Dr. med. Friederike Burgdorf
Geschäftsführerin BDC15.30 Uhr – Raum Tokio – Berufspolitischer Nachmittag:
Höhepunkt des ersten Kongresstages war der gesundheitspolitische Nachmittag. Einleitend skizzierte die Kongressleitung, Dr. Frank Sinning und Dr. Frido Mütsch, aktuelle Entwicklungen im Gesundheitswesen als Hintergrund für berufspolitische Forderungen. Als wichtige Treiber für Veränderungen nannten Sie insbesondere die angespannte wirtschaftliche Situation sowie die veränderte Verteidigungspolitik mit einer neuen Kriegsmedizin und entsprechendem Finanzierungsbedarf. Dabei machten sie deutlich, dass es höchste Zeit sei, die Chancen der Digitalisierung und eines überfälligen Bürokratieabbaus zu nutzen in einem Gesundheitssystem, in dem Angebot und Nachfrage immer mehr auseinanderzudriften drohen. Schließlich wandte Herr Dr. Sinning sich mit folgendem Appell direkt an die wachsende Gruppe der Chirurginnen: „Alte weiße Männer haben Fluchttendenzen. Bilden Sie sich weiter und arbeiten Sie schnell, meine Damen!“
Dr. Burkhard Lembeck griff das Thema Ressourcenmangel auf und unterstrich die Bedeutung einer vermehrten Strukturierung der Inanspruchnahme des Gesundheitssystems. Aus seiner Sicht werde die koordinierte ambulante Inanspruchnahme eines der zentralen Themen der kommenden Legislaturperiode sein und die Strukturierung über die Notfallreform ergänzen. Für Versicherte, die sich zukünftig nicht an ein Ersteinschätzungsverfahren vor dem Aufsuchen der Notaufnahme hielten, forderte die Einführung einer Selbstbeteiligung an den verursachten Kosten.
Dr. Dirk Heinrich wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die zunehmende Patientensteuerung zwar ein Schlüssel zur Qualitätsverbesserung sei. Jedoch sei die primärärztliche Versorgung auch durch Fachärzte möglich und auch notwendig, da Deutschland gar nicht über eine ausreichende Anzahl primärversorgender Hausärzte verfüge.
An den intersektoralen Notfallzentren, die als Teil einer Reform der Notfallversorgung diskutiert werden, kritisierte er, dass dadurch eine erneute Umgehung des ambulanten Systems entstünde, was nicht beabsichtigt sein könne. Zudem fehle auch hierfür das Personal, was in letzter Konsequenz dazu führen würde, dass zahlreiche Notaufnahmen geschlossen werden müssten.
Grundsätzlich kritisierte er den hohen Anteil versicherungsfremder Leistungen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt würden. Hierbei handele es sich vielfach um Staatsausgeben, die dort nicht hingehörten und die Lohnnebenkosten verteuerten.
Für eine vermehrte Steuerung im Gesundheitswesen sprach sich ebenfalls Jan Henniger aus, bewertete aber gleichzeitig die freie Arztwahl als ein besonders hohes und schützenswertes Gut. Er machte deutlich, dass eine verbesserte ärztliche Kommunikation bereits einen großen Anteil der Probleme lösen könnte.
Dr. Ralf Schmitz schließlich hob ebenfalls die Steuerungselemente des Gesetzesentwurfs zur Reform der Notfallversorgung positiv hervor, insbesondere die Verknüpfung der Rufnummern 112 und 116117, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der immens hohen Anzahl an Arzt-Patienten-Kontakten in Deutschland im internationalen Vergleich.
Dr. Stefanie Minkley mahnte u. a. eine verbesserte die Gesundheitskompetenz schon von Kindern als wichtiges Thema an. Zukünftig müssen auch neue Gesundheitsberufe, wie die Community Health Nurse, stärker mit in die Versorgung von Patientinnen und Patienten einbezogen werden und auch die Zuwanderung in unser Gesundheitssystem müsse weiter gestärkt werden.
Prof. Andrew Ullmann fügte hinzu, dass der Weg der Ambulantisierung konsequent weiter beschritten werden müsse. Als Gesundheitspolitiker müsse man den Mut haben, auch schmerzhafte Reformprozesse zu begleiten. Dazu gehört in Deutschland jüngst die Krankenhausreform. Die Steuerung von Patienten müsse aber bereits wesentlich früher ansetzen, denn es müsse nicht immer ein Arzt oder eine Ärztin sein, die eine Patientin oder einen Patienten sieht.
Fazit: Insgesamt eine interessante Diskussion mit einer Spur zu viel Einigkeit unter den Diskutanten, so dass man zwischendurch geneigt war, sich nach einem Kassenvertreter oder politischen Repräsentanten weiterer Parteien zu sehnen, um die die Pluralität etwas zu erhöhen. Leider wurde Fragen aus dem Auditorium in diesem Jahr nicht zugelassen, was möglicherweise auch dazu beigetragen hat, dass der Saal sich gegen Ende ein wenig leerte. Daher wünschen wir uns für das nächste Jahr: Mut zur kontroversen Diskussion und Einbindung des Auditoriums! |