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Nach dem ersten Jahr Elternzeit zuhause wollte ich gerne 75 % arbeiten. Diesen Teilzeitanteil wählte ich, da ich hierdurch genug in der Klinik anwesend bin, um in den OP zu kommen, nicht völlig im Team außen vor bleibe und das Erreichen des Facharztes immer noch in greifbarer Nähe ist.

Wobei „Teilzeit” ja eine Frage der Perspektive ist, denn ich arbeite mit meinen 75 % eigentlich Vollzeit. Dienstbedingt arbeite ich im Durchschnitt ca. 40 Stunden pro Woche und manchmal deutlich mehr. Aber das ist natürlich ein intrinsisches Problem unserer Berufsgruppe.

Es brauchte im Vorfeld einige Monate Verwaltungsaufwand, bis ich meinen Vertrag auf Teilzeit erhalten habe. Wie die 75 % umgesetzt werden, musste dann noch individuell besprochen werden.

Was ich als sehr positiv empfinde, ist meine tägliche verkürzte Arbeitszeit von 6,5 Stunden bis 13.45 Uhr. Dadurch bin ich jeden Tag da und mein Einsatz ist sehr gut planbar. Teilweise bin ich für die Station die Hauptansprechpartnerin, weil ich durch etwas weniger Dienste mehr anwesend bin. Das ist für die Kontinuität der Abläufe sehr hilfreich und macht die Arbeit oft angenehmer, weil strukturierter.

Gleichzeitig ermöglicht es mir, meinen Sohn um 14.30 Uhr aus der Kita abzuholen und den Nachmittag mit ihm zu verbringen.

Wir finden es wichtig, dass unser Sohn in etwa genau so viel Tageszeit mit einem von uns verbringt, wie in der Kita. Wir möchten nicht, dass seine Hauptbezugspersonen vor allem seine Erzieherinnen sind.

Ich bin meinen Oberärzten dankbar, dass immer versucht wird, mich eher in die frühen OPs einzuteilen. Und es erfolgen in der Regel Absprachen bei OPs, die potenziell über meine Arbeitszeit hinausgehen könnten (auch durch Verzögerungen im Ablauf, längere OP-Dauer vorheriger OPs als ursprünglich geplant), sodass ggf. ein Kollege einspringt/mich auslöst oder von vornherein umgeplant wird. Dies mag an einem kleineren Haus wie meinem einfacher gehen, andererseits bringen größere Teams ja auch eine größere personelle Flexibilität.

Eine besondere Herausforderung war die Einbindung in die Dienste. Ich arbeite in der Allgemein- und Viszeralchirurgie, die Dienste teilen wir uns mit den Unfallchirurgen.

Da mein Mann im wöchentlich wechselnden Schichtdienst arbeitet, ist ein Nachtdienst unter der Woche für uns sehr schwer zu organisieren. In den Frühdienstwochen meines Mannes geht er um 05.15 Uhr aus dem Haus und ich komme frühestens um 08.30 Uhr zurück. Um diese Uhrzeit findet sich äußerst schlecht ein Babysitter. Der Kompromiss ist, dass ich Dienste unter der Woche nur in Spätdienstwochen meines Mannes ableiste, dann kommt abends unsere Babysitterin, bis mein Mann um 23.00 Uhr nach Hause kommt. Lange Tagdienste (bis 20.00 Uhr) mache ich in der Regel nur in Frühdienstwochen, sodass mein Mann dann den Nachmittag mit unserem Sohn verbringen kann.

Auch meine Wochenendwünsche werden meist berücksichtigt und ich arbeite hauptsächlich an Sonntagen, da mein Mann auch an Samstagen arbeiten muss. Wenn es doch mal Kollisionen gibt, springen meine Eltern ein, die allerdings beide selbst voll berufstätig sind und 100 km entfernt wohnen.

An den Tagen, an denen wir beide früh arbeiten müssen, kommt zum Glück meine Freundin morgens, frühstückt mit unserem Sohn und bringt ihn dann in die Kita, bevor sie selbst zur Arbeit fährt, da unsere Kita leider erst um 7.00 Uhr öffnet.

Problematisch ist sicherlich, wenn Kollegen das Gefühl haben, mehr arbeiten zu müssen, weil ich weniger arbeite. Im Endeffekt ist es so, dass jeder meiner Kollegen alle acht Monate einen Dienst mehr machen muss, wenn ich pro Monat einen weniger mache (oder dementsprechend alle vier Monate einen Dienst bei zwei weniger). Und ich mache zwar zahlenmäßig etwas weniger Dienste, aber nicht streng nur 75 %.

Im normalen Tagesablauf versuche ich, den Großteil der To-Do-Liste zu erledigen, bis ich gehe, damit nicht das Gefühl aufkommt, dass ich die anderen mit der ganzen Arbeit zurücklasse. Wenn dann doch Arbeit über den Feierabend hinaus anfällt, müssen dies natürlich immer die Vollzeitkollegen „abfangen”. In meinem Team wird aber sehr fair damit umgegangen und die Kollegen unterstützen, dass ich meistens pünktlich gehen kann.

Häufig begegnet einem beim Thema Teilzeit etwas, das ich mal „Geschwistermentalität“ nennen möchte: Eine „das war bei uns nicht so, warum sollen die Nachfolgenden es jetzt einfacher haben”-Haltung, die ich als ältere Schwester zwar menschlich gut nachvollziehen kann, die aber gerade im Wandel unserer (Arbeits-)Gesellschaft nicht mehr zeitgemäß erscheint.

Man hört auch hin und wieder typische Sprüche zur Teilzeitarbeit bei Ärztinnen

      • „Man muss sich eben entscheiden”- habe ich! Ich möchte Chirurgin werden und trotzdem Mutter sein!
      • „Man muss auch mal was durchziehen”- genau das versuche ich!
      • „Hobby-Chirurgin”. Erstens ist ein Hobby ja etwas, das man gerne macht und zweitens kann man in der Zeit, in der man arbeitet, sehr effizient sein, dafür ist keine „Open End”-Anwesenheit notwendig.

Für mich ist das Fazit:

Vieles von dem, was letztendlich umsetzbar ist, erscheint erst unmöglich, weil es so noch nicht gemacht wurde. Aber wenn man es ausprobiert und mit einer offenen, lösungsorientierten Grundhaltung und etwas Flexibilität daran geht, ist doch fast alles möglich.

Tiegelkamp A. Als Assistenzärztin in der Chirurgie in Teilzeit arbeiten… Passion Chirurgie. 2015 März, 5(03): Artikel 02_01.

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Aline Tiegelkamp

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