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Sicherheits- und Risikoaudits der letzten Jahre zeigen, dass Prozesse und Themen des klinischen Risikomanagements nicht vernachlässigt werden dürfen. Diese werden seit Jahren von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), in den Leitlinien der Fachgesellschaften oder von Initiativen zur Patientensicherheit (zum Beispiel dem Aktionsbündnis Patientensicherheit, der Plattform Patientensicherheit oder der Stiftung Patientensicherheit Schweiz) durch eindeutige Empfehlungen promotet.

Das Bewusstsein für die Patientensicherheit hat zugenommen. Mittlerweile ist das Thema in allen deutschen Krankenhäusern ein fester Bestandteil des Krankenhausmanagements und es hat beträchtlich an Akzeptanz gewonnen, nicht zuletzt durch die Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Dennoch gibt es Prozesse, die in der Praxis durch Sicherheits- und Risikoaudits immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Zudem sollten die Verantwortlichen stetig bestehende oder neue Verbesserungsmaßnahmen seitens des Qualitäts- und Risikomanagements initiieren – auch wenn diese längst umgesetzt sein müssten.

Im Folgenden werden einige plakative Beispiele aus der Beratungserfahrung im Bereich der Chirurgie besprochen. Diese zeigen, wo immer wieder Optimierungspotenzial des Patientensicherheitsniveaus identifiziert wird.

Brainstorming

Das Management in der Zentralen Notaufnahme gehört zu den Kernprozessen im Krankenhaus und auch zu den risikoträchtigsten Prozessen. Denn die Ersteinschätzung von Patientinnen und Patienten und die damit einhergehende Triagierung ist unerlässlich für die Patientensicherheit.

Ersteinschätzung und Triagierung

  • Nicht immer übernehmen Notfallpflegende oder Ärztinnen und Ärzte die Ersteinschätzung (aufgrund von zu wenigen qualifizierten Mitarbeitenden).
  • Die Ersteinschätzung erfolgt nicht immer unmittelbar (spätestens nach zehn Minuten) und ebenso fehlen häufig geeignete Räumlichkeiten für die Triage (Triage und administrative Aufnahme sind oftmals räumlich nicht miteinander vereint).
  • Nicht immer steht geeignete Software für die Ersteinschätzung/Triagierung zur Verfügung (zum Beispiel fehlender elektronischer Stempel des Zeitpunkts, wann der erste Kontakt zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient stattfand und demnach den Nachweis der Rechtzeitigkeit dokumentiert).

Diagnostik

Oftmals fehlen Regelungen für besondere Situationen in der Notfallversorgung (unvorhergesehene Komplikationen, mehrere Aufnahmen gleichzeitig), so wie es der G-BA-Beschluss zur Stufung der stationären Notfallversorgung eigentlich vorsieht.

Anlage von Patientenarmbändern

Nicht alle Patientinnen und Patienten erhalten in der Notaufnahme ein entsprechendes Patientenidentifikationsarmband – ambulante Patientinnen und Patienten zumeist nicht (oftmals ist dies auf stationäre oder demente Patientinnen und Patienten beschränkt).

Überwachung

Patientinnen und Patienten werden nicht überall ausreichend im Bereich der Notaufnahme überwacht. Die Gefahr besteht, dass sie in einigen Bereichen, wie Wartezimmern oder Toiletten, vital auffällig werden und dies nicht bemerkt wird (zum Beispiel aufgrund fehlender oder nicht scharf geschalteter technischer Hilfsmittel wie Kameras oder Klingelanlagen).

Das Aufnahme- und Belegungsmanagement hat in vielen Krankenhäusern Optimierungspotenzial. Probleme sind insbesondere zu lange Wartezeiten und nicht vollständig vorliegende Befunde. Infolgedessen beschweren sich die zu Behandelnden häufig und bei nicht optimalem Behandlungserfolg suchen sie den Rat eines Anwalts.

Wartezeiten

Aktuell werden aufgrund der erforderlichen PCR-Tests in einigen Krankenhäusern alle Patientinnen und Patienten zur selben Uhrzeit am Aufnahmetag einbestellt.

