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Übersicht

Anorektale Abszesse und anorektale Fisteln beruhen in ca. 90 % der Fälle auf Entzündungen der Proktodealdrüsen. Der Altersgipfel liegt zwischen 20 und 50 Jahren, dabei sind Männer häufiger betroffen als Frauen. Andere infektiologische, traumatische oder maligne Erkrankungen sind deutlich seltenere Ursachen. Zu betonen ist, dass anorektale Fisteln bei Morbus Crohn eine eigenständige Pathogenese haben und ihre Therapie nicht alleine chirurgisch, sondern stets interdisziplinär zu führen ist.

Die Einteilung anorektaler Fisteln erfolgt entsprechend ihrem Verlauf und Bezug zum analen Sphinkter. Je nach betroffenem Sphinkteranteil, Anzahl der Fistelgänge, entzündlicher Aktivität und sekundären Veränderungen wird weiter zwischen einfachen und komplexen anorektalen Fisteln unterschieden [1].

Diagnostik

Zur Diagnostik anorektaler Fisteln steht an erster Stelle die klinische Untersuchung in Steinschnittlage. Die äußere Fistelöffnung ist meist leicht zu sehen, der Fistelgang und die innere Fistelöffnung sind als Induration zu tasten. Der Fistelgang kann mit einer Sonde vorsichtig sondiert werden.

Das primäre bildgebende Verfahren bei anorektalen Beschwerden ist die anale Endosonographie. Anorektale Fisteln und ihre inneren Fistelöffnungen können endosonographisch sehr gut dargestellt werden. Die Magnetresonanztomographie bildet komplexe anorektale Fisteln mit hoher Spezifität ab. Ihre Sensitivität ist der Endosonographie aber nicht überlegen. Daher wird die MRT vor allem zur Darstellung komplexer Fistelsysteme bei anorektalem Morbus Crohn sowie bei chronisch-rezidivierenden Fisteln und Abszessen als ergänzende Diagnostik eingesetzt [1].

Therapie

Um einen anorekatale Fistel zur Abheilung zu bringen, ist eine Operation erforderlich. Eine spontane, dauerhafte Heilung ist nicht zu erwarten. Das oberste Ziel einer Operation ist der Fistelverschluss, ohne die Funktion des Sphinkters und damit die Kontinenz zu beeinträchtigen.

Im Folgenden bieten wir eine Zusammenfassung der Standardverfahren und minimalinvasiven Techniken mit einem Update ihrer Ergebnisse. Eine ausführliche Bewertung der operativen Verfahren ist in der deutschen S3-Leitlinie zur kryptoglandulären Analfistel zu finden [1].

Standard-Operationsverfahren

Fadendrainage

In der akuten Entzündung, meist im Rahmen einer Abszessexzision als akute Maßnahme, wird die transsphinktäre anorektale Fistel mit locker geknüpfter Fadendrainage versorgt. Sie dient der Konditionierung der Fistel, um im Verlauf die definitive chirurgische Versorgung zu ermöglichen.

Fistelspaltung

Subanodermale, submukosale, subkutane, distal intersphinktäre und eindeutig distal transsphinktäre Fisteln, die nur einen kleinen Teil der Sphinktermuskulatur erfassen, können vollständig ohne Beeinträchtigung der Kontinenz gespalten (Fistulotomie) werden und das Fistelepithel vollständig entfernt (Fistulektomie) werden. Die Wunde kommt sekundär zur vollständigen Heilung.

Plastischer Fistelverschluss (Flap-Technik)

Fisteln, die einen wesentlichen Anteil des Sphinkters umschließen (proximal transsphinktär, suprasphinktär und extrasphinktär), werden exstirpiert, ohne den Sphinkter zu durchtrennen. Der transsphinktäre Fisteldurchtritt wird mit durchgreifender Muskelnaht verschlossen. Die innere Öffnung wird plastisch mit einem Mukosa-Verschiebelappen (Flap) oder Rektumvollwand-Verschiebelappen (Advancement-Flap) gedeckt. Der plastische Fistelverschluss erzielt Heilungsraten von 70–90 %, allerdings werden auch Kontinenzstörungen in bis zu 20 % der Fälle angegeben [2].

Fistulektomie mit primärer Sphinkterrekonstruktion

Ist ein begrenzter Anteil des Sphinkters (≤ 60 %) von der Fistel umschlossen, kann die Fistel gespalten und eine sofortige Rekonstruktion des durchtrennten Sphinkteranteils erfolgen. Bei entsprechender Expertise werden durch diese Operation Heilungsraten von 80–95 % erreicht [3].

