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Mit dem 60. Lebensjahr ist im normalen Berufsleben ein Ende der ärztlichen Tätigkeiten absehbar, nicht so beim BDC: Bei allen Veränderungen der globalen Politik, besonders auch unter gesundheits- und berufspolitischen Aspekten, war die Entwicklung zu einem der größten chirurgischen Berufsverbände Europas in diesem Ausmaß sicherlich nicht vorhersehbar.

Am 23. April 1960 versammelten sich 40 Chirurgen und gründeten den Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V., weil sie erkannt hatten, dass die konkreten Nöte der Einzelnen und deren berufliche Belange kaum Interesse bei der rein wissenschaftlich orientierten Deutschen Gesellschaft für Chirurgie fanden. Es war also durchaus eine Art „Abspaltung“. Schon vom Gründungspräsidenten und in der Folge erst recht von den Nachfolgern Müller-Osten und Hempel, die beide immerhin 40 Jahre lang die Geschicke des BDC bestimmten, wurde aber niemals eine Konfrontation mit der DGCH angestrebt, sondern stets eine enge partnerschaftliche Beziehung mit klarer Benennung der jeweiligen Aufgabenfelder gepflegt. Am besten passt hier der ebenso kurze wie eindeutige Ausspruch von Karl Hempel:

„Die Deutsche Gesellschaft ist für die Chirurgie zuständig, der Berufsverband für die Chirurgen.“

Schon in der Anfangsphase hat es sich der BDC zur Aufgabe gemacht:

  • Die Vertretung aller chirurgischen Berufsbelange innerhalb der Ärzteschaft gegenüber den Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Ärztekammer und den Kassenärztlichen Vereinigungen; ferner gegenüber dem Staat, der Regierung und ihren Behörden.
  • Die Beratung all dieser Organe hinsichtlich der chirurgischen Belange einschließlich der Probleme der Facharztausbildung und der neuen Gebührenordnung, Fragen der chirurgischen Pflichten und Rechte sowie die Beratung von Berufskollegen in Facharztfragen.
  • Die Wahrung der chirurgischen Interessen in der Öffentlichkeit und gegenüber den Publikationsmedien.
  • Der Berufsschutz des Chirurgen im Allgemeinen und nötigenfalls auch gegenüber dem Gericht.
  • Der Schutz gegen eine Einengung und Schmälerung unseres Fachgebietes.

Daran hat sich im Kern über all die Jahre nichts wesentlich geändert, allerdings sind zahlreiche neue Aufgaben dazugekommen, wie der Ausbau einer professionellen Pressestelle, die Herausgabe einer Mitgliederzeitschrift (beides seit einigen Jahren gemeinsam mit der DGCH), die Intensivierung der juristischen Unterstützung unserer Mitglieder sowohl in Grundsatzfragen als auch ganz individuell, ein umfängliches Versicherungsangebot und vor allem – mit Gründung der nunmehr Deutschen Akademie für Fort- und Weiterbildung – ein breit gefächertes Angebot an Seminaren, Workshops und Fortbildungsveranstaltungen. Umfragen unter unseren Mitgliedern zeigen, dass Versicherungsschutz, Seminarangebote und juristische Beratung auf der „Wunschliste“ ganz oben stehen, durchaus gleichauf mit der eigentlichen Kernaufgabe eines Berufsverbands, nämlich der Interessenvertretung nach außen.

Der BDC war mit Beginn der Siebzigerjahre die führende berufspolitische Vertretung der Chirurgen in Deutschland. Folgerichtig war der BDC dann auch über die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB) aktiv in die europäische Politik der UEMS eingebunden, stets in engem Schulterschluss mit der DGCH. Im Dezember 1999 zog die Geschäftsstelle von Hamburg nach Berlin in das Langenbeck-Virchow-Haus um und vergrößerte den Stamm der Mitarbeiter deutlich in Richtung eines professionellen Unternehmens. Nicht zuletzt diesem Umzug ist es mit zu verdanken, dass letztlich das Langenbeck-Virchow-Haus nach mühsamen Verhandlungen wieder zur Heimat der deutschen Chirurgen geworden ist.

Mit der Wahl des amtierenden Generalsekretärs der DGCH, Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer im Jahr 2015 auch zum Präsidenten des Berufsverbands wurde eine von den Gründungsvätern des BDC noch durchaus vehement abgelehnte Personalunion eingeführt, die allen Bedenken zum Trotz eine außerordentliche Beförderung der Zusammenarbeit und keinesfalls eine Unterordnung oder gar „Eingemeindung“ zur Folge hatte. Es hat sich dabei rasch gezeigt, dass zwar unterschiedliche Schwerpunkte, diese aber letztlich mit dem gleichen Grundthema zu bearbeiten sind, die in dieser engen Gemeinsamkeit bei aller notwendigen Eigenständigkeit sehr erfolgreich nach außen kommuniziert werden können.

