Evaluationsergebnisse und Ausblick am Beispiel der Blended-Learning-Kurse zum Hygienebeauftragten Arzt
Hintergrund
Seit 2014 bieten auf Initiative des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen eine Vielzahl fachärztlicher Berufsverbände gemeinsam Kurse zum Hygienebeauftragten Arzt an. Grundlage ist das 40-stündige Curriculum zur strukturierten ärztlichen Fortbildung der Bundesärztekammer. Die Kurse sind im Blended-Learning-Format entwickelt worden und bestehen aus einem 20-stündigen E-Learning-Teil sowie einem 20-stündigen Präsenzteil, der in einem zweitägigen Abschlusskolloquium bundesweit angeboten wird.
Vorteil dieses Angebotes ist neben der kürzeren Abwesenheit das kontinuierliche Lernen nach eigenem Lerntempo. Außerdem können die Inhalte des E-Learning-Teils zwei Jahre lang weiter genutzt werden. Die Teilnehmer erhalten alle Updates und können sich während dieser prolongierten Nutzungsphase in der Learning Community mit anderen Hygienebeauftragten austauschen.
Von 2013 bis 2015 wurde als Basis für den E-Learning-Teil ein klassisches Learning-Management-System (LMS) eingesetzt. In der kontinuierlich durchgeführten Evaluation und in Gesprächen mit den Teilnehmern während der Präsenzphase kristallisierte sich der Wunsch nach Verbesserung des E-Learnings heraus. Darauf wurde mit einer kompletten Neuentwicklung reagiert, die durch die Firma Meduplus ausgeführt wurde.
Ergebnis ist das Smart Learning®-Konzept und ein adaptives Lernsystem, das den komplexen Stoff für den HBA komplett neu aufarbeitet und vermittelt. Durch einen kontinuierlichen Wechsel zwischen Wissensvermittlung und Wissensabfrage wird dabei neu erworbenes Wissen gefestigt und Vorwissen belohnt. Kommt ein Teilnehmer mit umfangreichem Erfahrungsschatz in den Kurs, wird er sich rascher durch den E-Learning-Teil bewegen können, als ein Neuling in der Materie.
Ziel der Smart Learning®-Methode ist es, Wissen mit Spaß zu vermitteln, kontinuierliche Lernanreize zu setzen und den Transfer des erworbenen Wissens in die Praxis zu vereinfachen. Dazu wurde konsequent auf die Nutzung mobiler Endgeräte gesetzt, um später im Berufsalltag jederzeit auf die Inhalte des Kurses als Referenz zugreifen zu können.
Seit 2016 werden die Kurse zum HBA mit Hilfe der Smart Learning®-Methode vermittelt. Die Kurserstellung erfolgte in enger Abstimmung mit der Bundesärztekammer sowie den Fortbildungsabteilungen der Ärztekammer Berlin und der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Der Blended-Learning-Kurs ist als curriculare ärztliche Fortbildung mit 60 CME-Fortbildungspunkten zertifiziert. Auch die Evaluation erfolgt in enger Abstimmung mit der Bundesärztekammer und der Ärztekammer Berlin.
Evaluation digitaler Lernmethoden
Von 2014 bis Mitte 2019 haben ca. 3.000 Kolleginnen und Kollegen den Kurs zum HBA über die Angebote der Berufsverbände absolviert. Von insgesamt 2.791 Teilnehmern konnten Antworten auf die Evaluation ausgewertet werden.
Nicht jeder Teilnehmer beantwortete alle Fragen, sodass die Anzahl an vorliegenden Antworten je nach Frage schwankt. Dies machte sich insbesondere bei dem Vergleich der beiden E-Learning-Methoden bemerkbar. Über 1.000 Teilnehmer hatten die Frage, nach welcher Methode sie den E-Learning-Teil absolviert haben, nicht beantwortet. Deshalb standen uns für die vergleichende Auswertung von klassischem E-Learning und Smart Learning® „nur“ jeweils knapp 1.600 Antworten zur Verfügung.
Abb. 1: Fachärztlicher Hintergrund der Teilnehmer (n=2.617)
71 Prozent der teilnehmenden Ärzte sind in Praxen und MVZ tätig, 25 Prozent in Kliniken. Sie verteilen sich vor allem auf die chirurgischen Fachgebiete, gefolgt von Kolleginnen und Kollegen aus Augenheilkunde, Innerer Medizin, Anästhesie und Dermatologie (Abb. 1).
