Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU) hat an die Schicksale ihrer 36 ehemaligen jüdischen Mitglieder erinnert. Die Gedenkstunde fand am Gründungsort der DGU im Jahr 1922 an der Alma Mater Lipsiensis statt. Zuvor verlegte der Künstler und Initiator der STOLPERSTEINE Gunter Demnig 36 Stolpersteine und zwei Stolperschwellen vor dem Haupteingang des Leipziger Universitätsklinikums (UKL). „Wir wollen die Erinnerung an unsere jüdischen Kollegen wachhalten und ihrer mit diesem Mahnmal mit Dank, Hochachtung und in Demut gedenken“, sagte DGU-Präsident Professor Dr. Ingo Marzi.
Auf den zehn mal zehn Zentimeter großen, mit einer Messingplatte bedeckten Steinen ist jeweils Name, Jahrgang und Schicksal dieser Ärzte eingraviert. Sie wurden während der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 gedemütigt und entrechtet, indem man ihnen teils die Promotion, Approbation bzw. die Kassenzulassung entzog oder ihnen ein Lehrverbot erteilte. Viele von ihnen flohen ins Ausland, einige in den Tod, fünf wurden deportiert und drei sogar ermordet. „Sie hatten sich wie ihre heutigen Kollegen für diesen Beruf entschieden, um Menschen zu helfen und zu heilen. Ihr Schicksal berührt uns noch immer. In tiefer Verbundenheit stellen wir daher sehr gern diesen Ort des Gedenkens zur Verfügung“, sagte Professor Dr. Wolfgang E. Fleig, Medizinischer Vorstand des UKL. Professor Dr. Ingo Bechmann, Prodekan der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig, erinnerte in seinem Grußwort an den Leipziger Privatdozenten Dr. Ernst Bettmann: Ihm wurde seine an der Leipziger Medizinischen Fakultät 1932 erworbene Habilitation für das Fach Orthopädie bereits Ende 1933 entzogen.
Nach seiner Flucht 1937 in die USA wurde er in New York ein bedeutender orthopädischer Chirurg, zu dessen Patienten u.a. der berühmte Dirigent Fritz Busch zählte.Die Daten der 36 jüdischen DGU-Mitglieder lagen der Fachgesellschaft lange nicht vor: Denn durch die Kriegswirren gingen alle vereinsrechtlichen Unterlagen der damaligen verfolgten Mitglieder verloren. Erst in den letzten zehn Jahren gelang es der DGU durch den Zugriff auf verschüttete Quellen, die bruchstückhaften und manchmal vagen Überlieferungen nach und nach gesichert aufzufinden.
Durch die Unterstützung zahlreicher Institutionen konnte die DGU die Mitgliederdaten weitestgehend wiederherstellen. Von großer Bedeutung war dabei der Abgleich der Daten mit dem Reichsarztregister durch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin. Demnach hatte die DGU zu Beginn des Nationalsozialismus ca. 300 Mitglieder. Die Vereinstätigkeit und die Jahrestagungen der DGU wurden mit Kriegsbeginn im Jahr 1939 eingestellt und erst 1950 mit der Wiedergründung der Gesellschaft in Bochum erneut aufgenommen.
Dr. Orkun Özkurtul, Dr. Jan Dirk Theopold, DGU-Präsident Prof. Dr. Ingo Marzi, UKL-Vorstände Marya Verdel und Prof. Dr. Wolfgang E. Fleig, Gunter Demnig (v.l.)
Federführend bei der Recherche zum Gedenken an die jüdischen Mitglieder war der im Herbst 2016 verstorbene und frühere Generalsekretär Professor Dr. Jürgen Probst. Sein Anliegen: Das Wachhalten der damaligen Ereignisse und das Gedenken an die Kollegen der Verfolgungsjahre. Aus dessen Rede auf der DGU-Mitgliederversammlung im Oktober 2013 zitierte heute Professor Dr. Hans Zwipp, Sprecher der DGU-Senatoren und Stolperstein-Projektleiter: „Und so wollen wir unsere früheren jüdischen Mitglieder menschlich wieder in unsere Gesellschaft aufnehmen und wieder in unser Herz einschließen.“Die 36 ehemaligen Mitglieder kamen aus allen Teilen des damaligen Deutschlands – darunter Orte wie Berlin, Hamburg, Köln und Leipzig.
Sie dienten nicht nur ihrem Vaterland und ihren Patienten, sondern engagierten sich ehrenamtlich unter anderem als Schriftführer, Schatzmeister oder 1. Vorsitzender der DGU. Sechs von ihnen waren sogar Gründungsmitglieder, als die DGU am 23.9.1922 im Auditorium 30 der Universität Leipzig unter der damaligen Bezeichnung Deutsche Gesellschaft für Unfallheilkunde, Versicherungs- und Versorgungsmedizin gegründet wurde. Anlass war die hundertjährige Tagung der Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte (DGNÄ).Das Projekt STOLPERSTEINE gilt zwischenzeitlich als größtes dezentrales Mahnmal der Welt. Mittlerweile sind über 63.000 Stolpersteine, nicht nur in Deutschland, sondern in weiteren 21 europäischen Ländern verlegt. In Deutschland sind Stolpersteine inzwischen in über 1.200 verschiedenen Orten zu finden.