Minimalinvasive Operationsverfahren

LIFT-Verfahren (Ligation of the Intersphincteric Fistula-Trakt)

Beim LIFT-Verfahren wird der Fistelgang im intersphinktären Raum dargestellt, ligiert und durchtrennt. Optional erfolgt eine weitere Übernähung. Eine Metaanalyse ergab eine Erfolgsrate von 76 % [4]. Abwandlungen erfährt das LIFT-Verfahren durch Kombination mit biologischen Netzen und Fibrinklebern. Die bisherigen kleinen Fallserien liefern jedoch keine belastbaren Daten.

Fistelclip (OTSC-Proctology)

Das OTSC-Proctology-System besteht aus einem Clip-Applikator und einem superelastischen, biokompatiblen Nitinol-Clip. Nach Exzision des Fistelgangs wird der Nitinol-Clip gezielt auf die innere Fistelöffnung platziert. Die Präparation eines Flaps zur Deckung entfällt.

Retrospektive Studien kleiner Patientenkollektive konnten Heilungsraten von bis zu 79 % bei kryptoglandulären Fisteln zeigen. Rektovaginale Fisteln und Fisteln bei Morbus Crohn scheinen hingegen deutlich schlechter geeignet [5].

Video-Assisted-Anal-Fistula-Treatment – VAAFT

Das video-assisted-anal-fistula-treatment (VAAFT) ist ein minimalinvasives, sphinkterschonendes Verfahren. Mithilfe eines starren Fistuloskops wird das Fistelsystem unter direkter Sicht inspiziert, das Fistelepithel elektrokaustisch zerstört und debridiert. Die innere Fistelöffnung wird mit Z-Nähten umstochen und mit einem Klammernahtgerät reseziert. Alternativ wird das innere Fistelostium mit Mukosa-Flap verschlossen [6]. Eine Metaanalyse für die VAAFT ergab Fistelheilungen von 76 % (52,5–92,5 %) [7]. Zwei aktuelle Fallserien bestätigen eine hohe Erfolgsrate der VAAFT bei kryptoglandulären Fisteln.

Laser-Therapie (Fistula-tract Laser Closure – FiLaC®)

Die Anwendung eines Lasers ist eine relativ neue Technik zur sphinkterschonenden Fisteltherapie. Mit Hilfe eines Dioden-Lasers wird das Fistelepithel zerstört und durch gleichzeitige Schrumpfung des Gewebes ein Verschluss des Fistelgangs erzielt. Vor der Anwendung des Dioden-Lasers wird eine Konditionierung der Fistel über Fadendrainage und eine Kürettage und Spülung des Fisteltrakts durchgeführt. Die innere Fistelöffnung muss durch Naht oder einen plastischen Verschluss verschlossen werden. Erste Fallserien ergaben Heilungsraten von 64–82 % über einen Zeitraum von 7 bis 25 Monaten. Eine andere Studie konnte jedoch eine Heilungsrate von nur 22 % erzielen [8, 9]. Patientenselektion und technische Ausführung sind sicherlich entscheidend für das Endergebnis. Weitere klinische Studien sind hierzu notwendig.

Fistelplug

Der Fistelplug aus Kollagen der Submukosa von Schweinedünndarm soll die rasche Integration körpereigener Fibroblasten und eine beschleunigte Fistelheilung ermöglichen. Initiale klinische Studien versprachen Heilungsraten von 85 % und mehr. Randomisierte Folgestudien ergaben signifikant schlechtere Ergebnisse im Vergleich zum plastischen Fistelverschluss (20 % vs. 87 %) [2]. Ein synthetischer Plug aus resorbierbarer Polyglykolsäure verschwand wegen schlechter Therapieergebnisse vom Markt. Insgesamt wird der Fistelplug kaum noch angewendet, aber immer wieder gerne aufs Neue erprobt.

Fibrinkleber

Über Jahrzehnte in Erprobung, aber nie in breiter Anwendung finden sich Fibrinkleber zum Verschluss anorektaler Fisteln. Unterschiedliche Kompositionen und Applikationsarten wurden in kleineren Fallzahlen erprobt. Die Heilungsraten unterliegen einer erheblichen Schwankungsbreite von unter 20 % bis hin zu 90 % [1]. Auch aktuelle Studien können keine solideren Daten erzielen.

Stammzelltherapie anorektaler Fisteln bei Morbus Crohn

Eine Sondersituation nehmen anorektale Fisteln bei Morbus Crohn ein. Die chirurgisch-technischen Prinzipien unterscheiden sich nicht vom Vorgehen bei kryptoglandulären Fisteln. Die adäquate medikamentöse Therapie und eine Remission der entzündlichen Aktivität des Morbus Crohn sind aber Voraussetzung, um eine Heilung der anorektalen Fisteln durch eine Operation herbeiführen zu können.

