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1. Ein Blick zurück: Codex Hammurapi

Die Berücksichtigung von Qualitätsaspekten bei der Vergütung ärztlicher Leistungen kommt derzeit als modisches gesundheitspolitisches Kongressthema daher. Ein wenig Recherche zeigt jedoch, dass die Vergütung ärztlicher Tätigkeit und die Berücksichtigung von Qualität ein uraltes Menschheitsproblem darstellt. Schon die erste überlieferte Gesetzestafel der Menschheit, der Codex Hammurapi (1750 v. Chr.), enthält eine kleine ärztliche Gebührenordnung. Wer sich im Pariser Louvre in die Abteilung des Zweistromlandes verliert, wer darüber hinaus ein wenig Keilschrift beherrscht, der wird folgende Formulierung finden:
„Wenn der Arzt bei einem Herren einen Abszess mit dem Broncemesser öffnet oder eine Trübung im Auge mit dem Bronceinstrument entfernt und das Auge des Patienten erhält, so stehen ihm 10 Schekel Silber zu. Für die gleiche Operation bei einem Freigelassenen erhält der Arzt 5 Schekel, bei einem Sklaven 2 Schekel Silber.“

Von zentraler Bedeutung ist der Einschub „und das Auge des Patienten erhält“. Hierdurch kommt eine werkvertragliche Komponente in das Vertragsverhältnis zwischen Arzt und Patient. Es ist diese Werkvertragskomponente, die aus einem normalen Dienstvertrag zur Vergütung ärztlicher Leistungen eine Art qualitätsorientierte Vergütung macht. Etwas vereinfacht ausgedrückt ist der Übergang vom Dienst- zum Werkvertrag der entscheidende Schritt von einer traditionellen zu einer qualitätsorientierten Vergütung.

Die Regelungen im Codex Hammurapi gehen über reine Vergütungsfragen hinaus und regeln explizit auch Maßnahmen zur Qualitätssicherung, wobei die drastischen Regelungen eine gewisse Nähe zur Rechtstradition der Scharia offenbaren:

„Wird ein Herr vom Arzt mit dem Broncemesser wegen einer schweren Wunde behandelt und stirbt, so werden dem Arzt die Hände abgehackt. Die gleiche Strafe trifft den Arzt, wenn er bei einer Augenoperation das Sehorgan eines Mannes der höheren Klasse zerstört. Wenn der Arzt durch seine Behandlung einen Sklaven tötet, so hat er ihn zu ersetzen; wenn er sein Augenlicht zerstört, seinen halben Kaufpreis zu zahlen.“[1]

Aus heutiger Sicht lässt sich nicht klar beantworten, ob die Finanzbeträge eine angemessene Entlohnung darstellen. Die Regelungen zur Qualitätssicherung allerdings lassen vermuten, dass es sich nicht um eine Zeit extremen Ärztemangels gehandelt haben kann. Bedeutsam ist vor allen Dingen eins: Die Vergütung ärztlicher Leistungen und das Qualitätsproblem müssen ein relevantes gesellschaftspolitisches Problem dargestellt haben. Sonst hätte man nicht versucht, solche Regelungen in Stein zu meißeln.

2. Ein Blick über den Teich: P4P

Prominenter Ausgangspunkt der aktuellen Debatte über qualitätsorientierte Vergütung und über „Pay for Performance“ (P4P) ist der „Deficit Reduction Act“ von 2005. Das amerikanische Gesundheitsministerium verlangt in diesem Gesetz die Finanzierung von Gesundheitsleistungen einzuschränken, wenn

  • es sich um Hochkosten oder Hochkostenvolumen handelt,
  • eine Nebendiagnose zu höheren DRG-Vergütungen führt und
  • die Nebendiagnose durch Anwendung evidenzbasierter Richtlinien vermeidbar gewesen wäre.

Es wurden zehn verschiedene Kategorien von „im Krankenhaus erworbenen Zuständen“ definiert, bei denen allesamt auf zusätzliche Vergütungskomponenten verzichtet wird. Es handelt sich im Kern also um eine Nichtbezahlung im Fall von minderer Qualität: Non-Payment for Non-Performance (NPNP). Beispiele hierfür sind Luftembolie, Blutgruppenunverträglichkeit bei Transfusionen, Stürze und andere Traumata, Dekubitus oder katheterbezogene Harnwegsinfektionen.

