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Ist ein Abstrich auf SARS-CoV-2 vor einer elektiven ambulanten Operation grundsätzlich erforderlich?

Die Covid-19-Pandemie bestimmt weiterhin das tägliche Leben und hat eine ganze Reihe von Restriktionen im privaten und natürlich auch im beruflichen Umfeld zur Folge. Dies gilt im Besonderen für das Gesundheitssystem. In der Chirurgie betrafen die Einschränkungen in erster Linie das Krankenhaus, wo es darum ging möglichst schnell zusätzliche Beatmungskapazitäten zu schaffen, um den befürchteten Ansturm von intensivpflichtigen Covid-19-Patienten bewältigen zu können. Aus diesem Grund wurden planbare Operationen im Krankenhaus in der Regel eingestellt. Damit wurde einer Empfehlung der zuständigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Zusammenarbeit mit dem RKI und auch den Berufsverbänden gefolgt. Aber auch der ambulante Bereich war betroffen. So kam es nicht nur zu einem verständlichen Rückgang an elektiv zu operierenden Patienten, sondern es wurden in einigen Bundesländern sogar per Allgemeinverfügung des zuständigen Ministeriums elektive ambulante Operationen grundsätzlich untersagt.

Mit sinkenden Infektionszahlen und massivem Ausbau von Beatmungskapazitäten konnten dann schrittweise Lockerungsmaßnahmen vorgenommen werden – und dies betraf natürlich auch das Operieren. In den Krankenhäusern wurde schnell ein System etabliert, wobei Covid-19 Patienten von nichtinfizierten oder möglicherweise infizierten Patienten separiert wurden, um so eine Ausbreitung des Virus im Krankenhaus zu verhindern. Grundlage einer solchen Kohorten-Isolation ist das konsequente Testen der Patienten auf das SARS-CoV-2 Virus, sowohl bei Aufnahme als auch einige Tage später.

S1-Leitlinie der medizinischen Fachgesellschaften

Dieses Vorgehen folgt einer Anfang Juni veröffentlichten S1-Leitlinie der AWMF, erstellt von den zuständigen medizinischen Fachgesellschaften und unter maßgeblicher Beteiligung unseres Präsidenten als Vertreter von DGCH und BDC [2]. Die Leitlinie entstand insbesondere unter dem Eindruck der sogenannten „Birmingham-Studie“. Diese im Lancet publizierte Arbeit untersuchte im ersten Quartal 2020 operierte Patienten aus diversen chirurgischen Fachbereichen und fand im Ergebnis bei SARS-CoV-2 positiv getesteten Patienten eine deutlich erhöhte 30-Tage Letalität von 27,1 Prozent bei großen Eingriffen, aber eben auch von 16,4 Prozent bei kleineren Operationen [5]. Letztgenannte Eingriffe werden häufig im ambulanten Setting durchgeführt. Daraus ergibt sich die Frage, wie möglichst zuverlässig verhindert werden kann, dass SARS-CoV-2 positive Patienten unerkannt auf dem Operationstisch eines niedergelassenen Operateurs landen.

Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, einen Abstrich vor jeder Operation zwingend zu veranlassen. Dieses Vorgehen findet man oft in einem ambulanten von einer Klinik betriebenen Operationszentrum. Hintergrund ist die verständliche Befürchtung, dass nicht erkannte SARS-CoV-2 positive Patienten in den klinikeigenen OP-Saal gelangen und möglicherweise eine Infektion von Personal und anderen Patienten verursachen, mit erheblichen Auswirkungen auf die Versorgung und Funktionsweise der Klinik. Problematisch ist hier die Finanzierung der Laborkosten. Für stationäre Patienten erhält das Krankenhaus für zusätzliche Hygieneanforderungen im Rahmen der Pandemie eine kürzlich in der Höhe auf 100 € angehobene Zusatzpauschale, welche zumindest einen Teil der Test-Kosten abdecken soll. Für ambulante Operationen am Krankenhaus gilt dies aber nicht. Nach derzeitiger Rechtslage müssen die Kosten bei fehlendem Verdacht auf Vorliegen einer Infektion vom Patienten selbst getragen werden oder sie werden dem Operateur vom Krankhaus in Rechnung gestellt.

