung führt hierzu beispielhaft aus, dass dies der Fall wäre, wenn die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen, etwa durch den Einsatz einer neuen Technologie oder Software, die Leistungsfähigkeit des Produktes in einem solchem Ausmaß beeinflussen würde, dass es nicht mehr den intendierten Zweck erreichen kann (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-DS 19/28653, S. 81).

Nach § 17 Abs. 1 BFSG gelten die Barrierefreiheitsanforderungen nur insoweit, als deren Einhaltung nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung nach Anlage 4 des betreffenden Wirtschaftsakteurs führen würde. Eine unverhältnismäßige Belastung kann laut der Gesetzesbegründung dann vorliegen, wenn die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen eine zusätzliche übermäßige organisatorische oder finanzielle Belastung für den Wirtschaftsakteur darstellt und es dem Wirtschaftsakteur nach vernünftigem Ermessen nicht möglich wäre, eine oder mehrere der Barrierefreiheitsanforderungen dieses Gesetzes vollumfänglich anzuwenden. Die Beurteilung, ob eine unverhältnismäßige Belastung vorliegt, erfolgt gemäß den Vorgaben in Anlage 4 zum BFSG (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-DS 19/28653, S. 81, 82).

Beide Paragraphen enthalten hierzu Beurteilungs-, Dokumentations-, Aufbewahrungs- und Unterrichtungspflichten, die aber wiederum zum Teil für Kleinstunternehmer nicht gelten. Inwieweit einer der Ausnahmetatbestände greift, obliegt aus Sicht des Verfassers letztendlich keiner juristischen Entscheidung, sondern vielmehr einer technischen bzw. organisatorischen oder betriebswirtschaftlichen Bewertung.

Anforderungen an die Barrierefreiheit

Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 BFSG sind Produkte und Dienstleistungen barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Beispielsweise müssen Schriftarten und Kontraste flexibel einstellbar sein, die Inhalte müssen mittels Tastatur vollständig bedienbar sein oder es muss möglich sein, die Website mit Screenreadern zu nutzen. Die konkreten Anforderungen an die Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen richten sich nach der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV). Die BFSGV legt spezifische Anforderungen an die barrierefreie Gestaltung fest und verweist auf für die Umsetzung maßgebende technische Standards.

§ 12 Nr. 3 BFSGV legt für Webseiten fest, dass diese, einschließlich der zugehörigen Online-Anwendungen und auf Mobilgeräten angebotenen Dienstleistungen, einschließlich mobiler Apps, auf konsistente und angemessene Weise wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden. Die technischen Anforderungen an Webseiten werden derzeit noch in der EN 301 549, die in Abschnitt 9 auf die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) verweist, und im Anhang in der Tabelle A.1 dargestellt. Aktuell gilt noch die WCAG-Version 2.1. Mit Einhaltung der WCAG in den Stufen A + AA geht das BFSG von Barrierefreiheit aus. Die EN 301 549 befindet sich derzeit aber in Aktualisierung. Die für das BFSG aktualisierte Version der EN 301 549 wird nach Auskunft der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit dann auf die WCAG-Version 2.2 verweisen.

Für Telekommunikationsdienste (s. o. unter I.) bestimmt § 14 BFSGV zusätzliche Anforderungen. Hiernach müssen Telekommunikationsdienste, die Sprachkommunikation ermöglichen, zusätzlich zur Sprachkommunikation Text in Echtzeit bereitstellen. Soweit die Telekommunikationsdienste Video zur Verfügung stellen, muss ein Gesamtgesprächsdienst bereitgestellt werden.

Nach Auffassung des Verfassers ist noch nicht abschließend geklärt, ob die ganze Website barrierefrei sein muss oder nur die Seiten, die auf einen Vertragsschluss abzielen. Eine Meinung vertritt die Ansicht, dass bei abgrenzbaren Bereichen, die unmittelbar auf den Abschluss von Verbraucherverträgen abzielen und für die das BFSG gilt, nur diese barrierefrei sein müssen. Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit hingegen vertritt die Ansicht, dass § 12 Nr. 3 BFSGV i. V. m. Anlage 1 Nr. 2 BFSG nahelegen, dass die gesamte Website barrierefrei sein muss. Nachdem es hierzu noch keine Rechtsprechung gibt, ist aus Gründen der Rechtssicherheit zu empfehlen, die gesamte Website barrierefrei zu gestalten.