Als neuer Therapieansatz für die Crohn-assoziierten anorektalen Fisteln ist die Anwendung allogener Stammzellen zugelassen. Die allogenen Stammzellen werden in den Fisteltrakt injiziert und die innere Fistelöffnung durch Naht verschlossen. In der Zulassungsstudie konnte nach einem Jahr eine Fistelheilung von 56,3 % in der Stammzellengruppe gegenüber 38,6 % in der Placebogruppe erzielt werden [10]. Der Einsatz allogener Stammzellen unterliegt strikten Selektionskriterien und wird nur in einzelnen Zentren angeboten.

Fazit

Der Anspruch minimalinvasiver Operationsverfahren ist es, bei reduziertem chirurgischem Trauma vergleichbare oder bessere Heilungsraten zu erzielen. Im Fall anorektaler Fisteln bedeutet dies insbesondere die Schonung des Sphinkters. In dieser Hinsicht sind aktuell das LIFT-Verfahren, das VAAFT und die Lasertherapie als innovative Weiterentwicklung der chirurgischen Therapie anorektaler Fisteln zu nennen. Diese Verfahren versprechen hohe Heilungsraten. Ihre bisherigen Ergebnisse beruhen jedoch zumeist auf limitierten Fallzahlen. Direkt vergleichende Studien fehlen. Ihr Stellenwert gegenüber den Standardverfahren ist daher in umfassenderen prospektiven Studien weiterhin zu klären. Große Hoffnung wird in die Stammzelltherapie anorektaler Fisteln bei Morbus Crohn gesetzt. Auch hier stehen Langzeitergebnisse zur weiteren Bewertung aus.

Literatur

[1]   Ommer, A, Herold, A, Berg, A, Farke, S, Fürst, A, Hetzer, F, Köhler, A, Post, S, Ruppert, R, Sailer, M, Schiedeck, T, Schwandner, O, Strittmatter, B, Lenhard, BH, Bader, W, Krege, S, Krammer, H and Stange, E. S3-Leitlinie: Kryptoglanduläre Analfisteln. Coloproctology 2017;39:16–66.

[2]   Ortiz, H, Marzo, J, Ciga, MA, Oteiza, F, Armendáriz, P and de Miguel, M. Randomized clinical trial of anal fistula plug versus endorectal advancement flap for the treatment of high cryptoglandular fistula in ano. Br J Surg 2009;96:608–12.

[3]   Seyfried, S, Bussen, D, Joos, A, Galata, C, Weiss, C and Herold, A. Fistulectomy with primary sphincter reconstruction. Int J Colorectal Dis 2018;33:911–918.

[4]   Emile, SH, Khan, SM, Adejumo, A and Koroye, O. Ligation of intersphincteric fistula tract (LIFT) in treatment of anal fistula: An updated systematic review, meta-analysis, and meta-regression of the predictors of failure. Surgery 2020;167:484–492.

[5]   Prosst, RL and Joos, AK. Short-term outcomes of a novel endoscopic clipping device for closure of the internal opening in 100 anorectal fistulas. Tech Coloproctol 2016;20:753–758.

[6]   Meinero, P and Mori, L. Video-assisted anal fistula treatment (VAAFT): a novel sphincter-saving procedure for treating complex anal fistulas. Tech Coloproctol 2011;15:417–22.

[7]   Garg, P and Singh, P. Video-Assisted Anal Fistula Treatment (VAAFT) in Cryptoglandular fistula-in-ano: A systematic review and proportional meta-analysis. Int J Surg 2017;46:85–91.

[8]   Brabender, DE, Moran, KL, Brady, M, Carmichael, JC, Mills, S, Pigazzi, A, Stamos, MJ and Jafari, MD. Assessing the effectiveness of laser fistulectomy for anal fistula: a retrospective cohort study. Tech Coloproctol 2020;24:1071–1075.

[9]   Wilhelm, A, Fiebig, A and Krawczak, M. Five years of experience with the FiLaC™ laser for fistula-in-ano management: long-term follow-up from a single institution. Tech Coloproctol 2017;21:269–276.

[10] Panés, J, García-Olmo, D, Van Assche, G, Colombel, JF, Reinisch, W, Baumgart, DC, Dignass, A, Nachury, M, Ferrante, M, Kazemi-Shirazi, L, Grimaud, JC, de la Portilla, F, Goldin, E, Richard, MP, Diez, MC, Tagarro, I, Leselbaum, A and Danese, S. Long-term Efficacy and Safety of Stem Cell Therapy (Cx601) for Complex Perianal Fistulas in Patients With Crohn’s Disease. Gastroenterology 2018;154:1334–1342.e4.

Manegold P, Herold A: Anorektale Fisteln – Update. Passion Chirurgie. 2021 Juli/August; 11(07/08): Artikel 03_01. 

Autoren des Artikels

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Dr. med. Philipp Manegold

Deutsches End- und DickdarmzentrumBismarckplatz 168167Mannheim kontaktieren
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Prof. Dr. med. Alexander Herold

Deutsches End- und Dickdarmzentrum MannheimBismarckplatz 168167Mannheim
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