Leistungsstreichungen, Kürzungen der diagnosebezogenen Fallpauschalen und qualitätsorientierte Vergütungen durch „Pay-for-Performance-Modelle“: Die aktuellen politischen Maßnahmen zur Umsetzung des zum 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) setzen nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik e.V. (AE) eine gefährliche Abwärtsspirale in Gang. Durch den immensen Vergütungsdruck stünden schon jetzt viele Kliniken mit dem Rücken zur Wand – Leistungseinbußen in der medizinischen Patientenversorgung seien die Folge.
„Das eigentliche politische Ziel des Krankenhausstrukturgesetzes, die Qualität in der stationären medizinischen Versorgung stärken zu wollen, darf keinesfalls durch unausgereifte und zweifelhafte Methoden auf dem Rücken der spezialisierten Fachkliniken ausgetragen werden“, warnt Professor Dr. med. Karl-Dieter Heller, Chefarzt an der Orthopädischen Klinik Braunschweig und Generalsekretär der AE. Anknüpfend an den Qualitätsaspekt will der Gesetzgeber bei der Krankenhausvergütung für medizinische Leistungen künftig Zu- und Abschläge einführen (pay for performance). Das heißt: Die Höhe der Vergütung soll davon abhängig gemacht werden, ob das Erfolgsziel durch zuvor definierte Anreize tatsächlich erreicht worden ist. Neben der endoprothetischen Gelenkversorgung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) drei weitere medizinische Leistungsbereiche identifiziert, für die mit Hilfe von einzelvertraglichen Regelungen eine Qualitätssteigerung geprüft werden soll. „Qualitätskontrollen sind sowohl aus Sicht der Patienten als auch der Ärzte und Kostenträger grundsätzlich sinnvoll – die Leistungsvergütung jedoch ohne geeignete Bemessungsindikatoren einfach isoliert zu reduzieren, um somit die Qualität zu erhöhen, ist der völlig falsche Weg“, so Heller. Die AE kritisiert in diesem Zusammenhang eine unzureichende Abbildung der unterschiedlichen Klinik-Risikoprofile, die bei der Qualitätsmessung außer Acht gelassen werden. So haben spezialisierte Fachkliniken für Orthopädie und Unfallchirurgie bei der Behandlung komplexer Fälle und langwieriger Therapiekonzepte ein viel größeres Qualitätsrisiko, als kleine Kliniken ohne ein entsprechendes medizinisches Versorgungsspektrum. Werden medizinische Leistungen künftig aber auf der Grundlage lückenhafter Qualitätsparameter vergütet, können das spezialisierte Fachkliniken für Orthopädie und Unfallchirurgie nicht mehr länger kompensieren und die hohe medizinische Versorgungsqualität im Bereich der Endoprothetik ist akut in Gefahr.
Hinzu kommt: Durch die letztjährige, radikale Abwertung der diagnosebezogenen Fallgruppen – der DRGs – werden Operationen deutlich geringer vergütet. Der dadurch geschaffene Konflikt sei für Ärzte und Kliniken kaum tragbar: „Wir setzen uns als AE dafür ein, die Qualität zu halten und zu steigern. Abgewertete DRGs führen dazu, dass Kliniken an anderer Stelle wieder sparen müssen“, so Heller. Einsparungen wären beispielsweise über verkürzte Liegezeiten und den Einkauf preiswerterer Prothesen bzw. Gleitpaarungern spürbar –, beides führt nicht zwingend zu einer Steigerung der Qualität. Hier bedürfe es differenzierter Lösungen mit komplexen Anreiz- und Steuerungssystemen, so der AE-Generalsekretär.
So wurde durch die Schaffung des Endoprothesenregisters Deutschland (EPRD) bereits eine valide Datenbasis geschaffen, um bundesweit die Qualität der künstlichen Hüft- und Kniegelenke zu beurteilen, die Zahl unnötiger Wechseloperationen zu verringern und die Patientensicherheit sowie das medizinische Behandlungsergebnis zu gewährleisten. Eine gesetzlich verpflichtende Teilnahme am Endoprothesenregister ist nach Auffassung der AE längst überfällig und angesichts der aktuellen Qualitätsdiskussion dringend geboten.
Ebenso sprechen sich die AE-Experten dafür aus, die gesetzlich neu vorgesehenen Qualitätsverträge in der endoprothetischen Gelenkversorgung ausschließlich mit EndoCert-zertifizierten Endoprothetikzentren (EPZ) oder Endoprothetikzentren der Maximalversorgung (EPZmax) umzusetzen. Denn: Kliniken mit dem EndoCert-Gütesiegel garantieren bereits die Einhaltung von Mindestmengen bei den durchgeführten Operationen als auch personenbezogenen Anzahl der verantwortlichen Operateure. Sie erfüllen somit schon jetzt bei der Struktur- und Prozessqualität höchste medizinische Anforderungen. „Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die hohe Qualität im Bereich der Endoprothetik nicht durch Kurzzeit-Bilanzen zu gefährden, sondern mit Blick auf die lange Haltbarkeit hochwertiger Prothesen, niedriger Wechselquoten und hoher Patientenzufriedenheit auch in Zukunft angemessen und adäquat zu vergüten“, betont Heller.