Zum Nachlesen
Gedenken der jüdischen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Unfallheilkunde, Versicherungs- und Versorgungsmedizin, Jürgen Probst, Orthopädie und Unfallchirurgie Mitteilungen und Nachrichten, Oktober 2013, S.606-613
Damit sie nicht vergessen werden! Eine Spurensuche zum Leben und Wirken jüdischer Ärzte in Leipzig, Andrea Lorz, Passage-Verlag, 1. Februar 2017
Deutsche Gesellschaft für Chirurgie 1933-1945. Band II: Die Verfolgten, Rebecca Schwoch, hrsg. von Hartwig Bauer, Ernst Kraas und Hans-Ulrich Steinau im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Kaden Verlag Heidelberg 2017
Leitlinien sind essentiell, wenn um die ärztliche Arbeit in Klinik und Praxis geht. Bislang leisteten die Ärzte diese Arbeit weitestgehend ehrenamtlich. Das ändert sich nun: Durch das im vergangenen Dezember in Kraft getretene Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG) besteht künftig die Möglichkeit, neue oder aktualisierte Leitlinien öffentlich zu finanzieren.
Im Mittelpunkt der Ausgabe 08/2011 der Passion Chirurgie steht die Handchirurgie. Wir stellen Ihnen in zwei ausführlichen Artikeln dieses relativ junge, ausdrücklich interdisziplinär angelegte Fachgebiet vor.
Die detaillierten Analysen zur Therapie von Infektionen und Brandverletzungen der Hand geben einen Einblick in die enge Zusammenarbeit von Ärzten aus Fachgebieten wie der Chirurgie, der Unfallchirurgie, der Orthopädie, der Kinderchirurgie und der plastischen Chirurgie. Sie zeigen auch die Komplexität der aufwändigen, oft schweren und belastenden Arbeit im Bereich der rekonstruktiven Chirurgie.
Auch die Fortbildung steht mit dem CME-zertifiziertem Kurs “Möglichkeiten der Nervenrekonstruktion” in dieser Ausgabe im Zeichen der plastischen Chirurgie und Handchirurgie.
Diverse Umfragen in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass das Gebiet Chirurgie für viele Medizinstudenten am Anfang ihres Studiums einen großen Reiz ausstrahlt. Dieser verblasst während des Studiums kontinuierlich und erreicht nach dem praktischen Jahr seinen Tiefpunkt. Deshalb müssen wir im PJ ansetzen, wenn wir unser Fachgebiet in den Augen unseres Nachwuchses wieder attraktiv gestalten wollen.
Bisher gingen Schätzungen des BDC davon aus, dass nur ca. fünf Prozent der Absolventen sich für eine chirurgische Karriere entscheiden. Aktuelle Zahlen, die in dieser Ausgabe der „Passion Chirurgie“ erstmals publiziert werden, zeigen ein etwas optimistischeres Bild. Es ist davon auszugehen, dass ca. 1.000 junge Kollegen jährlich nach Abschluss ihres Studiums eine chirurgische Karriere einschlagen. Dies ist uns als Berufsverband der Deutschen Chirurgen Ansporn und Verpflichtung zugleich, uns auch zukünftig aktiv um eine hohe Qualität der chirurgischen Weiterbildung zu bemühen.
Die gesamte fünfte Ausgabe der Passion Chirurgie ist der Durchgangsarzt-Tätigkeit gewidmet. Der D-Arzt ist nicht nur Behandler von Verletzungen und Erkrankungen, sein Wissen ist im Einzelfall die fachliche Grundlage aller darauf beruhenden Verwaltungs- und Rechtsvorgänge.
Zu den zahlreichen Herausforderungen für den Durchgangs-Arzt, die thematisiert werden, gehören die neuen Anforderungen der DGUV zur Beteiligung am Durchgangsarztverfahren seit 1.1.2011, die speziellen Weiterbildungsverpflichtungen, die Mindestzahlen an Behandlungsfällen, Abrechnungsfragen, die Überwachung der Heilverfahren, das zunehmend erweiterte Reha-Management sowie die Beendigung des H-Arzt-Verfahrens zum 31.12.2014.
Die Tätigkeit des D-Arztes als Organisator des gesamten Behandlungspfades und Patientenanwalt geht weit über die operativen Techniken und das fachliche Wissen hinaus, was in diesem Heft exemplarisch angedeutet wird. Unsere Autoren gehen unter anderem auf die Rolle des Arztes als Gutachter, als Beratungsarzt der gesetzlichen Unfallversicherung und als ärztlichen Sachverständigen im sozialgerechtlichen Verfahren ein.
In der vierten Ausgabe der Passion Chirurgie – Quo vadis Sozialstaat? – schneiden wir ein heißes Thema an: Was ist die Zukunft unseres Gesundheitssystems im Angesicht des alarmierenden demographischen Wandels?
Das Titelthema dieser Ausgabe umfasst eine Diskussion zur Sicherung des Patientenwohls und unserer Freude am Beruf für die kommenden Generationen, ausgehend von Werten des modernen Sozialstaates: soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit.
Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Lesen der aktuellen Ausgabe.