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Eine komplexe Herausforderung an die Zukunft einer qualitätsorientierten Vergütung

Nicht erst seit dem Gutachten des Sachverständigenrates zur Entwicklung im Gesundheitswesen aus dem Jahr 2007 findet nicht nur in Deutschland, sondern auch international eine zum Teil hoch emotionale Diskussion über zielgerichtete Vergütungssysteme sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich statt.

Dabei ist diese Diskussion untrennbar mit den Fragen nach mehr Transparenz des Leistungsgeschehens einerseits und den Anforderungen an eine hohe Behandlungsqualität andererseits verknüpft.

Der Gesetzgeber hat diesen Fragen dahingehend Rechnung getragen, dass er beispielsweise seit einigen Jahren die Qualitätsberichte der Krankenhäuser als verpflichtend festgelegt hat. Gleichzeitig jedoch ist die Frage, wie gute Qualität gemessen und dann vergütet wird, noch völlig offen.

„Pay for Performance“ – Was ist mit diesem Begriff überhaupt gemeint? Bei ausschließlicher semantischer Betrachtung ist „Performance“ am ehesten mit dem deutschen Begriff „Leistung“ und weniger mit „Qualität“ in Verbindung zu setzen. Ursprünglich wurde „Pay for Performance“ kurz P4P – in der industriellen Fertigung eingeführt, um effizientes Arbeiten zum Beispiel in Form einer hohen Produktionsquantität zu honorieren.

Erst später kam besonders in der Medizin die Qualitätsdimension hinzu, sodass die quantitativen Aspekte von Pay for Performance in den Hintergrund getreten sind. Heute wird unter P4P primär eine Form der Honorierung für das Erreichen von Qualitätszielen verstanden.

Dabei wird jedoch schon hier ein erstes Problem deutlich: Medizinische und besonders chirurgische Behandlungsergebnisse hängen nicht nur von der eigentlichen Operation ab, sondern werden ganz entscheidend auch von der Struktur- und Prozessqualität beeinflusst.

Des Weiteren ist zu bedenken, dass in der Chirurgie neben kurzfristigen Ergebnissen – unkomplizierter postoperativer Verlauf – besonders auch die Langzeitergebnisse wie z. B. das Leistenbruchrezidiv nach erfolgter Operation oder die Prognose von Patienten mit onkologischen Erkrankungen interessieren.

Darüber hinaus ist unbedingt eine Risikoadjustierung zu fordern, da diese erheblichen Einfluss auf die Qualität gerade einer chirurgischen Leistung hat. Die Etablierung von stabilen Qualitätsindikatoren ist somit eine der wichtigsten Herausforderungen auf dem Weg hin zu einer qualitätsorientierten Vergütung. Hier liegt sicher eine der vielfältigen Aufgaben für die sich gerade in Deutschland erst entwickelnde Versorgungsforschung.

Ein weiterer zu klärender Aspekt ist die Frage, auf welcher Basis die Honorierung einer guten Qualität erfolgen soll. Werden finanzielle Anreize anhand konsentierter Qualitätsindikatoren erst ab einer gewissen Qualitätsstufe wirksam oder kommen nur die Besten für eine Zusatzvergütung in Frage? Sollen statt positiver monetärer Anreizsysteme eher Abschläge für nicht erreichte Qualitätsanforderungen greifen? Last, but not least – Welche Möglichkeiten bestehen, neben finanziellen auch nicht monetäre Anreizsysteme zu etablieren?

Unabhängig von diesen sicher schwer zu lösenden Fragen ergibt sich darüber hinaus auch die Herausforderung, auf welcher Basis die Datenerfassung erfolgt und inwieweit zusätzliche finanzielle Mittel notwendig sind, um P4P zu realisieren.

In Anbetracht der finanziellen Begrenzungen erscheint es zumindest fraglich, ob zusätzliches Geld aufgebracht werden kann, um den Prozess der Einführung einer qualitätsorientierten Vergütung zu begleiten und zu realisieren. Die Qualitätsmessung mit klinischen Routinedaten könnte ein Weg sein, um den finanziellen Restriktionen zu begegnen.

Auch wenn die Diskussion um P4P in Deutschland – anders als in den USA und in Großbritannien – erst in den Anfängen steckt, so ist doch schon deutlich, dass sich erhebliche Auswirkungen auf die Leistungserbringung ergeben werden. Die gegenwärtig bereits bestehenden Selektivverträge und die Modelle der integrierten Versorgung sind die ersten Schritte hin zu P4P.

Es ist sehr wohl möglich, dass bestimmte Leistungserbringer mit schlechter Qualität vom Markt verschwinden, gleichzeitig besteht jedoch auch das Risiko, dass nur die Rosinen herausgepickt werden, bei denen schon im Vorfeld klar ist, dass die Behandlung mit einer hohen Qualität erbracht werden kann. Ob dies für Risikopatienten und chronisch Kranke negative Auswirkungen haben wird, kann erst die Zukunft zeigen. Unweigerlich müssen wir uns als Chirurgen jedoch mit der Diskussion um P4P beschäftigen.

Jeder Chirurg ist bestrebt, eine hohe Behandlungsqualität zu erbringen. Jeder wird auch unterschreiben, dass einer besseren Qualität eine bessere Bezahlung folgen soll. Wenn dieses Credo allgemeine Zustimmung findet, sollten sich nicht nur die Fachgesellschaften, sondern insbesondere auch die Berufsverbände aktiv an der Etablierung von P4P beteiligen.

P4P könnte ein Weg sein, in die Bewertung von Leistungserbringern etwas mehr Objektivität zu bringen, sodass die Fülle von subjektiven Beurteilungen, wie sie gegenwärtig im Internet zu praktisch jedem Chirurgen kursiert, der Vergangenheit angehört.

Und eines darf sicher auch nicht vergessen werden: Bereits jetzt im DRG-System haben wir durch die Fallzusammenführung bei der Wiederaufnahme eines Patienten nach einem operativen Eingriff bei einer aufgetretenen Komplikation ein Element an qualitätsorientierter Vergütung.

Mit den folgenden Beiträgen möchten wir Ihnen die Gelegenheit geben, die unterschiedlichen, sicher nicht allumfassend dargestellten Aspekte von Pay for Performance kennenzulernen. Die Diskussion ist eröffnet – beteiligen wir uns daran!

Autor des Artikels

Profilbild von Joachim Jähne

Prof. Dr. med. Joachim Jähne

Senator der Deutschen Gesellschaft für ChirurgieChefarzt der Klinik für Allgemein- und ViszeralchirurgieDiakovere Friederikenstift und HenriettenstiftMarienstr. 72-9030171Hannover kontaktieren

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