In der deutschen gesundheitspolitischen Diskussion wurde das Thema „Pay for Performance“ insbesondere durch das Gutachten des Sachverständigenrates „Kooperation und Verantwortung – Voraussetzung einer zielorientierten Gesundheitsversorgung“ aus dem Jahr 2007 vorangetrieben.[2] Der Sachverständigenrat hat insgesamt 28 Studien zu diesem Thema identifiziert und in 21 Studien einen positiven Effekt ausgemacht. 15 Studien sind dabei mit einfachen und 19 mit komplexen Endpunkten. Einfache Endpunkte sind z. B. das Einhalten von Leitlinien zur Raucherentwöhnung, Screening, Impfung und leitliniengerechte Therapie. Beispiele für komplexe Endpunkte solcher P4P-Studien sind Asthma-Therapie, Qualität der Versorgung in Pflegeheimen, Präventionsprogramme oder Erfolgsfaktoren von Health Plans.

3. Ein Blick zu uns: Paralleluniversum QS

Trotz der ersten zaghaften Diskussionsrunden über die Verbindung von Qualität und Vergütung sind Vergütungs- und Qualitätsfragen derzeit in Deutschland streng getrennt. So kennt
z. B. das deutsche Budget- und Krankenhausplanungsrecht den Begriff „Qualität“ überhaupt nicht. Qualitätssicherungsverfahren sind explizit von Vergütungsfragen getrennt. Ein Krankenhausverhandler, der für bessere Qualität mehr Geld zur Verfügung stellen wollte, hätte dazu keinerlei Rechtsgrundlage.

Die rechtstechnischen Parallelwelten bilden sich auch in zwei unterschiedlichen gesundheitspoltischen Szenen ab: Es gibt einerseits die edlen Menschen, die sich um Qualitätssicherung bemühen, und andererseits die ernstzunehmenden, die die Budgetverteilung vornehmen.

Neben den unterschiedlichen Diskussionsszenen existieren auch bislang zwei parallele Datenwelten. So schreibt beispielsweise § 299 Abs. 3 SGB V: „Daten, die für Zwecke der Qualitätssicherung nach § 135 a Abs. 2 für ein Qualitätssicherungsverfahren verarbeitet werden, dürfen nicht mit für andere Zwecke als die Qualitätssicherung erhobenen Datenbeständen zusammengeführt und ausgewertet werden.“ De facto wird hiermit eine qualitätsorientierte Vergütung gesetzlich untersagt.

Eine ähnliche datenschutzrechtliche Problematik ergibt sich bei den Daten nach § 21 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Die Falldaten der Krankenhäuser dürfen ausschließlich für die Entwicklung des DRG-Systems für Vergütungsfragen genutzt werden. Eine breite Anwendung von Qualitätsaspekten in der Vergütung erfordert also diverse Anpassungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen.

4. Die Welt der QS-Indikatoren

Die Frage, welche Qualität bei der Vergütung berücksichtigt werden könnte, führt in einen schier unendlichen Kosmos von Qualitätssicherungsindikatoren (QS-Indikatoren). Hier finden sich die großen Systeme der BQS-Indikatoren, mehrere hundert HELIOS-Indikatoren, diverse QSR-Tracer, über hundert QiSA-Indikatoren für ambulante Versorgung und mehrere Dutzend AQUIK-Indikatoren (nach einer Vorauswahl aus rund 2.000 international verfügbaren Indikatoren). Auf einige der wichtigsten Indikatoren sei im Folgenden eingegangen.

BQS-Indikatoren

In dem Verfahren zur externen Qualitätssicherung im stationären Sektor sind rund 200 Indikatoren für die stationäre Versorgung entstanden, die durch die Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung (BQS) ausgewertet werden. Datenbasis sind rund 3 Mio. fallbezogene Erfassungsbögen, wobei ein inhaltlicher Schwerpunkt bei den Fallpauschalen der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) von 1995 liegt. Rund zwei Dutzend der Indikatoren werden nach einer komplizierten Auswahlmethodik (QUALIFY) als veröffentlichungsfähig angesehen. Sie sind krankenhausspezifisch in den neuesten Qualitätsberichten öffentlich zugänglich gemacht.

Die BQS-Indikatoren sind Gegenstand kritischer Debatten. Ursächlich dafür sind u. a. der gigantische Erfassungsaufwand und die Blickverengung des Qualitätsbegriffes auf die medizinische Qualität bis zum Zeitpunkt der Entlassung. Wesentliche Qualitätsmängel (z. B. kurze Standzeiten bei Endoprothesen, Aggregatwechsel bei Herzschrittmachern oder auch Wundheilungsstörungen) treten erst nach der Entlassung auf und werden von den derzeitigen Qualitätssicherungsverfahren nicht erfasst.

