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Medizinprodukte: Nutzenbewertung in den Startlöchern

Bald wird sie scharf gestellt: Die Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse. Details zum Ablauf des Verfahrens nach Paragraph 137h SGB V beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) sind am 5. April auf einer MedInform-Veranstaltung zu erfahren. Deutlich wird: Die Fristen haben es in sich.

In jüngster Zeit wurden entscheidende Weichen gestellt, um das neue Verfahren auf die Gleise zu setzen. Zur Erinnerung: 2015 hat der Gesetzgeber mit dem Versorgungsstärkungsgesetz dem System eine zweite Nutzenbewertung verordnet: Künftig werden nicht nur neue Arzneimittel nach der Zulassung auf Herz und Nieren geprüft, sondern auch neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinproduktes hoher Risikoklasse beruht. So heißt es im Gesetzestext.

Eine Anfang dieses Jahres in Kraft getretene Verordnung konkretisiert die Voraussetzungen für das Bewertungsverfahren. Sie firmiert unter dem gewöhnungsbedürftigen Namen „Medizinproduktemethodenbewertungsverordnung“, kurz MeMBV. Der nächste Schritt ist am 17. März erfolgt: Der G-BA hat die näheren Details zum Verfahren und auch zu einem Beratungsangebot für Krankenhäuser und Hersteller geregelt.

Momentan liegt dieser Beschluss dem Bundesministerium für Gesundheit vor. Wenn es keine Komplikationen gibt, dürfte die modifizierte Verfahrensordnung im Mai in Kraft treten. Dr. Henning Adam, Referent der Abteilung Methodenbewertung und Veranlasste Leistungen beim G-BA, rechnet im Herbst mit den ersten Informationsübermittlungen; damit startet das ganze Prozedere beim Ausschuss. „Das Verfahren ist mit sehr engen Fristen besetzt“, betont er und appelliert bei der MedInform-Veranstaltung an die anwesenden Industrievertreter: „Es ist wichtig, dass sich die Hersteller einbringen und beteiligen.“

„Benehmen mit dem Hersteller“

Das Verfahren soll künftig wie folgt ablaufen: Stellen Kliniken beim Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) eine NUB-Anfrage zu Methoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse, haben sie die Pflicht, den G-BA über ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse zu informieren. Zuvor ist der Hersteller ins Benehmen zu setzen. Der G-BA wiederum überprüft die Informationen, ob sie plausibel und vollständig sind und ob die Voraussetzungen für ein Bewertungsverfahren vorliegen.

Geklärt werden muss unter anderem, ob es sich um eine erstmalige Anfrage beim InEK handelt. Konkret bedeutet es, dass es keine entsprechende NUB-Anfrage an das InEK bis zum 31.12 2015 gegeben hat und dass noch keine Prüfung nach Paragraph 137h durch den G-BA stattgefunden hat, erläutert Adam. So sollen unter anderem Mehrfachbewertungen vermieden werden.

Eine weitere Voraussetzung für das Verfahren ist, dass es sich um ein „neues theoretisch-wissenschaftliches Konzept“ und um ein Medizinprodukt hoher Risikoklasse handelt. Der G-BA hat dafür die Kriterien der MeMBV in die Verfahrensordnung übernommen. Allerdings gab es eine Konkretisierung zur Risikoklasse, um das Gefährdungspotenzial einer Methode zu erfassen.

Drei Bewertungskategorien

So geht es weiter: Die vom Krankenhaus übermittelten Informationen und das vorläufige Ergebnis des G-BA, ob eine Bewertung notwendig ist, werden auf der Webseite des Ausschusses veröffentlicht. Betroffene Kliniken und Hersteller erhalten damit die Möglichkeit, ergänzende Informationen einzureichen. Das Zeitfenster beträgt dafür „in der Regel“ einen Monat, heißt es in einer Presseerklärung des Ausschusses. Nach Auswertung aller vorgelegten Informationen entscheidet er endgültig, ob eine Nutzenbewertung der Methode durchzuführen ist. Für die eigentliche Bewertung sind drei Monate einkalkuliert. Folgende Kategorien gibt es:

  • der Nutzen ist als hinreichend belegt anzusehen;
  • der Nutzen gilt zwar noch nicht als hinreichend belegt, aber die Methode bietet das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative;
  • es gibt kein Potenzial für eine erforderliche Behandlungsalternative, insbesondere weil die neue Methode als schädlich oder unwirksam anzusehen ist.

