01.05.2013 Orthopädie/Unfallchirurgie
Ärztliche Qualifikation in einer zentralen Notaufnahme

Vorstellungen des interdisziplinären Arbeitskreis der DIVI Fachgesellschaften
Die Einrichtung zentraler Notaufnahmen ist vor drei Jahrzehnten erstmalig beim Neubau von Großkliniken verwirklicht worden. Ausgangspunkt waren damals medizinische Überlegungen für Notfallpatienten so rasch wie möglich eine gezielte und fachspezifisch angemessene Behandlung gewährleisten zu können. Unter medizinischen und zunehmend auch unter wirtschaftlichen Aspekten [1, 2] scheint sich das Modell einer zentralen und interdisziplinären Notaufnahme unter bestimmten Voraussetzungen zu bewähren, wobei Daten zur Effizienz bezogen auf die Versorgungsstrukturen in Deutschland bislang über „Fallberichte“ hinausgehend nicht verfügbar sind [11].
Unter dem zunehmenden wirtschaftlichen Druck innerhalb des Gesundheitssystems einerseits und Änderungen bei der Verfügbarkeit ärztlicher Mitarbeiter andererseits, scheint es heute mehr als je zuvor erforderlich zu sein, medizinisch interdisziplinär genutzte Bereiche, dort wo es baulich und prozessual möglich ist, zu zentralisieren, d. h. gemeinsam zu nutzen [7]. Dies gilt auch für Notaufnahmen, die in Kliniken älterer Struktur noch für jedes Fachgebiet getrennt vorgehalten werden. Zentrale interdisziplinäre Notaufnahmen müssen vor allem die Fachkompetenz für die häufigsten und die relevanten medizinischen Bereiche tatsächlich an 365 Tagen und rund um die Uhr akut verfügbar vorhalten.
Von Seiten der Fachgebiete, die wesentlich an der Versorgung von Notfallpatienten beteiligt sind, wird dem Streben nach einem eigenen Facharztes für die zentrale Notaufnahme – z. B. Facharzt für innerklinische Notfallmedizin – auf verschiedenen Ebenen entgegengehalten, dass eine rasche und qualifizierte Notfallversorgung von Patienten primär fachbezogen und nach jeweiligem Facharztstandard erfolgen muss. Des weiteren ist die Weiterbildung in diesem Sektor fester Bestandteil einer jeden Facharztweiterbildung (4).
Häufig wird von den Befürwortern eines neuen Facharztes vor allem in der öffentlichen Diskussion auf die schlechte Qualität der Notfallversorgung und insbesondere ungeordnete Prozessabläufe – wie z. B. lange Wartezeiten – hingewiesen [5]. Beide Argumente scheinen eher Ausdruck sowohl eines organisatorischen Defizits als auch eines Mangels an ausreichend vorgehaltenen personellen Ressourcen zu sein. Diese Defizite zu erkennen und im Sinne eines Qualitäts- und Risikomanagements zu beheben muss entschieden vor Ort angegangen werden.
Bei verschiedenen Krankheitsbildern konnte mehrfach nachgewiesen werden, dass die adäquate und fachbezogene initiale Behandlung das patientenbezogene Behandlungsergebnis signifikant positiv beeinflusst [3, 6, 8, 9, 10, 13]. Dies gilt für den Herzinfarkt und den Schlaganfall, ebenso wie für die akute intracerebrale oder intraabdominelle Blutung oder die Mehrfachverletzung eines Unfallopfers. Zeitliche Verzögerungen im Rahmen der Notfallbehandlung führen zu einer signifikanten Verlängerung der gesamten Behandlungsdauer und des stationären Aufenthaltes [12].
Eine zentrale Notaufnahme, in der die Interdisziplinarität der Notfallversorgung gewährleistet wird, birgt daneben für die Patienten mit akuten und lebensbedrohenden Erkrankungen oder Verletzungen die Chance einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit (“golden hour“ der Schwerverletztenversorgung, der Behandlung von intracerebralen Blutungen oder akuter respiratorisch/cardialer Erkrankungen).
Pädiatrische Notaufnahmen sollen nach den Vorstellungen der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin auch in Zukunft aufgrund einer besonderen Infrastruktur und der besonderen Ausbildung des pflegerischen Personals weiterhin getrennt von einer zentralen Notaufnahme betrieben werden, soweit innerhalb der Klinik eine eigene Abteilung für Pädiatrie vorhanden ist. Unfallverletzte Kinder und chirurgische Notfälle sind nach chirurgischem Facharztstandard zu behandeln, unbenommen hiervon sind Absprachen mit der Pädiatrie vor Ort. In den Fällen, in denen es keine eigene Kinderklinik gibt, können pädiatrische Notfälle auch in einer zentralen Notaufnahme gesichtet werden, um diese dann nach dem notwendigen Facharztstandard (z. B. Anästhesie, Chirurgie, Pädiatrie, Unfallchirurgie, etc.) zu behandeln. Dazu kann die Verlegung erforderlich sein.