Qualitätssicherung mit Routinedaten (QSR)

Einige der Kritikpunkte am BQS-Verfahren wurden in einem gemeinsamen Projekt von AOK-Bundesverband, WIdO, HELIOS Kliniken und der Universität Magdeburg (FEISA) aufgegriffen.[3] Ziel war eine aufwandsarme Messung von Ergebnisqualität unter Nutzung von Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenversicherung. Erstmals ist es gelungen, dadurch Qualitätssicherung über den Entlassungstermin hinaus zu beurteilen. Insgesamt wurden für folgende Tracer Qualitätsindikatoren definiert:

  • Herzinsuffizienz
  • Herzinfarkt
  • Hirninfarkt oder intrazerebrale Blutung
  • Kolon-/Rektum-Operation bei kolorektalem Karzinom
  • Appendektomie
  • Hüftgelenk-Totalendoprothese
  • Kniegelenk-Totalendoprothese

QiSA – Qualitätsindikatoren für die ambulante Versorgung

Im Auftrag des AOK-Bundesverbandes hat das Institut AQUA, das auch den Zuschlag für die sektorenübergreifende Qualitätssicherung des Gemeinsamen Bundesausschusses bekommen hat, über 100 Qualitätsindikatoren zusammengestellt.[4] Zunächst ist ein Werk von insgesamt fünf Bänden (Allgemeine Indikatoren, Asthma/COPD, Pharmakotherapie, Prävention) veröffentlicht worden. Ziel ist der Einsatz von Qualitätsindikatoren bei der Bewertung von Arztnetzwerken im Rahmen selektiver Verträge der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Indikatoren bewegen sich auf sehr unterschiedlichem Niveau: zum einen reflektieren sie Ergebnisqualität, zum anderen sind sie auch stark prozessual orientiert.

AQUIK

AQUIK ist ein Projekt der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), bei dem zunächst 2.000 international zugängliche Indikatoren gesichtet wurden.[5] In einer Indikatorauswahl finden sich nunmehr 14 fachübergreifend, 12 neuropsychiatrisch, 7 kardiovaskulär, 6 für Muskel-Skelett, 3 gynäkologisch, 2 für Harninkontinenz sowie 2 im Bereich HIV/Aids. Die Indikatoren finden sich derzeit noch im experimentellen Stadium, haben also noch keine qualitätsorientierten Zahlungen ausgelöst.

Anforderung an Indikatoren

Die Suche nach dem idealen Indikator für qualitätsorientierte Vergütung ist mühsam. Analysiert man die Anforderungen an einen solchen Indikator, so ist dieser ideale Indikator

  1. qualitätsdifferenzierend,
  2. misst Ergebnisqualität,
  3. ist evidenzbasiert,
  4. ist signifikant und risikoadjustiert,
  5. ist aufwandsarm zu erheben (möglichst Routinedaten),
  6. liefert zeitnah Ergebnisse und
  7. ordnet Qualität verursachungsgerecht zu.

Gute Indikatoren im Sinne dieser sieben Anforderungen sind rar.

5. Sektorenübergreifende Qualitätssicherung des G-BA: „Richtlinie 13“

Eine dominierende Rolle bei der Definition von Qualität kommt im deutschen Gesundheitswesen dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu. Fast alle untergesetzlichen Normen im Bereich der Qualitätssicherung werden vom G-BA definiert. Bedeutsame Ausnahmen sind lediglich die bundesmanteltariflichen Regelungen im kassenärztlichen Bereich und die Qualitätssicherung für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen.

Größte Herausforderung für den G-BA ist derzeit die Überführung der traditionell sektoral ausgestalteten Qualitätssicherungsverfahren in einen sektorenübergreifenden Rechtsrahmen. Aufgrund der Rechtsgrundlage in § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 SGB V
firmieren diese Diskussionen derzeit unter „Richtlinie 13“.

