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Führungskräfte in Krankenhäusern spielen eine entscheidende Rolle im Risikomanagement, da sie maßgeblich zur Schaffung einer Sicherheitskultur beitragen. Ihr Wirken und Handeln hat nicht nur direkte Auswirkungen auf Mitarbeitende, sondern auch auf die Etablierung und Umsetzung von konkreten Maßnahmen, die sich auf die Patientensicherheit auswirken.

Ein wesentlicher Aspekt ihrer Rolle besteht darin, eine Kultur der offenen Kommunikation zu etablieren. Fehler und Beinahe-Fehler sollen gemeldet werden, damit ein systematisches Lernen möglich wird. Nur so können gezielte Maßnahmen abgeleitet werden, die das Wiederauftreten des Fehlers minimieren.

Reaktion der Führungskraft entfaltet große Wirkung

Besonders deutlich zeigt sich der Einfluss von Führung in der direkten Reaktion gegenüber dem Mitarbeitenden. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Assistenzarzt, eine Pflegekraft oder eine MTLA im Labor und berichten Ihrer Führungskraft von einem konkreten Risiko. Dies kann ein versehentlich begangener Fehler sein (Verwechslung von Medikamenten, Dokumentation in falscher Akte), ein Fehler, der Ihnen aufgefallen ist (Dosierungsfehler in Anordnung, vertauschte „Klebchen“ auf Blutröhrchen) oder ein insgesamt unsicherer Prozess (uneinheitliches Vorgehen zum Team-Time-Out, Informationsdefizit in Übergaben).

Sie sehen Handlungsbedarf und berichten Ihrer Führungskraft vertrauensvoll davon. Dies sind mögliche Reaktionen der Führungskraft mit negativen Auswirkungen auf die Sicherheitskultur:

  • Schuldzuweisung, ggf. sogar vor anderen („Das darf dir nicht passieren“ oder „Wer war das?“)
  • Ignorieren Ihrer Sicherheitsbedenken („Es ist doch noch nie etwas passiert“)
  • Bestrafungen (soziale Ablehnung, Stigmatisierung, negative Leistungsbeurteilungen)

Durch diese Verhaltensweisen kommt es zu einer negativen Vorbildwirkung der Führungskraft, die unterschiedliche Folgen für die Mitarbeitenden, das Team und schließlich die Organisation mit sich bringt:

  • Angst und Unsicherheit beim Mitarbeitenden bzw. im Team
  • Demotivation, Verlust von Engagement, Frust
  • Verlust von Vertrauen in die Führungskraft
  • Sinkende Bereitschaft, Fehler zu melden
  • Lernen aus Fehlern ist kaum möglich
  • Risiken bleiben bestehen und gefährden Patienten

In der Praxis hat sich gezeigt, dass solche negativen Erfahrungen sehr lange im kollektiven Gedächtnis eines Teams bleiben und das Mitarbeiterverhalten auch Jahre später noch beeinflussen. Beispielsweise berichten Mitarbeitende über derartige Erfahrungen, wenn man sie nach den Hintergründen von geringen CIRS-Melderaten fragt. Nicht selten erzählen sie, dass Sanktionen nach einer Meldung erfolgt sind oder dass sie angewiesen wurden, beim nächsten Mal bitte das direkte Gespräch zu suchen, statt in CIRS zu melden. Häufig beeinflusst dies das Meldeverhalten des betroffenen Bereichs noch jahrelang. Das zeigt auch, dass eine Aufarbeitung eines derartigen Vorfalls und eine klärende Kommunikation von Bedeutung sind. Denn negative Erfahrungen wirken lange nach und die Auswirkungen verschwinden nicht automatisch.

Positive Beiträge zur Patientensicherheit

Führungskräfte können jedoch durch ein anderes, positives Verhalten deutlich dazu beitragen, dass die Patientensicherheit gestärkt wird. Ein Teil der Sicherheitskultur ist die sogenannte Psychologische Sicherheit. Diese beschreibt ein Gruppengefühl, keine Einzelmeinung. Teams, die sich psychologisch sicher fühlen, sind innovativer, erzielen bessere Ergebnisse und eine höhere Qualität. Die Offenheit, Fehler zu melden und zu analysieren, ist bei ihnen eine Selbstverständlichkeit, auch wenn sie nicht immer leichtfällt.

Indem Führungskräfte selbst den Mut haben, über eigene Fehler zu sprechen und transparent zeigen, wie sie daraus lernen und allen anderen gegenüber wertschätzend auftreten, die sich ebenso verhalten, können sie in ihrem Team die psychologische Sicherheit fördern.