Vollständige Befunde

Der Anästhesistin oder dem Anästhesisten liegen oftmals nicht alle erforderlichen Befunde zur Prämedikation der Patientin oder des Patienten vor.

Im Bereich des intraoperativen Managements sind folgende Prozesse/Themen herauszustellen:

OP-Sicherheitscheckliste

Die Checkliste wird nicht immer gemäß der Vorlage genutzt und mit Handzeichen der durchführenden Person abgezeichnet (zum Teil existieren Lücken in der Dokumentation oder die Checks werden nicht zeitnah zur Durchführung abgezeichnet).

Team-Time-out

Praxisbeobachtungen zeigen, dass das Team-Time-out nicht immer die gelebte Praxis darstellt und zum Teil nur ein Austausch zwischen der Operateurin oder dem Operateur und der Anästhesistin oder dem Anästhesisten darstellt und die instrumentierende Pflegekraft und die Springer ihre Vorbereitungsmaßnahmen noch nicht abgeschlossen haben, wenn mit dem Team-Time-out begonnen wird.

Immer wieder birgt im Rahmen des postoperativen Managements der Verlegungsprozess der Patientinnen und Patienten aus dem Aufwachraum in die Peripherie Verbesserungsbedarf:

  • Die Entscheidung zur Verlegung treffen sehr oft die Pflegekräfte im Aufwachraum. Die Verlegungsentscheidung gehört allerdings zu den nicht delegierbaren ärztlichen Tätigkeiten.

Weiterhin sind folgende Instrumente des Risikomanagements zu nennen, bei denen es durchaus in den meisten Fällen noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt.

CIRS

Die Anzahl der Meldungen ist oftmals steigerungswürdig, um tatsächlich wertvolle Erkenntnisse aus den genannten Informationen ableiten zu können. Zum Teil lässt die Meldebereitschaft nach, wenn die Meldenden keine nachstehenden Informationen zum Umsetzungsstand oder zu den eingeleiteten Maßnahmen erhalten.

Interaktion CIRS und Schadenmanagement

Der Austausch zwischen den Bereichen CIRS und Schadenmanagement fehlt oftmals. Gegenseitige Erkenntnisse können dazu beitragen, rechtzeitig Auffälligkeiten zu erkennen und darauf zu reagieren.

Mortalitäts- und Morbiditätskonferenzen (M&M)

Sehr oft ist dieses Instrument noch nicht umfassend genug und insbesondere interdisziplinär implementiert. Die Dokumentation von Ergebnissen und das Nachhalten von Umsetzungsständen birgt in der Regel Verbesserungsbedarf. Auch das Risiko- und Qualitätsmanagement ist oftmals nicht im Kontext von eingeleiteten Verbesserungsmaßnahmen involviert.

Alarm- und Einsatzplan

Aufgrund der aktuellen weltwirtschaftspolitischen Situation sind die Alarm- und Einsatzpläne in Krankenhäusern zum Teil optimierungsbedürftig. Insbesondere im Kontext von etwaigen Versorgungsengpässen (wie Gas und Strom) besteht Anpassungsbedarf.

Fazit

Die aufgeführten Beispiele sind nur ein Ausschnitt aus der Risikolandkarte und sollen zeigen, dass die Aktivitäten für ein funktionierendes klinisches Risikomanagement stetig vorangetrieben werden müssen, um nachhaltig Risiken einzugrenzen und damit die Patientensicherheit zu gewährleisten. Dieser Safety Clip soll dazu motivieren, lang installierte und etablierte Risikomanagementaktivitäten im Fokus des Risikomanagements zu belassen. Zudem gilt es, immer wieder aufgezeigte Risiken durch geeignete Präventionsmaßnahmen zu minimieren.

Fleischer M: Safety Clip: „Kein Ausruhen“ – Dauerbrenner aus der Prozesswelt des klinischen Risikomanagements. Passion Chirurgie. 2023 März; 13(03): Artikel 04_04.

Autor des Artikels

Profilbild von Marsha Fleischer

Marsha Fleischer

Diplom-KauffrauQualitätsmanagerin und RisikoberaterinGRB Gesellschaft für Risiko-Beratung mbHKlingenbergstr. 4,32758Detmold kontaktieren

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