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Ein Kürzel gewinnt in der gesundheitspolitischen Diskussion zunehmend an Bedeutung: P4P. Es steht für „Pay for Performance“, einem Begriff, der unterschiedliche Bemühungen beschreibt, im Gesundheitswesen zumindest Ansätze einer qualitätsorientierten Vergütung einzuführen.

Ein Kürzel gewinnt in der gesundheitspolitischen Diskussion zunehmend an Bedeutung: P4P. Es steht für „Pay for Performance“, einem Begriff, der unterschiedliche Bemühungen beschreibt, im Gesundheitswesen zumindest Ansätze einer qualitätsorientierten Vergütung einzuführen.

Diesem Thema widmete sich eine Sitzung auf dem 23. Chirurgentag des BDC in Berlin. Nach einer kurzen Einführung mit Problemaufriss durch M. Siess, München, ging es um Qualität als Element im Vergütungssystem am Beispiel selektiver Verträge (W.-D. Leber, GKV Spitzenverband, Berlin), die Möglichkeiten und Perspektiven einer Qualitätsmessung mit Routinedaten als Basis für eine qualitätsabhängige Vergütung von Krankenhausleistungen (T. Mansky, HELIOS- Kliniken GmbH), aus Abrechnungsdaten generierte Langzeitergebnisse als Grundlage für Versorgungsanalysen und Qualitätsbenchmarking am Beispiel der Cholezystektomie (G. Heller, WIdO im AOK Bundesverband, Berlin), Pay for Performance im ambulanten Bereich mit einem Ausblick auf die künftige Entwicklung aus Sicht der KBV (B. Rochell, Bundesärztekammer, Berlin) neue Formen der intersektoralen Zusammenarbeit und Netzwerkstrategien der Zukunft (Ch. Straub, Rhön Klinikum AG, Wiesbaden).

Ein kritischer Kommentar sollte die Sitzung abschließen
(H. Bauer, DGCH Berlin). Diese subjektive Einschätzung ist im Folgenden wiedergegeben.

Das Ziel, mit P4P ein Finanzierungssystem einzuführen, das die Qualität der Leistung in den Mittelpunkt stellt, erscheint, wenn es denn umsetzbar wäre, zunächst überzeugend und gerecht. So stößt auch die Forderung, dass die Qualität den Preis bestimmen müsse, nicht erst seit den entsprechenden Feststellungen des Sachverständigenrats, der ein Finanzierungssystem gefordert hat, das die Qualität und nicht die erbrachte Menge in den Mittelpunkt stellt, auf grundsätzliche Zustimmung.

Um sich derartigen Vergütungssystemen aber überhaupt nähern zu können, sind verschiedene Grundvoraussetzungen erforderlich. Geht man davon aus, dass in erster Linie die Ergebnis- und nicht die Struktur- oder Prozessqualität als Bewertungsbasis dienen sollten, wird die Bedeutung einer sektor-übergreifenden Qualitätsbetrachtung deutlich, wie sie jetzt auch mit der Auftragserteilung an das Qualitätsinstitut AQUA umgesetzt werden soll. Denn das Gesamtergebnis einer krankheitsbezogenen Behandlungsleistung hängt natürlich ab von der Qualität aller Schritte in der gesamten Behandlungskette, da sich diese auch gegenseitig beeinflussen. Hier die richtigen Qualitätsindikatoren und die richtige Methodik zu finden, ist die eine Herausforderung.

Aber auch bei entsprechend validen Indikatoren wird P4P über gedankliche Ansätze schwerlich hinauskommen, wenn es nicht gelingt, unter Auflösung der „parallelen Datenwelten“ (QS-Daten nach § 135 a Abs. 2 SGB V und sog. 21er-Daten des InEK) sektorübergreifend eine möglichst aufwandsarme Qualitätsmessung zu erreichen. Das weiterentwickelte System der Qualitätserfassung über Routinedaten erweist sich hier als der praktikabelste Ansatz. In der Kritik stehen noch die für den vertragsärztlichen Bereich vorgestellten Modelle ambulanter, auf Surrogatparameter beschränkten Qualitätsindikatoren (AQUIK- Set mit 48 Indikatoren, gestestet in rd. 100 Praxen).

Für „Pay for Performance“-Modelle werden derzeit verschiedene Methoden diskutiert, wie sie auch von den einzelnen Referenten der Sitzung aus unterschiedlichem Blickwinkel angesprochen wurden:

Geeignete Qualitätsindikatoren vorausgesetzt – die Schwierigkeit, sie zu definieren, wurde eindrücklich geschildert – wäre es das Wunschziel, kollektiv zu messen und selektiv zu kontrahieren Für den Umgang mit den signifikant schlechten Anbietern wäre damit die Nichtkontrahierung ein denkbares Steuerungsmodell.

Ähnlich wie im Medicare-Bereich in den USA wäre ein Katalog definierter Komplikationen denkbar, die bei ihrem Eintreten nicht über eine höhere Vergütung im DRG-System ausgeglichen werden sollten. Dabei geht es nicht nur um die sog. „Never Events“, also Komplikationen, wie sie schlechterdings nicht passieren dürften (z. B. Seitenverwechslung, zurückgelassene Fremdkörper).

Dieser Grundgedanke eines „Non Payment for Non-Performance“ findet sich übrigens in unserem DRG-System bereits bei der Regelung einer Fallzusammenführung, d. h. fehlender Vergütung als neuer Krankenhausfall, bei Wiederaufnahme innerhalb eines definierten Zeitraums wegen definierter, in der Verantwortlichkeit des Krankenhauses liegender Komplikationen (wie immer man auch die „Verantwortlichkeit“ kausal begründen will).

