01.06.2025 Aus-, Weiter- & Fortbildung
BDC-Praxistest: 5 Dos und Don’ts beim Recruiting von Ärzten und Ärztinnen

Vorwort
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in gerade mal 15 Jahren sollen laut Schätzung des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung aus dem Jahr 2024 30.000 bis 50.000 Ärztinnen und Ärzte dem deutschen Gesundheitssystem fehlen. Aber bereits heute ist der Kampf um medizinische Fachkräfte gerade in den chirurgischen Fachdisziplinen deutlich spürbar und die Gefahr von Abwanderungen der Mitarbeiter in andere Kliniken groß. Denn basierend auf einer Studie des deutschen Ärzteverlags aus dem Jahr 2023 mit 3.968 angestellten Ärztinnen und Ärzten sind 82 Prozent der befragten Kolleginnen/Kollegen offen für eine neue Stelle.
Wie kann man diesen „War for Talents“ erfolgreich gestalten und Mitarbeiter langfristig binden? Und warum schaffen es viele Krankenhäuser nicht, diesen Zustand der „Wechselbereitschaft“ zu ihrem Vorteil zu nutzen? Zweifellos, je genauer man seine Zielgruppe kennt, desto effektiver lassen sich Recruiting-Maßnahmen planen und umsetzen. Aber viele Gesundheitseinrichtungen setzen eher auf ihr Bauchgefühl als auf handfeste Erkenntnisse und agieren beim Thema Recruiting „als ob der erste Karl-May-Film TV-Premiere hatte“. Dabei macht ein genauer Blick auf die Bedürfnisse und Anforderungen bei Ärztinnen und Ärzten Sinn, um z. B. eine echte Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, faire Arbeitsbedingungen sowie attraktive Entwicklungsperspektiven anzubieten.
Spannende Lektüre wünschen
Prof. Dr. med. C. J. Krones und Prof. Dr. med. D. Vallböhmer
Gerade im Gesundheitswesen stehen Personalverantwortliche vor nie dagewesenen Herausforderungen – was sollte beim Thema Recruiting unbedingt beachtet werden, um die besten Ärzte und Ärztinnen zu gewinnen?
Ein Blick auf das Heute zeigt: Immer näher rückende Altersruhestände, eine steigende Abwanderung ins Ausland und sinkende Wochenarbeitsstunden stellen Krankenhäuser und Medizinische Versorgungszentren vor erhebliche Herausforderungen im Personalmanagement. Ein entschlossenes Handeln ist notwendig, um die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten. Dies bedeutet auch, dass wir uns bei der Rekrutierung von Ärzten und Ärztinnen auf neue Gegebenheiten einstellen und zukunftsweisende Strategien entwickeln müssen. Was gilt es also beim Recruiting zu beachten, um diesen Herausforderungen wirksam begegnen zu können?
5 Dos
1.Totgeglaubte leben länger: den richtigen Kanal wählen
Ein klassischer Recruiting-Prozess beginnt noch immer meist mit der Stellenanzeige, sehr häufig online. Schließlich ist Print doch tot – oder? Nicht wirklich. Bei Ärztinnen und Ärzten stehen medizinische Fachzeitschriften zur Informationsbeschaffung noch immer hoch im Kurs, gefolgt vom Austausch mit Kolleginnen und Weggefährten sowie der Onlinerecherche. Personalverantwortliche sollten sich entsprechend nicht nur auf einen Kanal verlassen und die Strategie je nach zu besetzender Position anpassen. Mit steigender Hierarchiestufe steigt erfahrungsgemäß auch die Printaffinität.
2.Individuelle Ansprache je nach Fachrichtung
Je nach Fachrichtung gibt es große Unterschiede, was die passgenaue Ansprache betrifft. In der Chirurgie sind beispielsweise 76 Prozent der Ärzte männlich und weit mehr als die Hälfte von ihnen ist über 50 Jahre alt. Mehr als jeder Vierte sogar über 60 Jahre. Im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin sieht es hingegen ganz anders aus: 63 Prozent sind weiblich und mehr als die Hälfte ist jünger als 50 Jahre. Für das erfolgreiche Recruiting braucht es entsprechend eine differenzierte Betrachtung und das Eintauchen in die jeweilige Fachrichtung – es ist unerlässlich, die spezifischen Interessen und Bedürfnisse der Zielgruppen zu verstehen.
