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Begriffsbestimmung: Behandlungsfall

Der Behandlungsfall dauert bei Privatpatienten einen Monat und bei BG-Patienten drei Monate. Ein Behandlungsfall ist für die GOÄ also verstrichen, wenn sich der Monatsname geändert und das Datum um mindestens eins erhöht hat. Wenn ein Privatpatient erstmals am 1. September behandelt wird, beginnt der neue Behandlungsfall am 2. Oktober. Für einen BG-Patienten jedoch erst am 2. Dezember.

Wofür hat dies Bedeutung? Die GOÄ schreibt vor, dass nur einmal im Behandlungsfall die häufige Kombination aus den GON 1 und 5 (Beratung und symptombezogene Untersuchung) neben Sonderleistungen abgerechnet werden kann. Diese Ausschlussregelung der Allgemeinen Bestimmungen in der GOÄ bezieht sich nur auf die Kombination mit Sonderleistungen nach den Kapiteln C bis O. Jedoch können Leistungen des Kapitels B der GOÄ durchaus auch mehrfach im Behandlungsfall neben der 1 bzw. 5 berechnet werden. Dazu gehören beispielsweise der Arztbrief nach der GON 75, das Konsilium nach der GON 60 und die GON 70 für die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Analog gilt dies auch für die UV-GOÄ, wobei hier die Leistungen der Beratung und der symptombezogenen Untersuchung in der GON 1 zusammengefasst sind.Beispiel:Dies wird in der Tabelle 1 am Beispiel einer unverschobenen distalen Radiusfraktur erläutert. Am Unfalltag wird die Beratung und Untersuchung nach den GON 1 und 5 (Privat) bzw. GON 1 (BG) abgerechnet. Dazu kommen die Leistungen des Röntgens und der Schienenanlage. Ggf. zusätzlich die AU-Bescheinigung und der Arztbrief. Am Tag danach die Schienenkontrolle. Hier ist die Kombination der GON 1-5 günstiger als die durchgeführte Übungsbehandlung nach GON 510.

Tab.1: Beispiel unverschobene distale Radiusfraktur

Beh.-Tag Leistung GOÄ UV-GOÄ Sachkosten Bemerkung
1 U/B/Rö./Schiene/

Arztbrief (DAB)/AU

1-5-5020-228-75-70 1-5020-228B*3-132-143 *1 zusätzliche Leistungen, wie z. B. Eisanwendung (530) möglich
2 Kontrolle, Übungen 1-5 1 keine besser als 510
5 Kontrolle auf Druckstelle, Übungen 229-510 229-510*2 *1 besser als 1-5 (Privat) bzw. 1(BG)
8 Geschl. „Gips,“ Übungen 230-510-5020 230B*3-510*2-5020 *1
9 Kontrolle, Übungen 1-5 1 keine besser als 510
15 Kontrolle, Übungen 1-5 1 keine besser als 510, ggf. Rö-Ko., dann Abrechnung 510-5020
29 „Gips“-Entfernung/

Übungen, Rö. Ko.

246-510-5020 246-510*2-5020 *1
1 Monat

+ 1 Tag

Ergebniskontrolle/

Übungen

1-5-510 1 keine für Privat-GOÄ neuer Behandlungsfall, für BG dauert Behandlungsfall noch an
3 Monate

+ 1 Tag

Z. B. Spätkomplikation CRPS, U/B/Rö. bds./

Übungen, ggf. AU

1-5-5020 x 2-510-70 1-5020 x 2-510*2-115-143 Keine, ggf.

Medikamente

jetzt auch für die BG neuer Behandlungsfall, kein neuer D-Bericht, Zwischenbericht

*1 Sachkosten können nach § 10 der Allgemeinen Bestimmungen der GOÄ als „Ersatz von Auslagen“ stets abgerechnet werden. Nach der UV-GOÄ sind die „Besonderen Kosten“ vertraglich festgelegt. Das Thema „Sachkosten“ wird in einer späteren Ausgabe der „Passion Chirurgie“ ausführlich behandelt.

*2 Übungsbehandlung. Der Leistungsinhalt wird nicht durch bloße Funktionsprüfung erfüllt. Häufig durch BG gestrichen.

*3 In der UV-GOÄ unterschiedliche Zusatz-Buchstaben je nach verwendetem Fixier-Material. Heute meist Kunststoff (Cast).

