01.09.2025 Politik
Anpassung der D-Arzt-Bedingungen – Wie bleibt die D-Arzt-Tätigkeit attraktiv?

Der BDC engagiert sich im Schulterschluss mit dem BDD, dem BVOU, dem BNC und den wissenschaftlichen Fachgesellschaften intensiv dafür, die Arbeitsbedingungen der Durchgangsärztinnen und -ärzte stetig zu verbessern. Die Gremien der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sind dazu immer gesprächsbereit, denn unser gemeinsames Interesse ist es, diesen Kernbereich der Tätigkeit von Orthopäd:innen und Unfallchirurg:innen attraktiv zu gestalten und dem Rückgang der D-Arzt-Zahlen (Abb. 1) entgegenzuwirken.
Nahezu 1.600 und damit fast 10 % der Mitglieder des BDC sind durchgangsärztlich tätig. Der BDC hat die Geschäftsführung in der gemeinsamen BG-Kommission der orthopädisch-unfallchirurgischen Berufsverbände und ist in der ständigen Gebührenkommission zwischen der KBV und der DGUV personell vertreten. Durch Aktivitäten bei verschiedenen BG-Tagungen und Zeitschriften-Artikel wie diesen können die Wünsche und Vorstellungen der tätigen D-Ärztinnen und -Ärzte gesammelt und als Forderungen an die DGUV übermittelt werden.
Anpassung der D-Arzt-Bedingungen ab 01.01.2024
Nicht zuletzt durch diese Aktivitäten konnten zum 01. Januar 2024 zahlreiche Erleichterungen und Verbesserungen für die Zulassungsbedingungen und für die praktische Tätigkeit von Durchgangsärzten in Praxen und Kliniken erreicht werden, die in der Passion Chirurgie 09/2023 und 01/02/2024 ausführlich dargestellt wurden. Aktuell wurden weitere Regelungen von der DGUV angepasst:
Beteiligung von Kindertraumatologinnen und Kindertraumatologen am Durchgangsarztverfahren
(DAV-Kind), Anpassung zum 01.07.2025
Für den Bereich der Kindertraumatologie wurden die organisatorischen und strukturellen Anforderungen an das zum Anfang 2024 reformierte D-Arzt-Verfahren angepasst. Nach wie vor stellt dies kein gesondertes kindertraumatologisches D-Arzt-Verfahren dar. Vielmehr soll es traumatologisch erfahrenen Kinder- und Jugendchirurgen ermöglicht werden, am D-Arzt-Verfahren teilzunehmen, auch wenn sie nicht die individuellen Voraussetzungen (FA O und U, ZWB spezielle Unfallchirurgie) erfüllen. Dies ist aus Versorgungsgesichtspunkten zu begrüßen.
Nach wie vor ist zusätzlich zum Facharztstatus für Kinder- und Jugendchirurgie nach der Facharztanerkennung eine mindestens 24-monatige vollschichtige Tätigkeit in der Kindertraumatologie nachzuweisen. Dies entweder in einer unfallchirurgischen Abteilung, in der auch Kinder behandelt werden, oder in einer kinderchirurgischen Abteilung bzw. Klinik mit traumatologischem Aufgabenschwerpunkt, die zum VAV- oder SAV-Verfahren zugelassen ist. Neu ist die Regelung, dass auf diese Zeit bis zu 12 Monate kindertraumatologische Tätigkeit bei einem Durchgangsarzt/-ärztin angerechnet werden können, wobei nicht zwischen D-Arzt/-Ärztin am Krankenhaus und in einer Praxis differenziert wird. Auch Teilzeittätigkeiten (mindestens zu 25 %) können angerechnet werden, die Zeiten verlängern sich dann entsprechend.
Neu ist auch die Relativierung der Altersgrenze für die betroffenen Kinder und Jugendlichen bis zur Beendigung des 15. Lebensjahrs.
Abb. 1: Seit Jahren rückläufige D-Arzt-Zahlen in Krankenhäusern und Praxen (2008 bis 2023). Daten aus 2024 liegen noch nicht vor. Der Gipfel in den Jahren 2015 bis 2017 in den Praxen ist durch die Umwandlung von H-Arzt-in D-Arzt-Praxen zu erklären.