Die Evaluation erfolgte dem Standard der Ärztekammern entsprechend mit einer Skala „Schulnoten von 1 bis 6“, d. h. von „sehr gut“ und „gut“ bis hin zu „genügend“ und „ungenügend“.
Dabei setzten wir intern eine Wichtung in der Hinsicht, dass alle Evaluationsbewertungen mit „sehr gut“ und „gut“ als akzeptabel galten und alle Bewertungen mit „befriedigend“ oder schlechter als Signal für vorhandenes Verbesserungspotenzial angesehen wurden.
Als sich 2014 und 2015 in der Gesamtbewertung der klassischen E-Learning-Methode zeigte, dass nur knapp die Hälfte (48 %) der Teilnehmer den E-Learning-Teil mit „sehr gut“ oder „gut“ bewertet haben, war das für uns die Motivation zur Entwicklung eines völlig neuen didaktischen E-Learning-Ansatzes. Im Ergebnis wurde die Smart Learning®-Methode entwickelt und 2016 in den Markt eingeführt. Bei identisch durchgeführter Evaluation konnte die Rate an guten und sehr guten Bewertungen in der Gesamtevaluation auf 84 % gesteigert werden (Abb. 2).
Abb. 2: Gesamtbewertung E-Learning HBA (n=1.582)
Auf Anregung der Ärztekammern, die wie auch wir anhand der Kursreihe Erfahrungen mit dem Blended-Learning-Ansatz sammeln wollten, wurde die sonst übliche Fortbildungsevaluation auf deutlich mehr Einzelelemente ausgedehnt.
Die Smart Learning®-Methode hebt sich auch in der Einzelevaluation mit deutlich besseren Ergebnissen von der klassischen E-Learning-Methode ab. Insbesondere Struktur und Aufbereitung der Inhalte sowie das Erreichen der Lernziele wird von den Nutzern des Smart Learnings deutlich besser bewertet (Abb. 3).
Durch kontinuierliche Updates und ein an mobile Endgeräte angepasstes Design wurden für die Aktualität der Inhalte sowie die Flexibilität des Lernens Bestnoten für das Smart Learning® vergeben. Nahezu alle Teilnehmer bewerteten diese beiden Elemente mit „sehr gut“ oder „gut“.
Aufgrund des hohen Anteils an niedergelassenen Kollegen im Kurs fiel die Bewertung der Praxisnähe bei beiden Lernmethoden etwas ab, wurde im Smart-Learning-Arm aber immer noch von zwei Dritteln der Teilnehmer mit „gut“ und „sehr gut“ bewertet. An dieser Schraube ließ sich im Rahmen der Verbesserung aber nur bedingt drehen, da die Inhalte vom Curriculum der Bundesärztekammer vorgegeben werden und recht „kliniklastig“ sind. Hier haben wir vor allem die Präsenzphase der Kurse genutzt, um auf die speziellen Bedürfnisse der Teilnehmer einzugehen.
Abb. 3: Einzelbewertung mit „gut“ und „sehr gut“ (n=1.591)
Auch bei den eher technischen Fragen konnte sich das Smart Learning®-Konzept im Vergleich zum klassischen E-Learning deutlich abheben. Sowohl bei der Einführung zum E-Learning, als auch bei der technischen Umsetzung und dem Support konnte die Nutzerzufriedenheit erheblich gesteigert werden (Abb. 4). Hier hat sich die Einführung einer neuen Nutzeroberfläche sowie die Zusammenarbeit mit Spezialisten im Userinterface-Design in der Entwicklungsphase des Smart Learning® ausgezahlt.
Abb. 4: Einzelbewertung mit „gut“ und „sehr gut“ (n=1.579)
Zusammenfassung
Blended-Learning ist ein geeigneter Ansatz für die Vermittlung komplexer Lerninhalte in der medizinischen Fortbildung. Die Kombination aus E-Learning und Präsenzseminar hebt Effizienzreserven, reduziert Abwesenheiten und hebt durch Harmonisierung von Vorwissen das Niveau der (verkürzten) Präsenzphase.
Im Fall der curricularen ärztlichen Fortbildung zum HBA konnte so die Präsenzzeit halbiert werden und 20 der 40 Stunden als E-Learning absolviert werden.