Bei rein ambulant betriebenen Operationseinheiten besteht grundsätzlich auch ein Risiko, dass das Personal infiziert werden kann oder der Patient selbst einen ungünstigen postoperativen Verlauf durchlebt. Gleichwohl ist eine Testung im ambulanten Bereich zur Verhinderung solcher Ereignisse nur bedingt praktikabel. Zum einen müsste der Patient sich nach erfolgtem Abstrich konsequent in häusliche Quarantäne begeben, denn er könnte sich ja bis zum Operationsdatum andernorts noch infizieren. Dann müsste in einem kurzen Intervall vor der Operation nochmalig getestet werden. Erst dann könnte man mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass der Patient auch wirklich frei von einer Infektion ist. Auch wenn mit der Rückkehr von Reisenden aus Risikogebieten am Ende des Sommers steigende Infektionszahlen vom RKI gemeldet werden, so ist die Wahrscheinlichkeit einer solchen Infektion über alles als sehr gering zu betrachten.

Empfehlung des BDC

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der BDC an Stelle einer regelhaften Testung vor ambulanten elektiven Eingriffen eine Risikoanalyse für die einzelne operative Einrichtung vorzunehmen. Berücksichtigt werden müssen dabei das Risikoprofil der Eingriffe, die Anästhesie-Art und die lokale Infektionshäufigkeit. So stellt es einen Unterschied dar, ob sich das ambulante Operationszentrum im windverwöhnten Schleswig-Holstein befindet, wo über Wochen keine oder kaum Neu-Infektionen zu verzeichnen waren oder ob in unmittelbarer räumlicher Nähe sich ein Infektionscluster befindet. In dieser Situation gilt es die Lage mit dem örtlichen Gesundheitsamt zu analysieren. Dieses Vorgehen wird sowohl in der schon zitierten Leitlinie als auch in einer aktuellen Verordnung aus dem BMG vom Juli 2020 so empfohlen [1,2]. Sollte dann von Amts wegen eine Testung als notwendig erachtet werden, so ist auch die Finanzierung der Laborkosten geregelt und würde vom öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) übernommen werden. Zu Lasten der GKV kann der präoperative Abstrich auf SARS-CoV-2 ausdrücklich nicht verordnet werden, darauf hatte die KBV in einer Mitteilung vom 18. August 2020 hingewiesen [4]. Dies wäre nur im Verdachtsfall auf eine vorliegende Infektion oder nach Rückkehr aus einem Risikogebiet möglich – aber solche Patienten gehören sowieso nicht auf den Operationstisch für eine elektive Operation.

Abschließend ist den ambulant tätigen Chirurginnen und Chirurgen zu empfehlen, jeden ihrer Patienten bzgl. einer vorliegenden oder stattgehabten Covid-19 Infektion zu evaluieren. Dafür eignen sich Kurzfragebögen, wie sie in Kliniken regelhaft zur Anwendung kommen und die vom Patienten selbst ausgefüllt werden können [3]. Bei begründetem Verdacht auf Vorliegen einer Infektion liegt eine Indikation für einen elektiven Eingriff, sei es ambulant oder stationär, nicht mehr vor. Alle anderen Patienten können im ambulanten Setting bei der derzeit in Deutschland vorliegenden Infektionslage ohne vorherigen Abstrich auf SARS-CoV-2 operiert werden, sofern nicht in Abstimmung mit den lokalen Gesundheitsbehörden ein verpflichtendes Test-Regime festgelegt wurde.

(1) Bundesministerium für Gesundheit: Verordnung zur Änderung der Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 Bundesanzeiger. Veröffentlicht am 31. Juli 2020

(2) https://www.AWMF.org: Interdisziplinär abgestimmte Empfehlungen zum Personal- und Patientenschutz bei Durchführung planbarer Eingriffe zur Zeit der SARS-CoV-2-Pandemie. Registrierungsnummer: 017-080, Entwicklungsstufe: S1 Stand: 03.06.2020

(3) https://www.divi.de/aktuelle-meldungen-intensivmedizin/neuer-anamnesebogen-bei-verdacht-auf-sars-cov-2-covid-19

(4) https://www.kbv.de/html/1150_47566.php Übersicht: Test auf SARS-CoV-2 in der Arztpraxis (Stand 18.08.2020)

(5) Nepogodiev, D., Glasbey, J.C., Li, E., Omer, O., Simoes, J.F.F., Abbott, T.E.F., …. Dolores del Toro, M.: Mortality an pulmonary copmplications in patients undergoing surgery with perioperative SARS-CoV-2 infection: an international cohort study. The Lancet (2020) 396: 27-38 published online May 29, https://www.thelancet.com/pdfs/journals/lancet/PIIS0140-6736(20)31182-X.pdf

 

Autor des Artikels

Profilbild von Schmitz

Dr. med. Ralf Wilhelm Schmitz

Referatsleiter Niedergelassene ChirurgenMVZ Chirurgie KielSchönberger Str. 1124148Kiel kontaktieren

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