Nähere Informationen zur technischen Umsetzung wird die Bundesfachstelle Barrierefreiheit auf ihrer Website zur Verfügung stellen unter https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Home/home_node.html.

Des Weiteren kommt der medizinischen Einrichtung eine Informationspflicht über Dienstleistungen, die den Barrierefreiheitsanforderungen entsprechen, zu. Diese Informationen müssen abermals für die Allgemeinheit in barrierefreier Form nach der BFSGV zugänglich gemacht werden (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 BFSG). In Anlage 3 zum BFSG sind die konkreten Anforderungen an die Erfüllung dieser Informationspflicht festgelegt. Die Informationen sind in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder auf andere deutlich wahrnehmbare Weise, z. B. feste Integration in der Kopf- oder Fußzeile der Website wie dies auch für das Impressum oder die Datenschutzerklärung gilt, zu erteilen. Sie umfassen eine Beschreibung der geltenden Anforderungen und decken, soweit für die Bewertung von Belang, die Gestaltung und die Durchführung der Dienstleistung ab. Die Information muss hiernach jedenfalls enthalten

  1. eine allgemeine Beschreibung der Dienstleistung in einem barrierefreien Format;
  2. Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der Durchführung der Dienstleistung erforderlich sind;
  3. eine Beschreibung, wie die Dienstleistung die einschlägigen in der nach § 3 Absatz 2 zu erlassenden Rechtsverordnung aufgeführten Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt;
  4. die Angabe der zuständigen Marktüberwachungsbehörde;
  5. die Verbraucherinformation nach Art. 246 EGBGB.

Konsequenzen bei Verstößen

Die Umsetzung der Barrierefreiheit wird von der Marktüberwachungsstelle der Länder für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen (MLBF) mit Sitz in Magdeburg überwacht. Diese befindet sich derzeit noch in formaler Errichtung und ist aktuell unter folgenden Kontaktdaten erreichbar:

MLBF (in Errichtung) c/o Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Sachsen-Anhalt, Postfach 39 11 55, 39135 Magdeburg, Telefon: 0391 567 6970, E-Mail: MLBF(at)ms.sachsen-anhalt.de.

Wenn Dienstleistungen die Barrierefreiheitsanforderungen nicht erfüllen, erfolgen nach der gesetzlichen Regelung zunächst bis zu zweimal Aufforderungen zur Ergreifung von Korrekturmaßnahmen. Werden auch nach der zweiten Aufforderung keine entsprechenden Maßnahmen getroffen, wird die Dienstleistungserbringung untersagt. Die Untersagung gilt dann bis zum Nachweis der Konformität.

Zudem sind bestimmte Verstöße als Ordnungswidrigkeiten ausgestaltet, sodass ein Bußgeld bis zu EUR 100.000,00 drohen kann.

Schlussfolgerung

Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass wenn eine medizinische Einrichtung unter den Anwendungsbereich des BFSG fällt und auch sonst keine Ausnahme zur Erfüllung der Barrierefreiheitsanforderungen greift, aus derzeitiger juristischer Sicht des Verfassers die Website barrierefrei gestaltet sein muss. Nach derzeitiger juristischer Einschätzung des Verfassers sind die Übergangsfristen des § 38 BFSG nicht auf Webseiten anwendbar, sodass diese seit 29.06.2025 barrierefrei sein müssen, weshalb eine zeitnahe Umsetzung dringend anzuraten ist. Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Übergangsbestimmungen gibt es vereinzelt, z. B. von der Ärztekammer Niedersachsen, aber auch andere Meinungen, die eine Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen betreffend die Website erst bis 27.06.2030 sehen. Nachdem es bislang noch keine Judikatur zu den Regelungen des BFSG bzw. dessen konkreter Umsetzung gibt, sind die vorstehenden Ausführungen abschließend nicht gesichert und es bleibt abzuwarten, wie sich ggf. die Rechtsprechung zukünftig zu einzelnen Fragen positionieren wird.

Heberer J: Barrierefreie Webseite. Passion Chirurgie. 2025 Oktober; 15(10): Artikel 04_04.

Autor:in des Artikels

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Dr. jur. Jörg Heberer

Justitiar des BDC, Rechtsanwalt und Fachanwalt für MedizinrechtRechtsanwaltskanzlei Dr. Heberer & Kollegen

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