3.Know your numbers
Für Personalverantwortliche ist es unerlässlich, den eigenen Markt inklusive aller Daten und Fakten gründlich zu kennen, insbesondere in Bezug auf die Anzahl und Verteilung der Fachärzte in verschiedenen Bereichen. Ein Beispiel: In Deutschland gibt es ca. 2.000 Neurochirurgen im Angestelltenverhältnis – das ist verglichen mit anderen Fachbereichen nicht sehr viel. Die gute Nachricht: Aus Studien ist bekannt, dass rund 80 Prozent der Ärzte und Ärztinnen derzeit offen für einen Jobwechsel sind. Besonderes Augenmerk sollte den latent Suchenden gelten, denn hier findet sich die größte Bereitschaft, eine neue berufliche Herausforderung anzunehmen. Die Recruiting-Maßnahmen gilt es dann entsprechend spitz anzupassen und so auszurichten, dass neben den aktiv Suchenden auch die latent Suchenden Ärzt:innen angesprochen werden.
4.Flexible Arbeitsbedingungen als USP begreifen
Die Arbeitskultur im medizinischen Bereich ist einem nie dagewesenen Wandel unterworfen, angetrieben durch die Bedürfnisse und Ansprüche nachrückender Generationen von Ärzten und Ärztinnen. Und dazu gehören auch die Arbeitsbedingungen: Gerade die 20- bis 35-Jährigen können Kliniken viel mehr mit einer ausgeglichenen Work-Life-Balance locken als mit einem guten Gehalt. Darüber hinaus stehen viele Ärztinnen und Ärzte vor der Herausforderung, Beruf und Familie zu vereinen. In diesem Kontext sind flexible Arbeitsmodelle – wie Teilzeitarbeit, Job-Sharing, flexible Arbeitszeiten oder 4-Tage-Woche – entscheidende Faktoren.
5.Zusammenarbeit beim Recruiting etablieren
Eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Personalbereich und den im Recruiting-Prozess involvierten Chefärzten und Oberärztinnen ist entscheidend. Während Personalverantwortliche durch Wissen über die Zielgruppe und sämtliche USPs punkten können, kennen die Chef- und Oberärzte die Herausforderungen aus der Praxis sehr genau. Es ist essenziell wichtig, dass der Recruiting-Prozess für alle Beteiligten maximal transparent läuft. Beispielsweise dürfen Bewerbungen an den Chefarzt oder die Chefärztin – was gar nicht mal selten vorkommt – nicht dort liegen bleiben und womöglich im Alltagsstress untergehen, sondern sollten unmittelbar mit der HR-Abteilung geteilt werden.
5 Don’ts
1.Das Onboarding vernachlässigen
Mit der Vertragsunterschrift ist der Recruiting-Prozess nicht beendet, denn das Onboarding ist der finale Prozessschritt im Recruiting. Ein strukturierter Onboarding-Prozess vermindert Leerläufe, chaotische Einarbeitungstage und mitunter hohe Nachbesetzungskosten – denn etliche Ärztinnen und Ärzte kündigen innerhalb der Probezeit. Dazu gehören Überlegungen wie: Was braucht die neue Chirurgin, damit sie sich von Anfang an sicher fühlt? Wie können wir dem Assistenzarzt aus dem Ausland helfen, sich schneller zu integrieren? Wen stellen wir dem Neuankömmling zur Seite?
2.Keine Kennzahlen erfassen
Etwa jedes dritte Krankenhaus erfasst keine KPIs im Rahmen des Recruitings. Gerade bei einer spitzen Zielgruppe wie Ärztinnen und Ärzten ist es jedoch wichtig zu wissen, wie effektiv die Rekrutierungsbemühungen sind und nicht nur auf das Bauchgefühl zu vertrauen. Die Erfassung und Auswertung von KPIs ist unerlässlich, um fundierte Entscheidungen zu treffen und das Budget gezielt einzusetzen.
3.Unrealistische Budgets einplanen
Die Rekrutierung von Ärztinnen und Ärzten ist zu einer großen Herausforderung geworden – und ein wesentlicher Faktor, der diese Situation negativ beeinflusst, sind zu niedrige Recruiting-Budgets. Die Folge: Stellenanzeigen landen nicht auf den relevanten Plattformen und Kanälen, um eine ausreichend breite Reichweite zu erzielen. Dabei sind die Kosten für eine unbesetzte Arztstelle deutlich höher als das Budget, was für die Neubesetzung nötig wäre: Eine Oberarztstelle, welche für 100 Tage nicht besetzt werden kann, kostet ein Krankenhaus mehr als 100.000 Euro.
