Zurück zur Übersicht

Vor fast 180 Jahren erkannte man bereits, dass eine kindgerechte Betreuung durch spezialisierte Ärzte und Pflegepersonal notwendig ist, um den Besonderheiten des sich entwickelnden Organismus Rechnung zu tragen. Es entstanden die ersten Abteilungen und Krankenhäuser nur für Kinder, meist durch Spendengelder finanziert.

Die Wiege der Kinderchirurgie in Deutschland ist das 1846 gegründete Dr. von Haunersche Kinderspital, in dem von Beginn an operative Eingriffe durchgeführt wurden. Am 21. September 1957 wurde dort die Arbeitsgemeinschaft westdeutscher Kinderchirurgen innerhalb der deutschen Gesellschaft für Chirurgie gegründet, um die wissenschaftlichen, fachlichen und beruflichen Belange der Kinderchirurgen und -chirurginnen zu verwirklichen. Professor Anton Oberniedermayr, damaliger Ordinarius im Dr. von Haunerschen Kinderspital, lud dazu eine Gruppe von 14 Kinderchirurgen aus der gesamten Bundesrepublik ein. In der Folge wurden er und Professor Fritz Rehbein zur Gründung einer eigenen Fachgesellschaft durch enge Kontakte mit Kollegen der 1953 gegründeten British Association of Pediatric Surgeons (BAPS) inspiriert.

Auf dem Chirurgenkongress am 17. April 1963 deklarierte Professor Oberniedermayr die AG zur Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie. Damit hatte die deutsche Kinderchirurgie als eigenständige Fachgesellschaft deutlich mehr Gewicht in der Interessenvertretung für die speziellen Belange der Kinderchirurgie und eine gleichwertige Zusammenarbeit mit anderen nationalen und internationalen wissenschaftlichen Gesellschaften wurde gewährleistet.

Professor Oberniedermayr war der Gründungspräsident von 1963-1964 und Professor Fritz Rehbein folgte ihm von 1964-1970. Er führte die deutsche Kinderchirurgie zur Weltgeltung durch seine innovativen Operationen, beispielsweise beim M. Hirschsprung. Aufgrund seiner außerordentlichen Verdienste heißt die Ehrenmedaille der DGKCH als höchste Auszeichnung der Fachgesellschaft seit 1992 „Fritz-Rehbein-Ehrenmedaille“.

In der DDR erfolgte parallel eine ähnliche Entwicklung wie in Westdeutschland. Der Facharzt für Kinderchirurgie wurde 1955 etabliert. Ilse Krause, Chefärztin der kinderchirurgischen Klinik in Berlin Buch, und Fritz Meißner, ärztlicher Direktor der Klinik für Kinderchirurgie in Leipzig, waren die ersten Fachärzte für Kinderchirurgie in Deutschland.

Fritz Meißner gründete 1964 die Sektion Kinderchirurgie der Gesellschaft für Chirurgie der DDR und am 19. Oktober 1985 die Medizinisch-Wissenschaftliche Gesellschaft für Kinderchirurgie der DDR.

Am 17. November 1990 erfolgte, bedingt durch die wiederhergestellte Einheit Deutschlands am 3. Oktober, im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung mit Professor Daum als Präsidenten der DGKCH, die Aufnahme der ärztlichen Mitglieder der Medizinisch-Wissenschaftlichen Gesellschaft für Kinderchirurgie in die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie. Damit waren erstmalig aus Ost- und Westdeutschland die deutschen Kinderchirurgen und -chirurginnen in einer Fachgesellschaft vereint.