In unserem Beispiel kommt der Patient aber zwei Tage später wieder und klagt über Druckbeschwerden. Die Schiene wird abgenommen, um Druckstellen auszuschließen und danach wieder angelegt, da sie in Ordnung ist. Es können an diesem Tag entweder nur die Grundleistungen oder die Sonderleistungen abgerechnet werden. Es muss kalkuliert werden, was günstiger ist. Hier die Kombination der GON 229-510.In jedem Fall aber können die angefallenen Sachkosten nach § 6 der GOÄ bzw. die „Besonderen Kosten“ nach der UV-GOÄ und ggf. erbrachte weitere Leistungen aus dem Kapitel B angesetzt werden. In unserem Bespiel dauert der Behandlungsfall nach vier Wochen Ruhigstellung (Tag 29) noch an. Erst bei der Spätkontrolle kann die GON 1 und 5 wieder einmalig neben der durchgeführten Übungsbehandlung abgerechnet werden. Unter der Annahme einer erneuten Vorstellung mit einer Spätkomplikation (z. B. CRPS) nach mehr als drei Monaten besteht dann sowohl für die GOÄ als auch für die UV-GOÄ ein neuer Behandlungsfall mit entsprechender Abrechnungsmöglichkeit.

Ausnahmen: Bei Privatpatienten begründet jede weitere behandelte Erkrankung einen neuen Behandlungsfall. Dies sollte in der Rechnung durch eine entsprechende Erläuterung der Beratungs- und Untersuchungsleistungen und Angabe der Diagnose begründet werden, z. B. 1 (neue Erkrankung, grippaler Infekt) bis fünf (neue Erkrankung, grippaler Infekt). Sämtliche begründenden Diagnosen müssen in der Rechnung aufgeführt werden. Theoretisch könnte man Privatpatienten also tageweise zur Abarbeitung einer ganzen Reihe von degenerativen Erkrankungen der Bewegungsorgane einbestellen. Dies dürfte jedoch gerade von dieser Klientel nur in sehr engen Grenzen toleriert werden.

Für die Beurteilung, ob eine weitere Diagnose eine neue Erkrankung darstellt oder ob es sich nur um eine Begleiterscheinung und/oder Komplikation der ursprünglichen Krankheit handelt, besteht eine gewisse Grauzone und Konfliktpotenzial mit den Kostenträgern.Eine weitere Besonderheit bei Privatpatienten liegt vor, wenn am ersten Behandlungstag nicht die GON 5, sondern die GON 7 (komplette Untersuchung eines Organsystems, hier Bewegungsorgane) abgerechnet wurde. Wenn in unserem Beispiel der Sturz mit multiplen zusätzlichen Prellungen verbunden gewesen wäre und eine komplette körperliche Untersuchung erfordert hätte, wäre der Ansatz der GON 7 gerechtfertigt gewesen. Dann könnte an einem späteren Behandlungstag die GON 5 noch neben anderen Leistungen abgerechnet werden, weil diese GON im Behandlungsfall noch nicht neben Sonderleistungen abgerechnet worden war.

Bei BG-Patienten kann es vorkommen, dass sich ein Unfallverletzter gleichzeitig wegen verschiedener Unfälle in Behandlung befindet. Beispiel: Ein Verletzter wird wegen einer frischen Außenbandruptur des rechten OSG D-ärztlich behandelt. Im Rahmen der Kontrollen klagt er auch über Schmerzen als Folge eines früheren Arbeitsunfalls mit fehlverheiltem Unterschenkelbruch links. Beide Fälle müssen getrennt geführt und abgerechnet werden. Die Praxis-Software sollte eine Zuordnung der BG-Leistungsziffern zu den unterschiedlichen D-Arztberichten/Unfällen ermöglichen.

Dann kann z. B. an einem Tag zweimal die GON 1 abgerechnet werden, wenn beide Unfälle behandlungsrelevant sind.Die BG-Rechnungen müssen dann getrennt und auf die jeweiligen Unfälle bezogen erstellt werden. Dies schon allein deswegen, weil u. U. verschiedene Berufsgenossenschaften als Kostenträger zuständig sind.Diese und andere Abrechnungsfragen werden ausführlich in den Seminaren abgehandelt, die der BDC über seine Fortbildungs-Akademie für niedergelassene Chirurgen anbietet.

Kalbe P. Abrechnungs-Tipps für GOÄ und UV-GOÄ. Passion Chirurgie. 2011 September; 1(9): Artikel 04_01.

Autor des Artikels

Profilbild von Kalbe

Dr. med. Peter Kalbe

Vizepräsident des BDCGelenkzentrum SchaumburgStükenstraße 331737Rinteln kontaktieren

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