Warum verhalten sie sich nicht auch so?
Mit großer Genugtuung haben wir vor wenigen Tagen das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Kenntnis nehmen dürfen, wonach Ärzte eben nicht als Amtsträger und abhängige Erfüllungsgehilfen der Krankenkassen tätig werden, sondern ihre Behandlung in freier Entscheidung unabhängig von Vorgaben Dritter durchführen. Natürlich entbindet das nicht von den Sorgfaltspflichten in der Beachtung der Wirtschaftlichkeitsgebote, aber mit diesem Urteil wird (von Experten durchaus unerwartet) nachhaltig die Freiberuflichkeit des Arztes betont. Gleichzeitig ist mit dem letzten Reformgesetz auch die personelle Verzahnung zwischen stationärer und ambulanter Versorgungsebene gestärkt worden; Krankenhausleistungen dürfen jetzt gesetzlich legitimiert (und gewünscht?) von Ärzten erbracht werden, die dort nicht angestellt sind.
Also: alle Wege stehen offen. Aber die Ärzteschaft zögert!
Zugegeben, die notwendigen Verhandlungen mit Klinikträgern über eine Intensivierung der Kooperation sind mühsam und leider immer noch von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Nicht immer steht die Optimierung der Patientenversorgung im Vordergrund, sondern leider oft genug der Wunsch nach finanziellem Vorteil. Nach wie vor sind Fragen der hierarchischen Strukturen bei zusätzlichen externen Ärzten ungeklärt, Fragen der Weiterbildung, der Verantwortlichkeit, letztlich auch Steuerprobleme in der Auszahlung von Honoraren.
Andererseits, wer Neuland betritt, darf nicht erwarten, dort gleich ein dichtes Netz bestens ausgebauter Autobahnen vorzufinden. Die ersten Wegbereiter haben es immer am schwersten, es muss ja nicht gleich so gehen wie im norddeutschen Spruch über die Moorbauern: „des Ersten Tod, des Zweiten Not, des Dritten Brot.“ Inzwischen gibt es genügend Modelle der sektorenübergreifenden Kooperation, die beweisen, dass ein solches Zusammengehen für alle Beteiligten Vorteile bringt, wenn jeder auf den anderen zugeht. Manchmal denke ich, dass unserer BDC-Kampagne „Nur Mut“ für Studenten eine Ausweitung auf die „alten Hasen“ erfahren müsste, um Sie aus eingefahrenen Geleisen auf neue Wege zu locken.
Wir werden auf Dauer gegenüber rein ökonomisch denkenden Verwaltungsmanagern unsere freie ärztliche Entscheidungskompetenz verlieren, wenn wir uns nicht beizeiten darum kümmern, selber deren Denkstrukturen zumindest zu erlernen. Das betrifft sowohl Kliniker, die mit immer neuen Zielvorgaben konfrontiert werden, wie auch Niedergelassene, denen die Krankenkassen (via KV) vorschreiben wollen, was sie wie zu tun haben. Letzteres ist zwar jetzt durch das oben genannten Urteil des BGH begrenzt worden, aber angesichts immer knapper werdender Ressourcen und eines drohenden Zusammenbruchs der sozialen Sicherungssysteme wird auch Gesetzgeber nicht umhin können, die Schrauben wieder fester zu ziehen. Spätestens nach der kommenden Bundestagswahl werden wir erleben, dass erneut versucht wird, über dirigistische Regelungen ein Problem in den Griff zu bekommen, dass eigentlich nur durch grundlegenden Strukturwandel bewältigt werden kann. Dazu wird aber keine Regierung in absehbarer Zeit bereit sein.
Wir müssen selber offensiv Strategien entwickeln, wie wir auch in Zukunft eine hochwertige Medizin verwirklichen können. Das geht nur, wenn wir uns nicht nur auf rein fachliche Aspekte beschränken, sondern intensiv die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen unseres Handelns im Blick behalten. Dazu muss man bereit sein, auch ökonomische Denkstrukturen zu erlernen und vor entsprechend zu handeln. Der Einzelne wird dies nicht mehr schaffen, Kooperation und gegenseitiges Vertrauen sind die Zukunft.