In der Präambel der Satzung der DGKCH steht: „Die DGKCH wurde gegründet, um auf die Verwirklichung der bestmöglichen kinderchirurgischen Versorgung, auch in Zusammenarbeit mit anderen nationalen und internationalen wissenschaftlichen Gesellschaften, hinzuwirken.“

Dies gelingt durch die Organisation und Durchführung wissenschaftlicher Tagungen im Rahmen des Deutschen Kongresses für Chirurgie, der Chirurgischen Forschungstage und des Kongresses für Kinder- und Jugendmedizin. International ist die Vernetzung durch unsere Mitglieder in den Vorständen der EUPSA – European Paediatric Surgical Association und WOFAPS – World Federation of Associations of Pediatric Surgeons sowie der ESPU – European Society of Paediatric Urology als Kongressausrichterin in Deutschland gewährleistet.

Für die Zukunft der Kinder- und Jugendchirurgie ist eine konsequente Förderung des Nachwuchses im Einklang mit Krankenversorgung, Forschung, Lehre und Weiterbildung gefragt. Die Akademie für Kinderchirurgie unterstützt die fachärztliche Weiterbildung. Der Arbeitskreis der Assistent:innen hat unter Pandemiebedingungen „KIWI“, Kinderchirugische Weiterbildung im Internet, ins Leben gerufen und hat damit moderne Kommunikationsformen in unserer Fachgesellschaft implementiert. Die DGKCH ist in Social-Media-Plattformen seit diesem Jahr aktiv.

Die Excellenzakademie, die am 29. April 2023 ihre Gründungsveranstaltung in München hatte, stärkt die akademische Kinderchirurgie in Deutschland. Dies dient dem Ziel, den Fortbestand unseres Fachgebiets mit hochqualifizierten kinderchirurgischen Chefärzt:innen in der Zukunft sicherzustellen.

Registerarbeit ist wesentlich in der Versorgungsforschung. Die Etablierung des Kinderregisters für angeborene Fehlbildungen und kommende Auswertung der Daten führt zu einer Qualitätssteigerung der Versorgung betroffener Kinder.

Kernkompetenzen der operativen Kinder- und Jugendmedizin sind neben der allgemeinen Kinderchirurgie die Neugeboren- und Fehlbildungschirurgie, Kinderonkochirurgie, Kinder- und Jugendurologie, Kindertraumatologie und plastische Kinderchirurgie.

Diese Kernkompetenzen werden wir gemeinsam in den folgenden Jahren weiterentwickeln und durch Zentralisierung für bestimmte Krankheitsbilder in der Zukunft garantieren. Technische Verbesserungen mit schonenden, modernen Operationsverfahren und einer innovativen Bildgebung werden nachhaltig einen positiven Einfluss auf das Behandlungsergebnisunserer Patienten haben.

Wir haben in diesem Jubiläumsjahr unsere Fachgesellschaft in Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie umbenannt, um unseren Versorgungsauftrag auch für die Jugendlichen auszudrücken.

Wir stellen uns den kommenden sozialen Herausforderungen wie klimaneutrale Medizin, Fachkräftemangel oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In der Zukunft müssen wir den Spagat zwischen hochspezialisierter Versorgung seltener Krankheitsbilder und der Versorgung in der Fläche meistern.

Diese Ziele erreichen wir gemeinsam durch die weitere enge und produktive Kooperation mit den angrenzenden Fächern, insbesondere den Pädiatern und den chirurgischen Kolleginnen und Kollegen der DGCH.

PD Dr. med. Barbara Ludwikowski, FEAPU

Chefärztin

Klinik für Kinderchirurgie und Kinderurologie

Präsidentin Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH)

AUF DER BULT

Kinder- und Jugendkrankenhaus

Janusz-Korczak Allee 12

30173 Hannover

[email protected]

Chirurgie

Ludwikowski B: 60 Jahre Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie. Passion Chirurgie. 2023 Juni; 13(06): Artikel 03_05.

Artikel zur Kinderchirurgie finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) unter der Rubrik Wissen | Fachgebiete | Kinderchirurgie.

Weitere Artikel zum Thema

PASSION CHIRURGIE

Passion Chirurgie: Kongressnachlese 2023

Es ist offiziell Sommer – und damit Zeit für unsere

Passion Chirurgie

Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!

Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.