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Eine regelmäßige Aktualisierung des EBM und ein Ausgleich für steigende Betriebskosten im Orientierungswert sind nach Ansicht von Experten unerlässlich, um Arztpraxen wirtschaftlich führen zu können. Bei einer Zi-Tagung kritisierten Sachverständige die bisherige Entscheidungspraxis des Bewertungsausschusses bezüglich der ärztlichen Wirtschaftlichkeitsreserven.

Im Mittelpunkt der Tagung stand ein Gutachten zur Definition und Messung der Wirtschaftlichkeit von Arztpraxen, mit dem das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) den Hamburger Gesundheitsökonom Prof. Dr. Jonas Schreyögg beauftragt hatte. Hintergrund ist, dass es bislang an einer von Krankenkassen und Ärzteschaft akzeptierten methodischen Grundlage fehlt – derzeit dominiert die Sichtweise der Krankenkassen.
Gassen: falsche Methode kann Honorarkürzungen nach sich ziehen

Würde man dieser bisherigen Definition von „Wirtschaftlichkeitsreserven“ in Arztpraxen folgen, könnte dies Honorarkürzungen von bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr nach sich ziehen, gab der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen zu bedenken. „Aus vertragsärztlicher Perspektive können weder die hierfür herangezogene Methode noch das Ergebnis als sachgerecht angesehen werden.“

Mit seinem Gutachten stellt Prof. Schreyögg in Frage, dass die Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsreserven im Rahmen der jährlichen Anpassung des Orientierungswerts überhaupt sachgerecht möglich ist. Vielmehr müssten Produktivitätsunterschiede nach Fachgruppen und Leistungsschwerpunkten differenziert ermittelt werden. Er empfiehlt dem Bewertungsausschuss, in Abständen die Bewertung einzelner Gebührenordnungspositionen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) zu überprüfen.

Bei der Anpassung des Orientierungswerts wären dann vorrangig Preissteigerungen bei Personal, Mieten und Betriebsmitteln zu berücksichtigen. In diesem Fazit wird Schreyögg von Rechtsanwalt Dr. Rainer Hess unterstützt. Hess leitet aus rechtssystematischer Sicht eine besondere Sorgfaltspflicht des Bewertungsausschuss ab. Die gesetzlich geforderte Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsreserven müsse daher vorrangig im EBM erfolgen. Zudem dürfe – wie bei der Entwicklung der Betriebskosten – auch nur die jährliche Veränderung der Wirtschaftlichkeit in die Bewertung einfließen.
Stillfried: Substanz erhalten, ambulante Versorgung fördern

Zi-Geschäftsführer Dr. Dominik von Stillfried forderte den Bewertungsausschuss auf, klar zu begründen, wem die ermittelten jährlichen Produktivitätsgewinne gehören sollen – den Ärzten oder den Versicherten. Die Krankenkassen dürften aus seiner Sicht nicht mehr entnehmen als erforderlich – schließlich müsse die Substanz der ambulanten Versorgung erhalten und gefördert werden.

„Kassen dürfen Produktivitätsgewinne nicht auf Kosten der Qualität einfordern“, so von Stillfried. Dafür sollte den Vertragsärzten über den EBM eine Reserve zugestanden werden. Darüber hinaus hob Stillfried hervor, dass es auch nichtbeeinflussbare Faktoren wie die Patientenstruktur oder die Mieten gebe. Davon betroffene Praxen dürften nicht benachteiligt werden.
Studie liefert wichtigen methodischen Beitrag

Der Vorsitzende des Erweiterten Bewertungsausschusses, Prof. Jürgen Wasem, kündigte an, dass sich das Gremium eingehend mit der Argumentation der Sachverständigen beschäftigen werde.

Für die Analyse nutzte Schreyögg das Zi-Praxis-Panel mit Daten von 5.000 Ärzten aus den Jahren 2008 bis 2010. Seine etwa 100 Seiten starke Studie stellt die methodischen Grundlagen sowie erste empirische Ergebnisse vor.

Schreyögg steht dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Hamburg Center for Health Economics der Universität Hamburg vor und ist in den Sachverständigenrat Gesundheit berufen worden.

Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, http://www.kbv.de

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