Aufgrund der Evaluationsergebnisse des zunächst eingesetzten klassischen E-Learning-Systems wurde ein völlig neues elektronisches Lernangebot entwickelt, das im Kern aus einem adaptiven Lernsystem besteht. Diese Smart Learning®-Methode zeichnet sich durch hohe Flexibilität und Aktualität aus, belohnt Vorwissen und vermittelt Freude am Lernen.
Der direkte Vergleich der Evaluationsergebnisse zwischen klassischem E-Learning und Smart Learning® zeigt eine erhebliche Verbesserung der Nutzerzufriedenheit von 48 auf 84 Prozent. Gleichzeitig wird durch den Methodenmix aus E-Learning, kontinuierlicher Wissensabfrage in der Lernphase sowie kontinuierlichen Updates und kurzen Lerneinheiten zur Wiederauffrischung von Teilwissen (sog. Mikro-E-Learnings) ein nachhaltiger Lernerfolg sichergestellt (Abb. 5).
Abb. 5: Nachhaltigkeit durch Smart Learning®
Die Teilnehmer der Kurse zum HBA bleiben auch nach Erhalt des begehrten Zertifikates auf dem aktuellen Stand. Sie sind in der Lage, auf saisonale Herausforderungen ebenso rasch und profund zu reagieren, wie auf kritische Situationen in der eigenen Einrichtung.
Dabei können Teilnehmer auch ihrer Verpflichtung zur Fortbildung nachgeordneter Mitarbeiter nachkommen. Mit adaptierten Smart Learning®-Angeboten wie dem „Grundkurs Hygiene“ oder dem „Update Händehygiene“ können alle Mitarbeiter auf höchstem inhaltlichen und didaktischen Niveau fortgebildet werden. Das initiale E-Learning kann hier mit einer kurzen Inhouse-Fortbildung sowie Mikro-E-Learning-Einheiten je nach Situation, von der Influenza bis zum MRE-Ausbruch ergänzt werden.
Ausblick
Mittlerweile stehen Kurse nach der Smart Learning®-Methode auch für Hygienebeauftragte in der Pflege sowie Hygienebeauftragte Medizinische Fachangestellte zur Verfügung. In Kombination mit den Grundkursen Hygiene, die es für Ärzte, Pflegekräfte und Medizinische Fachangestellte mit adaptierten Inhalten gibt, kann mit Smart Learning® die gesamte Belegschaft von Kliniken, MVZ und Praxen auf höchstem Niveau geschult werden.
Die für diese qualitativ hochwertigen und evaluierten Hygieneschulungen der gesamten Belegschaft eingesetzten Ressourcen an Personal, Zeit und Kosten sind dabei minimal. Die Kurse unterstützen das Hygienienefachpersonal vor Ort und decken den (Pflicht-)Schulungsbedarf mit einem attraktiven und nachhaltigen Lernangebot ab.
Die Vorteile des Einsatzes von E-Learning und Blended-Learning liegen dabei klar auf der Hand (Abb. 6). Durch den Einsatz von cloudbasierten Lösungen ist dafür in der eigenen Einrichtung nicht sehr viel mehr nötig als ein Internetzugang sowie aktuelle Browser. Auch dem Einsatz mobiler Endgeräte steht nichts im Wege, jeder Nutzer kann die Smart Learning®-Kurse auf beliebig vielen mobilen und stationären Endgeräten nutzen.
Abb. 6: Sechs Gründe für den Einsatz von E-Learning
In Kombination mit regelmäßigen Updates und der Option auf Individualisierung der Inhalte entwickeln sich Smart Learning®-Kurse damit von einmal genutzten (Pflicht-) Fortbildungen zu digitalen Referenzwerken, die jederzeit verfügbar sind und Ärzte, Pflegekräfte und MFA wirksam bei der Bewältigung ihres Berufsalltages unterstützen.
Weiterführende Informationen
Smart Learning®-Kurse können über die Akademien der Berufsverbände zu folgenden Themen bezogen werden:
Hygienebeauftragter Arzt, Pflegekraft und MFA
Refresherkurse für Hygienebeauftragte Ärzte, Pflegekräfte und MFA
Grundkurs Hygiene und Update Händehygiene für Ärzte, Pflege und MFA
Medizinische Dokumentation, Schweigepflicht und Datenschutz nach DSGVO für Ärzte und Praxispersonal
Ärztliche Aufklärung (ab drittem Quartal 2019)
Verhalten und Kommunikation im Schadenfall (ab drittem Quartal 2019)
Pflichtschulungen zu Arbeitsschutz, Brandschutz, Basic Life Support u. v. m.
