Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat durchaus zur Überraschung der meisten Experten ein klares Bekenntnis zur Freiberuflichkeit des Arztes abgegeben.
Konkret ging es um den Strafvorwurf der Bestechung bzw. Bestechlichkeit bei der Annahme von Geschenken im Zusammenhang mit einer bevorzugten Verordnung bestimmter Medikamente. Nach Auffassung des Gerichts machen sich Kassenärzte, die für die Verordnung von Arzneimitteln Geschenke von Pharma-Unternehmen entgegennehmen, nicht wegen Bestechlichkeit strafbar. Zwar sehen die Richter im konkreten Fall durchaus “korruptives Verhalten” – dies sei jedoch nach geltendem Recht nicht strafbar. In den weiteren Ausführungen wird dies damit begründet, dass der niedergelassene Arzt weder als “Amtsträger” noch als “Beauftragter” der gesetzlichen Krankenkassen handele. Eine Strafbarkeit wegen “Bestechlichkeit” oder “Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr” hätte vorausgesetzt, dass der Arzt entweder “Amtsträger” ist oder zumindest als “Beauftragter” der Krankenkassen tätig wird. Beides sei nicht der Fall, entschieden die elf Richter des Großen Senats. “Der freiberuflich tätige Kassenarzt ist weder Angestellter noch Funktionsträger einer öffentlichen Behörde”, so die Richter. Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient sei “wesentlich von persönlichem Vertrauen und einer Gestaltungsfreiheit gekennzeichnet, die der Bestimmung durch die gesetzlichen Krankenkassen weitgehend entzogen ist”. “Darüber zu befinden, ob die Korruption im Gesundheitswesen strafwürdig ist und durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung ermöglicht werden soll, ist Aufgabe des Gesetzgebers”, heißt es in der Mitteilung des BGH.
Das Urteil bestätigt die Rechtsauffassung der Ärzte, wonach diese eben nicht abhängige Beauftragte der Krankenkassen sind. Im gegenteiligen Fall wäre der Schritt in ein Angestelltenverhältnis nicht mehr weit gewesen. Das heißt nun natürlich nicht, dass Bestechung im Medizinbetrieb nun völlig legal wäre, wie es von entsprechend ausgerichteten Medien mit bösartigem Unterton verbreitet wurde. Unser Berufsrecht besitzt hierzu klare Regelungen, die auch völlig ausreichend sind. Darunter fällt auch die berühmt-berüchtigte „Zuweisung gegen Entgelt“. Kollegen, die Patienten gegen eine „Fangprämie“ in bestimmte Häuser einweisen, machen sich genauso strafbar wie diejenigen, die überhöhte Honorare einstreichen bei den von ihnen in eine bestimmte Klinik geschickten und dort selbst operierten Patienten. Deshalb ist es wichtig, darauf zu verweisen, dass es keinen Freibrief für Bestechung gibt. Wie so oft bei höchstrichterlichen Entscheidungen geht es zwar in der Sache um einen konkreten Einzelfall, die Begründungen im Urteil sind aber von größerer, weil wegweisender Bedeutung. Und hier ist es wichtig, dass der BGH festgestellt hat, dass ein Arzt nicht Beauftragter oder gar Amtsträger einer Krankenkasse ist.
Auch wenn (wie immer) der Gesetzgeber aufgefordert wird, entsprechende Klarheit herbeizuführen, will der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr nach Angaben seines Sprechers nicht an der Freiberuflichkeit der Vertragsärzte rütteln. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jens Spahn hat sich entsprechend geäußert: “Die Freiheit der Ärzte ist eine der Stärken unseres Gesundheitswesens”. Dagegen hat für die SPD deren Gesundheitsexperte im Bundestag, Karl Lauterbach, sofort angekündigt: „Wir werden jetzt einen Gesetzentwurf vorlegen.“ Das hatte die SPD bereits im November 2010 getan, aber bisher nur von der Fraktion der Linken Unterstützung erfahren. Im Strafgesetzbuch solle sichergestellt werden, dass die Korruption von Ärzten bestraft werden kann. Man darf gespannt sein, was nach dem Urteil aus Karlsruhe und insbesondere nach der kommenden Bundestagswahl in diesem Zusammenhang an Gesetzen auf uns zukommen wird.