Die Aussicht auf eine sektorenübergreifende Qualitätssicherung erscheint zunächst phantastische Optionen einer allumfassenden Qualitätssicherung zu eröffnen. Analysiert man die Ansätze, dann ergeben sich im Wesentlichen drei unterschiedliche Optionen:

  1. Sektorengleiche Qualitätssicherung: Hier werden Verfahren identisch von niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern durchgeführt, sofern beide Sektoren an der Versorgung beteiligt sind. Beispiele hierfür sind die PTCA oder Kataraktoperationen.
  2. Extrasektorale Verlaufsmessung (Follow-up): Hierbei erfolgt die Qualitätsmessung im nachgelagerten Sektor. Beispielsweise könnten Wundheilungsstörungen oder die Beweglichkeit zwei Monate nach einer Operation gemessen werden.
  3. Intersektorale Prozesse: Gemeint sind Versorgungsprozesse, an denen mehrere Sektoren beteiligt sind, so z. B. die Versorgung des kolorektalen Karzinoms oder die rheumatologische Versorgung. Zum Teil handelt es sich um separierbare Einzelprozesse unter einer Gesamtüberschrift.

Der Quantensprung beim Übergang zur sektorenübergreifenden Qualitätssicherung ist der Übergang von der Einpunkt- zur Mehrpunktmessung. Fast alle wesentlichen Qualitätsfragen erfordern neben einer Initialmessung eine Verlaufsmessung. Diese erfordert zum Teil eine sektorenübergreifende Datenzusammenführung. In vielen Fällen reicht jedoch eine sektorbezogene Zusammenführung verschiedener Fälle. So kann z. B. die Standzeit bei Endoprothesen durch Zusammenführung von TEP-Daten (Primärimplantation) und TEP-Wechsel ermittelt werden.

Der neue Rechtsrahmen für sektorenübergreifende Qualitätssicherung erlaubt die Überwindung einiger Schwächen der bisherigen sektoralen Verfahren. Die neuen Optionen der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung erschließen sich nicht, wenn man lediglich an die Ergänzung bestehender sektoraler Verfahren durch eine Reihe sektorenübergreifender Verfahren denkt. Bedeutsam ist vielmehr die Erweiterung der bestehenden Verfahren in Richtung patientenbezogener Mehrpunktmessung.

Die Erweiterung bestehender Verfahren ist auch wesentlich schneller als der Aufbau völlig neuer Strukturen. Bei neuen Verfahren ist gemäß Zeitplanung des QS-Institutes AQUA zunächst 2012 mit ersten Datenerhebungen zu rechnen. Da das erste Jahr in der Regel nur eingeschränkt verwendbar ist, sind erste valide Ergebnisse erst im Herbst 2014 diskutierbar. Schneller wäre eine Erweiterung bestehender Verfahren. So könnten bestehende Verfahren wie PTCA und Dialyse sektorengleich angewendet werden, was zwei Jahre früher Ergebnisse erbringen würde. Außerdem könnten bestehende sektorale Verfahren fallübergreifend erweitert werden (TEP-Re-TEP, Herzschrittmacher).

6. Qualität in Selektivverträgen

Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren eine zunehmende Anzahl von selektivvertraglichen Rechtsformen geschaffen. Ergänzend zu den kollektivvertraglichen Verträgen haben Kassen die Möglichkeit, mit einzelnen Anbietern ergänzende Versorgungsverträge zu schließen. Prominente Beispiele sind die integrierte Versorgung, Hausarztverträge und Rabattvereinbarungen im Arzneimittelbereich.[6]

Diskutiert wird eine wettbewerbliche Neuordnung mit Selektivverträgen auch für den stationären Sektor. Unter dem programmatischen Satz „Elektiv wird selektiv“ ist ein Modell entwickelt worden, dass die kassenspezifische Ausschreibung von planbaren Leistungen ermöglicht.[7] Inzwischen haben auch der Sachverständigenrat und die Monopolkommission ähnliche Konzepte veröffentlicht. Allen gemeinsam ist die regionale Ausschreibung planbarer Leistungen, wobei ein Teil der oder alle Krankenhäuser den Zuschlag erhalten. Die Leistungen werden weiterhin gemäß DRG-Systematik vergütet. In der Regel werden kassenspezifische Rabatte verhandelt.

Die Ausschreibung medizinischer Leistungen würde sich nicht auf den Notfallbereich beziehen, sondern lediglich elektive Leistungen umfassen. Sie hätte vor allem in Ballungsgebieten, wo die Versicherten zwischen mehreren Krankenhäusern wählen könnten, eine Bedeutung. Ein Blick in die Krankenhausportale, die auf den Qualitätsberichten der Krankenhäuser aufbauen, zeigt beispielsweise, dass ein Versicherter, der sich am Essener Hauptbahnhof befindet, innerhalb einer Stunde (50 km Umkreis) über hundert Krankenhäuser erreichen kann, um sich mit einer Knieendoprothese versorgen zu lassen. Dies schafft Optionen für die Ausschreibung medizinischer Leistungen, ohne dass von einer Gefährdung flächendeckender Versorgung die Rede sein könnte.