Von Fristen und Fristhemmungen

Wie Adam in seinem Vortrag darstellt, schließen sich je nach Kategorie verschiedene Folgeverfahren an. Bei belegtem Nutzen haben die Krankenhäuser, die die Anfrage beim InEK gestellt haben, zwar innerhalb von drei Monaten einen Anspruch auf den Abschluss einer Entgeltvereinbarung. Allerdings prüft der G-BA, ob eine Qualitätssicherungsmaßnahme (Paragraph 136 SGB V) nötig ist. In der Potenzial-Kategorie steht eine Entscheidung über eine Erprobungsrichtlinie an.

Adam erläutert, dass die bestehenden Regelungen zur Erprobung (Paragraph 137e SGB V) auch im 137h-Verfahren gelten. Die Frist zur Erstellung der Richtlinie betrage sechs Monate. Die Verfahrensordnung sieht allerdings eine Fristhemmung vor – und zwar während die Bereitschaft zur Kostenübernahme abgefragt wird. Im dritten Fall (kein Potenzial) schließlich verlangt der Gesetzgeber eine „unverzügliche“ Entscheidung über den Ausschluss der Methode aus dem Leistungskatalog. Unverzüglich bedeutet in der Praxis, dass der Fall das Verfahren der Methodenbewertung nach 137c SGB V durchläuft.

Beratungsverfahren mit verbindlichen Entscheidungen

Ans Herz legt Adam Herstellern und Krankenhäusern das Beratungsangebot es G-BA im Vorfeld, das – im Unterschied zum AMNOG – übrigens kostenlos ist. Es bedeute für die Beteiligten mehr Planungssicherheit. Der G-BA-Vertreter spricht von einem „wichtigen Verfahrensschritt, der den Aufwand der Informationsübermittlung reduzieren kann“. Wer dieses Angebot nutzen will, sollte allerdings wissen, dass im Rahmen dessen eine, wie Adam herausstellt, „verbindliche Entscheidung“ darüber möglich ist, ob die Voraussetzungen für eine 137h-Bewertung vorliegen.

Zu erwähnen sei ferner, dass der G-BA auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Nutzenbewertung beauftragen kann. IQWiG-Mitarbeiterin Konstanze Angelescu beschreibt in ihrem Vortrag das Vorgehen des Instituts und gibt den Herstellern einige Ratschläge mit auf den Weg. Zum Beispiel: „Es hilft, wenn Sie die Fragestellung möglichst präzise und einheitlich formulieren.“

Wichtig sei die Abgrenzung zu anderen Produkten und Methoden. Das Institut wisse außerdem eine gute, fokussierte Literaturrecherche zu schätzen. Ein weiterer Tipp lautet: Selbst wenn man davon ausgehe, mit den Unterlagen einen Nutzen zeigen zu können, solle man dennoch Daten zu Surrogatendpunkten miteinreichen: Falls es für eine Nutzenaussage nicht ganz reiche, könne das IQWiG damit möglicherweise noch etwas anfangen – Stichwort Potenzial. Angelescu fasst zusammen: „Wichtig ist uns eine gute Evidenz sowie präzise und stringente Unterlagen. Je klarer Ihre Darstellungen sind, umso besser können wir einen vorhandenen Nutzen oder ein Potenzial erkennen.“

BVMed: Nutzenbewertung auf Sprunginnovationen beschränken

Nachtrag: Wenige Tage später, am 12. April, hat der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) auf seiner Mitgliederversammlung in Berlin eine eigene Methodik für die Nutzenbewertung von Medizintechnologien gefordert. Eine neutrale Einrichtung solle dafür im Rahmen der Evidenzbasierten Medizin wissenschaftliche Leitlinien entwickeln. „Diese Leitlinien müssen die Besonderheiten der Medizinprodukte besser berücksichtigen“, verlangt der BVMed-Vorstandsvorsitzende Dr. Meinrad Lugan. Die MedTech-Unternehmen seien für eine sachgerechte Nutzenbewertung im Einklang mit höchster Patientensicherheit.

Ziel müsse aber bleiben, dass Patienten in Deutschland auch künftig schnell von modernen und sicheren Medizintechnologien profitieren können. Das neue Bewertungsverfahren beim G-BA müsse sich daher auf Sprunginnovationen beschränken. Es dürfe die für die MedTech-Branche so typischen Schrittinnovationen zur kontinuierlichen Verbesserung und Anpassung der Technologien nicht behindern, führt Lugan an.

Quelle: Presseagentur Gesundheit, Albrechtstraße 11, 10117 Berlin, www.pa-gesundheit.de, 14.04.2016

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