Anforderungen der DGUV an Krankenhäuser zur Beteiligung am Verletzungsartenverfahren (VAV), Anpassung ab dem 01.07.2025
Auch die Bedingungen zur Zulassung als VAV-Krankenhaus wurden gegenüber dem Stand von 2013 überarbeitet und gelten ab dem 01.07.2025 (Tab. 1). Dabei wurden folgende Erleichterungen vorgenommen: Der/Die verantwortliche Arzt/Ärztin hat nunmehr nach dem Erwerb der Zusatzbezeichnung „Spezielle Unfallchirurgie“ statt drei Jahren nur zwei Jahre Tätigkeit bei einem D-Arzt/-Ärztin in einer VAV- oder SAV-Klinik nachzuweisen. Der/Die verantwortliche Arzt/Ärztin muss die Weiterbildungsermächtigung in der speziellen Unfallchirurgie nach alter Weiterbildungsordnung (WBO) 24 Monate besitzen und nach neuer WBO in der Regel nur noch 18 Monate.
Eine wesentliche Änderung gab es auch bei den hygienischen Voraussetzungen. Die strenge räumliche Trennung des septischen vom aseptischen OP-Bereich gilt zukünftig nur noch für SAV-Kliniken. Im VAV-Bereich sind, wie auch bei den DAV-Krankenhäusern, die Empfehlungen der KRINKO lediglich in Bezug auf die organisatorische Trennung der Bereiche einzuhalten.
Zwei im ursprünglichen Entwurf enthaltene Verschärfungen konnten auf Intervention des BDC verhindert bzw. abgemildert werden: Die Vorhaltung eines 3-D-Bildwandlers ist erst nach einer Übergangsfrist bis zum 30.6.2030 nachzuweisen. Diese Übergangsfrist findet sich nicht in den veröffentlichten Bedingungen, wurde aber von der DGUV dem BDC schriftlich zugesagt. Die meisten VAV-Krankenhäuser dürften ohnehin über diese technische Einrichtung verfügen, alle anderen haben jetzt genügend Zeit, das Gerät anzuschaffen und die Fachkunde zum Betrieb zu erwerben.
Die bedarfsweise Zuziehung eines Radiologen wird wie bisher ohne konkrete Frist gefordert und kann nunmehr auch teleradiologisch erfolgen. Die im ursprünglichen Entwurf geforderte 30 Minuten-Anwesenheits-Frist für einen Radiologen wäre in peripher gelegenen VAV-Kliniken nicht umsetzbar gewesen.
D-Arzt-Verfahren Handchirurgie in der Diskussion
Bisher existiert kein eigenständiges D-Arzt Verfahren für Handchirurgen. Die Beteiligung der Handchirurg:innen wurde bisher durch die Hilfskonstruktion der Befreiung von der Vorstellungspflicht beim D-Arzt gelöst. Nunmehr wird seitens der DGUV diskutiert, qualifizierte Handchirurg:innen vollständig am D-Arzt-Verfahren zu beteiligen, dies unter Verwendung aller d-ärztlichen Formulare und Einbindung in das DALE-UV. Laut DGUV-Statistik sind 31,8 % aller meldepflichtigen Arbeitsunfälle Handverletzungen, bei Einbezug von Handwurzel, Handgelenk und Unterarm sogar knapp 40 %. Insofern erscheint diese Überlegung sinnvoll, solange dieses Verfahren komplementär zum unfallchirurgischen D-Arzt-Verfahren implementiert wird und für komplexe Handgelenk- und Unterarmfrakturen keine Vorstellungspflicht beim Handchirurgen resultiert. Bei der distalen Radiusfraktur als häufigem Volumeneingriff in allen Krankenhäusern ist eine sachgerechte Zuordnung oder Aufteilung erforderlich, was allerdings auch für alle anderen Unfälle gilt.
Verbesserung der rechtlichen Stellung der Durchgangsärzte in Krankenhäusern und Praxen
Über die Notwendigkeit, den individuellen Umfang der Berufshaftpflichtversicherung zur Vermeidung von existenzgefährdenden Regress-Forderungen einzelner UV-Träger gegenüber Durchgangsärzten zu prüfen, hatten wir bereits in der Passion Chirurgie 05/2024 berichtet. Zu dieser Problematik wird aktuell ein Rechtsgutachten erstellt, welches zusätzliche Lösungswege aufzeigen soll. Darüber hinaus gibt es Überlegungen, wie das organisatorische Durchgriffsrecht des Durchgangsarztes rechtlich gestärkt werden kann.