Die am Beispiel der Cholezystektomie vorgestellten Analysen des WiDO (Wissenschaftliches Institut der Ortskrankenkassen) zeigten, wie notwendig eine kritische fachliche Überprüfung der in Longitudinalperspektiven als möglicherweise geeignet erscheinenden Bewertungsparameter ist.

Über ein Bonus-Malus-Modell unter Zugrundelegung eines bundesweiten Mittelwertes von Komplikationsraten oder Behandlungsergebnissen als Ausgangswert könnten Häuser, die besser wären, einen Bonus und Häuser, die schlechter wären, einen Malus erhalten. Dabei wird die Frage diskutiert, ob eine qualitätsbezogene Vergütung Leistungserbringer belohnen sollte, die von Anfang an gute Ergebnisse vorweisen können oder eher solche mit einer nachgewiesenen Qualitätssteigerung.

Die bloße Einhaltung von Qualitätsstandards könne kein Zusatzentgelt begründen, denn eine qualitätsgesicherte Versorgung müsse für alle Patientinnen und Patienten die Regel sein. Die Frage, inwieweit sich letztere unter den heutigen Bedingungen flächendeckend, d. h. auch den Bedürfnissen einer Breitenversorgung entsprechend, umsetzen lässt, wird dabei aber primär nicht gestellt.

Im Übrigen ergäben sich auch nicht- monetäre P4P-Mechanismen, da die mit einer positiven Qualitätsdarlegung verbundene Transparenz und Information von Versicherten und Einweisern einen entsprechenden Werbeeffekt mit konsekutiver Fallzahlsteigerung hätten.

Am weitestgehenden wäre die Lösung, unter Zugrundelegung sektorübergreifender messbarer regionaler Versorgungsziele die Gesamtheit der Leistungserbringer einer Region in die Gesamtverantwortung für das Endergebnis zu nehmen. Die Krankenkassen schreiben regional den Versorgungsbedarf ihrer Versicherten aus. Je nach Ergebnis des Bieterverfahrens erhalten alle oder nur ein Teil der Krankenhäuser den Zuschlag. Qualitätsstandards sind, gesetzlich vorgeschrieben, dabei Teil der Ausschreibung.

Will man sich P4P-Modellen nähern, zeigt allein die Auflistung dieser Punkte, wie komplex die Probleme sind, je nach Zugang zu diesem Thema und Interessenlage, was besonders auch für die im Gemeinsamen Bundesausschuss G-BA vertretenen Verbände gilt. Das System droht extrem kompliziert zu werden, falls nicht eine aufwandsarme Qualitätsmessung, gestützt auf belastbare, risikoadjustierte sowie manipulationsresistente Indikatoren erreicht und falls bei dem sektorübergreifenden Ansatz nicht endlich eine Harmonisierung von Qualitätssicherung und Datenschutz umgesetzt wird. Der Gesetzgeber hat dazu die entsprechenden Grundlagen zu schaffen.

Vielen ist noch zu wenig bewusst, dass mit einigen der jetzt bei uns diskutierten P4P-Ansätzen letztlich ein Paradigmenwechsel im Behandlungsvertrag eingeleitet wird. Bisher ist dies – aus gutem Grund – ein Dienstvertrag. Das bedeutet, der Arzt schuldet dem Patienten eine Leistung nach den Regeln der ärztlichen Kunst unter Zugrundelegung des Facharztstandards.

Daraus soll nun zunehmend ein Werkvertrag werden, was bedeutet, dass ein bestimmtes Ergebnis im Sinne einer Gewährleistung zur Vertragsgrundlage wird. Es leuchtet ein, dass der Einstieg in dieses System zunächst nur über eine Beschränkung auf planbare, gut standardisierbare Leistungen möglich ist. Sind einmal die Tore geöffnet, wird es, gefördert durch einen härter werdenden Wettbewerb, schwer ein Halten auf diesem Weg geben.

Bisher gibt es auch in den Ländern, die in unterschiedlichen Bereichen Elemente einer qualitätsorientierten Vergütung eingeführt haben, noch keine Beweise, dass durch „Pay for Performance“ die Qualität der Versorgung auch wirklich gesteigert wird. Wohl aber ergeben sich aus den Referenzprojekten insbesondere aus den USA oder England Hinweise auf unerwünschte Effekte (Patientenselektion, „Optimierung“ der Kodierung, bevorzugter Mitteleinsatz für attraktive erlösstarke Versorgungsbereiche).

Und bisher gibt es noch keine belastbaren Systeme, die eine breite Umsetzung erlauben bzw. rechtfertigen würden. Dennoch bleibt das Thema auf der Agenda. S. Mattke, Boston, ein Vertreter der global agierenden Denkfabrik RAND Corporation, die sich intensiv mit Evaluationen im Gesundheitswesen befasst, hat dazu lapidar festgestellt:
„Much work remains to be done. But P4P is not going away“.

Wenn es derzeit zum Thema qualitätsorientierte Vergütung auch mehr Fragen als Antworten gibt und wir in Deutschland noch ganz am Anfang einer Entwicklung hin zu variablen, qualitätsorientierten Vergütungsanteilen stehen, gehen dennoch die Überlegungen weiter, wie über die Ergebnisqualität die Ressourcenallokation gesteuert werden kann.

Wollen wir Chirurgen aus dieser Diskussion nicht gänzlich ausgekoppelt werden (die Rede war auch von einer anzustrebenden Qualitätspartnerschaft), müssen wir uns darüber informieren, was läuft. Diese Sitzung, die bei der Bedeutung des Themas und den hochkompetenten Referenten sicher mehr Teilnehmer verdient hätte, hat nicht zuletzt durch Abbau von Unverständnis als Ursache von Missverständnis dazu einen guten Beitrag geleistet.

Autor des Artikels

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Prof. Dr. med. Hartwig Bauer

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