Ansorg J: Drei Jahre Smart Learning® in der medizinischen Fortbildung – Hygienebeauftragter Arzt. Passion Chirurgie. 2019 Oktober, 9(10): Artikel 04_04.
Autor des Artikels
Dr. med. Jörg Ulrich Ansorg
GeschäftsführerBerufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) e. V.ehem. BDC-GeschäftsführerStraße des 17. Juni 106–10810623Berlin kontaktieren
Zu diesem Seminar laden der Berufsverband der Deutschen Chirurgen e. V. (BDC), die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) und Springer Medizin ein. Verletzungen der subaxialen Halswirbelsäule (HWS) sind häufig und können schwerwiegende Folgen haben...
Die 7. Auflage des „von Laer“ kommt in neuem Format, mit neuen Ko-Autorinnen und mit mancher inhaltlichen Veränderungen auf einen Markt, der sich in den letzten Jahrzehnten vielseitiger gestaltet hat. Dennoch gilt dieses Buch in vielen Fachgesprächen, bei Kongressen und in Gutachten sowie bei Gericht als deutschsprachiges Standardwerk der Kindertraumatologie und es gehört sicher unverändert in den Schrank eines jeden kindertraumatologisch aktiven Kinderchirurgen, Unfallchirurgen oder Kinderorthopäden.
Um die chirurgische Fortbildungsreihe der Hernienschule trotz Covid-19-Pandemie aufrecht zu erhalten, wurde das Modul HERNIE kontakt entwickelt. Dieses ermöglicht das Aufgreifen und die Vertiefung aktueller Themen der Hernienchirurgie.
Am 12. November findet wieder ein Livestream zum Thema "News — Epidemiologie — Infektiologie" statt. Sie sind herzlich eingeladen, kostenfrei daran teilzunehmen.
Oftmals wird gerade die fortschreitende medizinische Technik als „Apparatemedizin“ abgekanzelt und dadurch der Eindruck erweckt, die humanitäre Seite des ärztlichen Handelns würde keine Rolle mehr spielen. Der Patient wäre vielmehr ein Spielball des Fortschrittes, benutzt zur Amortisation neuer Geräte und nicht mehr der Kernbereich des ärztlichen Handelns, wo das Lindern von Leiden im Vordergrund stünde. Auch von juristischer Seite her wird dieses Thema zwar weniger emotional, gleichwohl kontrovers diskutiert. So ist die Frage, wie man mit dem Patienten am Ende seines Lebens umgehen darf und muss, vielfach auch Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Beispielsweise ist daran zu denken, wie man als Arzt mit einer vorliegenden Patientenerklärung umgeht. Ist diese rechtlich eher unbedeutend oder vielmehr zwingend bindend?
Voraussetzung kompetenter Chirurgie ist vor allem die kompetente Diagnostik und Analyse. Auf der Suche nach der Therapie des fehlenden Chirurgennachwuches wird gerne an den Ursachen vorbei diagnostiziert. Obwohl die Zukunft der deutschen Chirurgie stets in unseren Händen lag, kam es zu Entwicklungen, die die Zukunftsfähigkeit dieses Faches in Frage stellten.
Die Tatsache, dass „Der Chirurg BDC“, nach seinen Mitteilungen vom September und November 2008 nun bereits ein weiteres Mal die Weiterbildung zum Hauptthema macht, zeigt die Aktualität des Problems. Die Verantwortlichen des Berufsverbandes sind sich des drohenden Chirurgenmangels bewusst und gehen das Problem offensiv an.
Zufriedenheitsanalysen, Umfragen nach studentischen Erwartungen und Diskussionen über die Weiterbildungsstruktur und das Gehalt besetzen seit 2001 fortgesetzt die chirurgische Fachpresse und das Kongresswesen. Noch vor wenigen Jahren hätte ein BDC-Themenheft, das sich nur mit der Weiterbildung von Nachwuchskräften beschäftigt, mehr Kopfschütteln als Interesse ausgelöst. Eine chirurgische Stelle antreten zu dürfen galt als Privileg, das in den nächsten 6 bis 8 Jahren durch jedes Tal der Tränen tragen musste. Doch „dabei sein ist alles“ geht vielleicht noch als olympisches Motto durch – in der klinischen Medizin und ganz besonders in der Chirurgie wollen die jungen Kollegen jedoch nicht mehr nur mitlaufen, sondern siegen.