Qualitätsindikatoren werden aus mehreren Gründen Teil der Ausschreibung sein. Zum einen ist es kaum denkbar, dass der Gesetzgeber ein Rabattverfahren auf den Weg bringt, ohne in diesem sensiblen Bereich der Krankenversorgung qualitätssichernde Verfahren vorzugeben. Zum zweiten dürfte es für die Kassen eine wettbewerbliche Notwendigkeit sein, ihre Auswahl von Krankenhäusern als „qualitätsgetrieben“ darzustellen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass eine Kasse mit dem Slogan, sie hätte die billigsten Krankenhäuser ausgesucht („Geiz ist geil“), erfolgreich Versicherte an sich binden wird. Zudem könnte die Vernachlässigung von Qualitätsaspekten Folgekosten verursachen.

Inwieweit die Qualitätsmessung kassenspezifisch oder kassenübergreifend sein wird, ist noch unbestimmt. Es gibt jedoch starke Argumente für eine kollektivvertragliche Messung der Qualität. Versicherte und Öffentlichkeit würden einer kassenspezifischen Messung skeptisch gegenüber stehen, die Krankenhäuser würden den Aufwand kassenspezifischer Qualitätsindikatoren scheuen. Vor allem wäre aber die Fallzahl in kassenspezifischen Qualitätskonzepten zu gering, um signifikante Ergebnisse liefern zu können. Aus diesem Grund ist es wahrscheinlich, dass die Berücksichtigung von Qualität dem Motto folgt: „Kollektiv messen, selektiv kontrahieren.“

7. Fazit

„Qualitätsorientierte Vergütung“ klingt super. Es könnte daher fester Bestandteil legislativer Rhetorik werden. Ausgangspunkt für qualitätsorientierte Vergütung ist Qualitätsmessung und Qualitätstransparenz. Die Berücksichtigung von Qualität in den Vergütungssystemen macht diese extrem kompliziert. De facto muss medizinische Behandlung als Werkvertrag formuliert werden.

Die konkrete Messung medizinischer Behandlungsqualität führt in einen schier endlosen Kosmos von Qualitätsindikatoren. Eine zentrale Rolle bei der Definition öffentlich zugänglicher Qualitätsindikatoren kommt dem G-BA zu. Die Aufgabe, Qualität sektorenübergreifend zu messen, wird allerdings lange Vorlaufzeiten haben und kaum für die kurzfristige Umsetzung von qualitätsorientierter Vergütung zu Verfügung stehen. Die Qualitätsindikatoren des G-BA könnten auch bei einem stärker selektivvertraglich ausgestalteten System bedeutsam bleiben. Nicht zuletzt aufgrund der Fallzahlproblematik gilt möglicherweise „Kollektiv messen, selektiv kontrahieren.“

Eine Sichtung international verfügbarer Pay-for-Performance-Ansätze zeigt, dass es sich bei qualitätsorientierter Vergütung nicht um ein geschlossenes und übertragbares Konzept handelt. Qualitätsorientierte Vergütung ist eher ein Imperativ für all jene, die Vergütungssysteme für medizinische Leistungen gestalten.

Literatur

[1] zitiert nach: Venzmer, G.: Fünftausend Jahre Medizin, Bremen, 1968
[2] vgl. 
http://www.svr-gesundheit.de
[3] vgl. AOK-Bundesverband/Forschungs- und Entwicklungsinstitut für das Sozial- und Gesundheitswesen Sachsen-Anhalt (FEISA)/HELIOS Kliniken/Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO): Qualitätssicherung der stationären Versorgung mit Routinedaten (QSR) – Abschlussbericht -; ISBN 978-3-922093-42-8
[4] vgl. QiSA: Das Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung, KomPart Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Berlin, 2009
[5] vgl. http://www.kbv.de/themen/aquik.html
[6] vgl. Cassel, D., Ebsen, I., Greß, S., Jacobs, K., Schulze, S., Wasem, J.: Vertragswettbewerb in der GKV. Möglichkeiten und Grenzen vor und nach der Gesundheitsreform der Großen Koalition, WIdO, Bonn, 2008
[7] vgl. Leber, W.-D., Malzahn, J., Wolff, J.: Elektiv wird selektiv in Klauber/Robra/Schellschmidt (Hrsg.): Krankenhaus-Report 2007; Schwerpunkt: Krankenhausvergütung – Ende der Konvergenzphase?; Schattauer (Stuttgart)

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