4.Keine mobiloptimierten Bewerbungsformulare
Zwar sind Krankenhaus-Karriereseiten und -Jobbörsen bereits zu rund 90 Prozent mobiloptimiert – das bringt jedoch herzlich wenig, wenn nur knapp die Hälfte aller Bewerbungsformulare auf dem Mobiltelefon nutzbar ist. Entsprechend hoch ist die Abbruchrate. Hier besteht deutlicher Nachholbedarf, da bei der digitalen Jobsuche die Nutzung mobiler Endgeräte auch bei Ärztinnen und Ärzten favorisiert wird (rund 60 Prozent).
5.Langsame Kommunikation
In der digitalen Welt läuft alles schneller. Diese Geschwindigkeit führt folglich auch im Bewerbungsprozess zu einer anderen Erwartungshaltung. Mehr als die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte erwarten innerhalb von sieben Tagen eine Rückmeldung zu ihrer Bewerbung – Absage oder Einladung. Wenn diese Erwartungshaltung nicht erfüllt wird, geht viel Zeit und somit interessante Kandidaten verloren.
Degner K: BDC-Praxistest: 5 Dos und Don‘ts beim Recruiting von Ärzten und Ärztinnen.
Passion Chirurgie. 2025 Juni; 15(06/QII): Artikel 05_01.
Autor des Artikels

Konstantin Degner
Senior Expert Business Development & MarketRecruiting Solutions @ ÄRZTESTELLENDeutscher Ärzteverlag GmbH kontaktierenWeitere aktuelle Artikel
01.10.2020 Rezensionen
Rezension: Illustrated Abdominal Surgery
Illustrated Abdominal Surgery – Based on Embryology and Anatomy of
08.09.2020 Akademie aktuell
HERNIE kontakt – das neue vierte Modul der Hernienschule in kontaktbeschränkten Zeiten
Die Hernienschule ist ein Gemeinschaftsprojekt der DHG und des BDC. Das neue Modul, entwickelt als Webinar, fand großen Anklang und wird im Herbst wiederholt.
01.09.2020 Aus- & Weiterbildung
BDC-Praxistest: Kompetenzbasierte Weiterbildung: Ursprünge, Inhalte und Erfahrungen
Die Qualität der chirurgischen Weiterbildung stellt grundsätzlich einen wesentlichen Faktor für die die Patientensicherheit dar [1–4]. Auch in Deutschland wird das Thema aktuell wieder diskutiert. Der Deutsche Ärztetag hat bereits 2007 eine Weiterbildungsreform für Deutschland beschlossen. Anders als bei den bisherigen Reformen sollte es hier jedoch nicht nur zu einer Anpassung der bisherigen Weiterbildungskataloge, sondern auch zu einer Änderung der Struktur hin zu kompetenzbasierten Inhalten kommen.
01.09.2020 CME-Artikel
CME-Artikel: Das femoroacetabuläre Impingement (FAI) als relevante Differential-diagnose zur Leistenhernie
Die Ursachen von Leistenschmerz sind vielfältig. Differentialdiagnostisch gilt es vor allem, die Leistenhernie, aber auch Erkrankungen des Hüftgelenkes wie das femoroacetabuläre Impingement (FAI) auszuschließen. Darüber hinaus gilt es, muskulotendinöse und vertebragene Schmerzursachen zu berücksichtigen. Das bereits vor mehr als 15 Jahren von der Berner Arbeitsgruppe um Prof. Reinhold Ganz erstmals beschriebene femoroacetabuläre Impingement (FAI) als Ursache von akutem und chronischem Leistenscherz findet erst langsam Eingang in den klinischen Alltag. Pathomechanisch gekennzeichnet durch eine funktionelle Enge zwischen Schenkelhals und Pfannenrand stellt das FAI unbehandelt eine relevante mechanisch bedingte Präarthrose dar und gilt zunehmend als entscheidende Differentialdiagnose zur „klassischen“ Leistenhernie oder der „weichen“ Leiste beim Sportler.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.