Mögliche Reaktionen der Führungskraft mit positiven Auswirkungen im oben genannten Fall:

  • Anerkennung und Dankbarkeit („Vielen Dank, dass du das gemeldet hast. Das ist genau die Einstellung, die wir brauchen.“)
  • Aufnahme des Themas („Das ist ein wichtiger Hinweis. Ich werde mich darum kümmern …“)
  • Einbezug des Mitarbeitenden in die Problemlösung („Lass uns gemeinsam analysieren, was passiert ist, und herausfinden, wie wir das in Zukunft vermeiden können.“)

Ein Aspekt sollte dabei nicht aus den Augen gelassen werden: Wichtig ist auch, dass Führungskräfte klare Verstöße von Mitarbeitenden gegen Regeln sanktionieren. Das bewusste Auslassen von Kontrollschritten bei der Einschleusung, „weil es sowieso immer korrekt ist“ oder das Abhaken der Checkliste des Notfallequipments ohne vorherige Kontrolle sind schädliches Verhalten, auf das die Führungskraft direkt eingehen und es unterbinden sollte.

Management

Weitere Instrumente des Managements unterstützen zusätzlich das Ziel der Patientensicherheit. Dazu gehören z. B.:

  • Der Einfluss von Quantität und Qualifikation der Mitarbeitenden
  • Die Gestaltung von Prozessen wie Übergaben, Visite, Team-Time-Out usw.
  • Die Etablierung von aktuellen, fundierten und praktikablen Standards
  • Die Bereitstellung von geeigneten Tools und Hilfsmitteln

Insgesamt wird deutlich, dass Führung ein elementarer Bestandteil ist, um Patientensicherheit zu fördern. Zum einen über den zentralen Beitrag zur Psychologischen Sicherheit im Team, zum anderen über das Handeln des Managements.

Patientensicherheit als Teil der Führungskompetenz im Krankenhaus

Dies erfordert viel Reflexion und eine klare Haltung. Umso wichtiger ist es, Führungskräfte im Krankenhaus dazu zu befähigen, damit sie dieser verantwortungsvollen Aufgabe gerecht werden können. Die Einbeziehung der Patientensicherheit in die Führungskräfteentwicklung im Krankenhaus ist ein wichtiger und oft noch vernachlässigter Aspekt.

Durch Schulungen und Seminare sollten Führungskräfte die Möglichkeit bekommen, ihr Wissen zur Patientensicherheit zielgruppenspezifisch zu erweitern. Ihre verantwortungsvolle Rolle im Risikomanagement können sie nur dann effektiv ausfüllen, wenn sie sie vollumfänglich verstanden haben.

In Workshops können Führungskräfte unter moderierter Anleitung ihre Probleme bei der Risikoanalyse und der Auswahl und Umsetzung geeigneter Maßnahmen lösen. Idealerweise erfolgt dies im interdisziplinären Führungsteam.

Gleichzeitig kann ihnen ein professionelles Business Coaching angeboten werden, in dem sie ihr Verhalten in ihrer Rolle geschützt reflektieren können. Dies dient einerseits der Erfolgssicherung bei der Umsetzung von Maßnahmen, insbesondere bei komplexen Ausgangslagen, und schafft andererseits die Grundlage, um die eigene Wirkung auf die Psychologische Sicherheit des Teams kontinuierlich zu hinterfragen. Coaching bietet einen geschützten Raum, in dem Führungskräfte ungehemmt und konstruktiv über ihre Herausforderungen und Gedanken sprechen können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen haben zu müssen. Dies fördert eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre, die sich auch positiv auf das Team auswirkt.

Literatur

[1]   Bresser, J. (2024). Just Culture im Krankenhaus: Mit neuen Leadership-Ansätzen im ärztlichen Bereich die Zukunft gestalten. Springer
[2]   Edmondson, A. (2024). Wertvolle Fehler – Right Kind of Wrong: Die praktische Wissenschaft klugen Scheiterns (M. Kauschke, Übers.). Vahlen.
[3]   Töpfer, R. (2014): „Systemisches Coaching als erfolgreiches Mittel im Risikomanagement für Ärzte und Kliniken“ in: Merkle (Hg.): „Risikomanagement und Fehlervermeidung im Krankenhaus“, Springer

Pope A: Safety Clip: Die Rolle von Führungskräften für die Patientensicherheit im Krankenhaus. Passion Chirurgie. 2025 März; 15(03/QI): Artikel 04_03.

Autor des Artikels

Profilbild von Anja Pope

Anja Pope

WirtschaftspsychologinBeraterin für Organisationsentwicklung und PatientensicherheitGRB Gesellschaft für Risiko-Beratung mbHEcclesiastraße 1-432758Detmold kontaktieren

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