Unabhängig davon wäre es wünschenswert, dass zukünftig in den Anstellungsverträgen für leitende Ärztinnen und Ärzte wieder regelmäßig eine leistungsabhängige finanzielle Beteiligung für die durchgangsärztliche Tätigkeit vereinbart wird. Dies würde das Engagement der leitenden Ärztinnen und Ärzte über die medizinischen Aspekte hinaus fördern und auch das Interesse an tiefgreifenden Verbesserungen der Gebührenordnung UV-GOÄ (Tab. 2) aus dem Kreis der stationär tätigen D-Ärzte vermehren.
Tab. 1: Neuerungen im Verletzungsarten(VAV-)Verfahren an 01.07.2025
Regelung |
Bisher |
Neu ab 01.07.2025 |
Verantwortlicher Arzt/Ärztin im Nachzuweisende Tätigkeit nach Erwerb der Zusatzbezeichnung „Spezielle Unfallchirurgie“ |
3 Jahre bei D-Arzt/Ärztin in VAV- oder |
2 Jahre bei D-Arzt/Ärztin in VAV- oder |
Verantwortlicher Arzt/Ärztin im VAV/Durchgangsarzt: Weiterbildungsermächtigung „Spezielle Unfallchirurgie“ |
Mindestens 24 Monate nach WBO alt |
Sollregelung: in der Regel 18 Monate nach WBO neu |
OP-Abteilung |
Eine Abtrennbarkeit aseptisch/septisch ist zu gewährleisten. |
Es gelten die Empfehlungen der KRINKO (wie im stat. DAV). Nur im SAV ist eine Abtrennbarkeit aseptisch/septisch zu gewährleisten. |
Tab. 2: Neue Leistungen und Anpassungen in der UV-GOÄ zum 01.07.2025. Darüber hinaus erfolgt eine lineare Anhebung der Gebühren um 4,41 %.
Nr. UV-GOÄ |
Leistungslegende |
Bewertung |
Kommentar |
17b |
Fortschreibung des Reha- und Teilhabeplans nach Nr. 17 UV-GOÄ. Die Mitwirkung bedarf eines Auftrags durch den UV-Träger. |
67,90 € |
Nur bei besonderer Heilbehandlung und bei Auftrag durch den UV-Träger. Lange geforderte Kompensation für den Aufwand bei Änderungen oder Anpassungen eines Reha-Plans. |
3318 |
Abnahme orthopädischer Schuhe |
37,18 € |
Bei allgemeiner und besonderer Heilbehandlung gleich bewertet. |
3319 |
Abnahme Prothesen |
37,18 € |
Bei allgemeiner und besonderer Heilbehandlung gleich bewertet. |
6000 ff. |
Diverse Leistungen der Schmerztherapie |
Anhebung Honorare |
Die Anpassung holt die Erhöhungen der Gebühren in den letzten Jahren nach. |
Grundlegende Überarbeitung der Gebührenordnung (UV-GOÄ)
In den letzten Jahren wurden in der ständigen Gebührenkommission zwischen der KBV und der DGUV neben den Anhebungen der Honorare um die Steigerung der Grundlohnsumme viele Detail-Verbesserungen vorgenommen, über die wir fortlaufend berichtet haben. Details zu den aktuellen Änderungen ab 01.07.2025 finden Sie in der Tabelle 2.
Darüber hinaus stehen grundlegende Verbesserungen der Struktur der UV-GOÄ auf der Agenda, wobei die Überarbeitung der Grundleistungen für Untersuchungen und Beratungen sowie die Schaffung eines gesonderten Abschnitts für die arthroskopischen Leistungen weit fortgeschritten sind. Weitere Themen sind die ambulanten Operationen und die Leistungen der Wundversorgungen und Verbände. Zwischen den Vertragspartnern KBV und DGUV gibt es einen grundsätzlichen Konsens, dass die UV-GOÄ als eigenständige Gebührenordnung mit einer Einzelleistungsvergütung auf Dauer erhalten und – angepasst an die spezifischen Bedingungen des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens – weiterentwickelt werden soll.
Alle geschilderten Maßnahmen sollen die durchgangsärztliche Tätigkeit attraktiver machen. Der BDC beteiligt sich konstruktiv an diesem Prozess und nimmt gerne weitere Anregungen vonseiten der Mitglieder an. Melden Sie sich unter mail@bdc.de!
Kalbe P: Anpassung der D-Arzt-Bedingungen – Wie bleibt die D-Arzt-Tätigkeit attraktiv? Passion Chirurgie. 2025 September; 15(09/III): Artikel 03_03.
Autor:in des Artikels
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