60 Jahre erfolgreiche Interessenvertretung dürfen nun aber kein Anlass sein, sich zurückzulehnen, sondern müssen vielmehr Ansporn sein, das Erreichte weiter auszubauen und vor allem sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen. Es genügt eben nicht, einfach das sogenannte Tagesgeschäft „routinemäßig“ abzuwickeln. Bei jedem neuen Projekt oder gesundheitspolitischen Vorgaben müssen wir darauf achten, was dies für die nachwachsende Generation junger Chirurginnen und Chirurgen für Konsequenzen haben wird. Dieses vor allem auch unter dem Aspekt eines äußerst umtriebigen Gesundheitsministers Jens Spahn. Der 16. Gesundheitsminister unseres Landes und sein Ministerium haben nämlich in der jetzigen Legislaturperiode Gesetzentwürfe und Verordnungen am laufenden Band produziert, wobei exemplarisch nur das Terminservice- und Versorgungsgesetz, das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, das Digitale-Versorgung-Gesetz oder das MDK-Reformgesetz genannt seien.

Aktuell wird eine Neufassung der ärztlichen Approbationsordnung diskutiert mit Verlagerung der Ausbildungsschwerpunkte in Richtung Allgemein- und ambulante Medizin, ganz abgesehen von einer neuen Gewichtung der Themen Digitalisierung oder der Gewichtung der „sprechenden“ Medizin. Wir werden nicht zulassen, dass klassische Schwerpunktgebiete wie die Chirurgie zu Nebenfächern degradiert werden. Gleiches gilt für die Diskussion der chirurgischen Facharztweiterbildung. Der von der gemeinsamen Weiterbildungskommission des BDC und der DGCH zusammen mit allen chirurgischen Fachgesellschaften und Berufsverbänden abgelehnte Erhalt eines Facharztes für Allgemeinchirurgie stellt uns nun vor die Aufgabe, diesen dennoch lebensfähig zu erhalten, will man diejenigen, die sich für diesen Karriereweg entscheiden, von vornherein eine vernünftige Chance einräumen. Diese Diskussion ist eng verknüpft mit der Frage der Ausgestaltung zukünftiger wohnortnaher Versorgung bzw. Veränderung der Krankenhauslandschaft mit Abschaffung kleiner Häuser.

Man hat den Eindruck, dass viele Gesetze im Detail sinnvoll, in der Nachhaltigkeit aber zu hinterfragen sind: Oftmals wäre größere Sorgfalt statt eines überhöhten Tempos effektiver, wie auch beim Referentenentwurf zur Reform der Notfallversorgung. Der BDC arbeitet ferner intensiv an Modellen sektorübergreifender Kooperation zwischen fachverschiedenen Häusern und ambulanten Strukturen. Wir werden eine patientengerechte Versorgung in der Tiefe nur durch Spezialisierung erreichen, aber mit dem Verlust der Breite unseres Faches. Nach unserer Auffassung lässt sich das nur durch Zusammenführung der individuellen Kompetenzen in Verbundsystemen darstellen.

War der Start des BDC vor sechs Jahrzehnten noch geprägt von etwaigen Animositäten, Misstrauen und Ausgrenzung gegenüber den wissenschaftlichen Fachgesellschaften, so haben wir jetzt eine enge partnerschaftliche Beziehung erreicht, die allen nützt. Faktisch wird die viel beschworene Einheit der Chirurgie gelebt, auch wenn sie formal nicht vollzogen ist. Wie allgemein bekannt, ist das Ganze eben immer mehr als die Summe seiner Teile.

Allein die Zahl von nahezu 18.000 Mitgliedern (gegenüber 40 „Versprengten“ zu Gründungszeiten) beweist, dass der gewählte Weg der Richtige ist und unbeirrt weiterverfolgt werden sollte.

Unser Dank gilt allen, die zur Weiterentwicklung des BDC im Sinne ihrer Mitglieder in all den Jahren beigetragen haben.

Meyer HK, Rüggeberg JA, Kalbe P, Burgdorf F: Editorial 60 Jahre BDC. Passion Chirurgie. 2020 März; 10(03): Artikel 01.

Autoren des Artikels

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Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer

Präsident des Berufsverband der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC)Referat Presse- & Öffentlichkeitsarbeit/WeiterbildungskommissionLuisenstr. 58/5910117Berlin kontaktieren
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Dr. med. Jörg-Andreas Rüggeberg

Vizepräsident des BDCReferat Presse- & Öffentlichkeitsarbeit/Zuständigkeit PASSION CHIRURGIEPraxisverbund Chirurgie/Orthopädie/Unfallchirurgie Dres. Rüggeberg, Grellmann, HenkeZermatter Str. 21/2328325Bremen kontaktieren
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Dr. med. Peter Kalbe

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Dr. med. Friederike Burgdorf

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