Der interdisziplinäre Arbeitskreis „Notaufnahme“ der Fachgesellschaften, welche in der DIVI zusammengeschlossen sind, hat vor diesem Hintergrund im Jahr 2010 Empfehlungen zur Etablierung von zentralen Notaufnahmen herausgegeben, die von dem Grundsatz geleitet sind, dass die Notfallbehandlung aller Patienten nach Klinikeinlieferung fachbezogen bzw. bei komplexen Erkrankungen/Verletzungen interdisziplinär erfolgen muss und die entsprechenden Maßnahmen (Organisation, Qualitäts-/ Risikomanagement und bedarfsgerechte Allokation von fachärztlicher und pflegerischer Kompetenz) zwingend umgesetzt werden müssen [14].
In Bezug auf die ärztliche Qualifikation in einer zentralen Notaufnahme wurde folgendes vereinbart:
Für denjenigen Personenkreis, der eine dauerhafte Tätigkeit in einer Notaufnahme oder eine leitende Position innerhalb einer zentralen Notaufnahme anstrebt, wird in Abstimmung mit der Bundesärztekammer und den Landesärztekammern eine zertifizierte Fortbildung unter dem Dach der DIVI mit dem Titel „Interdisziplinäre Notfallmedizin“ erarbeitet. Das derzeit entstehende Curriculum für diese Qualifikation wird gleichermaßen medizinische als auch organisatorische Inhalte berücksichtigen. Für Assistenten in Weiterbildung ist keine zusätzliche Qualifikation vor Antritt der Tätigkeit in einer Notaufnahme erforderlich.
Für die Erlangung der zertifizierten Fortbildung ist die Erfüllung folgender Kriterien vorgesehen:
- Eine abgeschlossene Facharztausbildung in einem der in der DIVI vertretenen Fachgebiete.
- Eine 24 monatige Weiterbildungszeit in einer zentralen Notaufnahme, hiervon können bis zu 12 Monate in der Facharztweiterbildung angerechnet werden, des Weiteren sind bis zu sechs Monate Tätigkeit auf einer Intensivstation der DIVI Fachgebiete anrechenbar.
- Die erfolgreich abgeschlossene Zusatzqualifikation präklinische Notfallmedizin.
- Die Fachkunde Notfall-Röntgen, Weiterbildung in der Sonographie für Notfallmedizin sowie einen stets aktuellen Nachweis für die Unterweisung im Strahlenschutz sind erforderlich.
Das Curriculums beinhalten vier Module, welche sich inhaltlich in erster Linie nach Leitsymptomen ausrichten. Die Module werden von allen Fachgebieten mit Inhalten und Referenten ausgestaltet.
Daneben wird es weitere fachbezogene Module geben, die spezielle Inhalte der einzelnen Fachgebiete enthalten sollen. Hier können auch von den Fachgebieten schon bisher etablierte Kursformate vorgeschlagen und zur Anerkennung gebracht werden.
Weiterbildungseinrichtungen werden Kliniken sein können, die eine Zentrale Notaufnahme betreiben und die in der DIVI vertretenden Fachgebiete als Hauptabteilung innerhalb der Klinik führen. Die Weiterbildungseinrichtungen sollen durch die DIVI eine Akkreditierung erfahren. Die Weiterbildungsinhalte sind durch die beteiligten Fachgebiete bzw. Fachabteilungen vor Ort zu vermitteln und deren Erfüllung ist durch sie zu bestätigen. Maßgebend ist hier die jeweils für das Fachgebiet vorhandene Weiterbildungsermächtigung. Eine Prüfung ist zunächst nicht vorgesehen. Es reicht der Nachweis der einzelnen erbrachten Leistungen, sodann wird seitens der DIVI das entsprechende Zertifikat ausgestellt werden können.
Das durch die hier vertretenen Fachgesellschaften gemeinsam erarbeitete Curriculum wurde erstmalig Ende 2012 auf dem DIVI Jahreskongress der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit der BÄK wurde vereinbart dass dieses Curriculum in der neuen Musterweiterbildungsordnung als Zusatzqualifikation bzw. dann als Kompetenz eines höheren Levels aufgenommen werden kann. Bis dahin werden die Module erstmalig in der zweiten Hälfte dieses Jahres unter dem Dach der DIVI als Kurse einer gleichnamigen Fortbildung mit Erlangung eines Zertifikates angeboten werden.
Arbeitskreise:
Deutsche Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI)
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH, vertreten durch die DGU)
Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin, (DGIM)
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJM)
Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)
Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC)
Deutsche interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)
Deutsche Röntgengesellschaft (DRG)
Die Literaturliste erhalten Sie auf Anfrage via [email protected].
Autor des Artikels

Prof. Dr. Andreas Seekamp
Klinik für UnfallchirurgieArnold-Heller-Str. 3 (Haus 18)24105Kiel kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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