27.07.2025 BDC|News
Unfallchirurg Dr. Jörg-Andreas Rüggeberg über das Verhältnis von Mensch und Maschine im modernen Klinikalltag

Quelle und Erstveröffentlichung am 21./22. Juni 2025 im Weser Kurier, Rubrik Beruf & Karriere. Mit freundlicher Genehmigung vom Weser Kurier. |
Guido Finke: Herr Dr. Rüggeberg, was zeichnet den Beruf des Chirurgen aus?
Jörg-Andreas Rüggeberg: Die Patientenversorgung ist ein sehr dankbares Gebiet der Chirurgie, da im Gegensatz zu anderen Wissenschaften ein unmittelbares Ergebnis erzielt wird. Wir wissen sofort, ob es funktioniert hat oder nicht. Internisten, die Pillen einwerfen, können sich hinterher überlegen, woran es gelegen hat. Wir wissen es sofort und haben ein unmittelbares Erfolgserlebnis – oder auch nicht. Im überwiegenden Teil der Fälle läuft es auch gut.
2000
Fachärzte für Allgemeinchirurgie
BZW. Allgemeine
Chirurgie sind bundesweit tätig
(Stand: 2024).
Es gibt allerdings unterschiedliche Schwerpunkte in der Chirurgie …
Richtig, die Aufgabenbereiche unterscheiden sich. Ich bin Unfallchirurg. Da ist die Herangehensweise in der Regel einfacher, weil die Patienten im Prinzip gesund sind. Wenn sich jemand einen Knochen bricht, setzen wir ihn wieder zusammen und der Patient ist zufrieden. Bei den Bauchchirurgen ist das schon anders. Sie haben im Wesentlichen mit Krebserkrankungen zu tun. In diesem Fall geht es darum, die Erkrankung einzudämmen. Als Chirurg kannst du manchmal machen, was du willst, aber leider kannst du nicht alle Krebspatienten retten. Es ist eben einfach so.
Welche Einsatzgebiete gibt es außerdem?
Dazu gehören Fachärzte für Allgemeinchirurgie, Gefäßchirurgie, Herzchirurgie, Kinder- und Jugendchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Plastische und Ästhetische Chirurgie sowie Thorax- und Viszeralchirurgie. Den Facharzt für Chirurgie, wie es ihn zu meiner Zeit noch gab, gibt es heute nicht mehr. Aufgrund der großen Fortschritte in der Chirurgie ist eine Spezialisierung heute unerlässlich. In manchen Situationen wäre es allerdings hilfreich, wenn ein Arzt alles könnte. Eine Ausnahme ist der Einsatzchirurg der Bundeswehr, der im jeweiligen Krisengebiet Verletzte behandelt.
Sie haben den Fortschritt in der Chirurgie bereits angesprochen. Besonders die künstliche Intelligenz (KI) wird dabei gewiss eine große Rolle spielen.
Ganz klar: Durch KI und robotergestützte Chirurgie wird sich unser Berufsbild deutlich wandeln. Man kann sich das wie bei einem Computerspiel vorstellen: Der Chirurg sitzt vor dem Monitor und operiert mit zwei Joysticks und ein paar Fußpedalen. In diesem Fall erfolgt die Operation (OP) ausschließlich über die technischen Geräte und nicht direkt am Patienten. Idealerweise befindet sich der Patient im gleichen Raum, sodass man in seiner Nähe ist. Er könnte aber auch woanders sein – und damit sind wir beim neuen Thema. Er könnte zum Beispiel in einem Bremer Krankenhaus liegen und von einem Spezialisten aus Boston operiert werden. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist eine sehr stabile Datenverbindung, um die Operation in Echtzeit durchzuführen.
41.839
Ärzte arbeiteten im
vergangenen Jahr
in Deutschland
in der Chirurgie,
davon 10.196 Frauen.
Welche positiven und negativen Aspekte sind mit dem Einsatz von Robotern in der Chirurgie verbunden?
Es sind sehr präzise Geräte, mit denen sich auch komplizierte Operationen durchführen lassen. Einerseits dauern die Eingriffe meistens etwas länger, da die Maschine stets sorgfältig zur entsprechenden Stelle im Körper geleitet werden muss. Andererseits komme ich mit dem Roboter auch an Gegenden, die ich sonst nicht erreichen kann. Außerdem kann ich Dinge sehen, die ich sonst nicht sehen kann. Das Spektrum lässt sich also erweitern. Auch der wirtschaftliche Faktor spielt eine Rolle, denn die Geräte kosten schnell rund 1,5 Millionen Euro. Ein großer Vorteil ist hingegen, dass die KI des Roboters lernfähig ist. Das heißt, wenn sie häufig die gleiche Gallenoperation durchgeführt hat, weiß sie irgendwann, wie es geht. So wird es heute allerdings noch nicht praktiziert. Es ist jedoch vorstellbar, dass Roboter in Zukunft operative Tätigkeiten wie Standardeingriffe übernehmen –selbstverständlich unter Aufsicht, damit im Notfall ein Facharzt eingreifen kann. Darüber hinaus gibt es KI-gestützte Tools, die bei der Diagnoseeinstellung unterstützen können. Das verändert das Berufsbild ein wenig, ändert aber letztendlich nichts an der Tatsache, dass wir die Dinge, die den Beruf des Chirurgen so attraktiv machen, nicht aufgeben werden. In erster Linie geht es um die Frage, ob ein Patient operiert werden muss und wenn ja, wann. Das ist die eigentliche Kunst und das Ärztliche daran. Die OP an sich ist gewissermaßen Handwerk.
Wie sieht die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt für Chirurgen aus?
Grundsätzlich besteht nach wie vor ein großer Bedarf an chirurgisch tätigen Menschen. Das wird – wie man sich leicht vorstellen kann – umso schwieriger in den kleinen Krankenhäusern, die jetzt auch unter der Krankenhausreform leiden und zum Teil wahrscheinlich vom Markt genommen und in andere Strukturen umfirmiert werden. Man kann aber sagen, dass der Beruf zukunftsfähig ist. Es gibt nicht genügend chirurgisch Tätige, um den Bedarf zu decken. Das liegt allerdings auch daran, dass in den Kliniken Personal eingespart wird und die Mitarbeitenden auf dem Zahnfleisch laufen. Aufgrund der finanziellen Möglichkeiten kommt es zu einer gewissen Unterdeckung. Das ist das generelle Problem im Gesundheitssystem: Die Finanzen reichen nicht aus, um den nachgefragten Bedarf zu decken. Da stellt sich die Frage, ob man den Bedarf vielleicht ein bisschen reduzieren sollte. In Deutschland gibt es ein viel zu großes Leistungsangebot. Eine solche breite Palette von Leistungen zu Lasten der Sozialversicherung gibt es nirgendwo sonst auf der Welt. Das ist jedoch ein politisches Problem und hat nichts mit dem Berufsbild des Chirurgen zu tun.
Wie ist das Berufsbild in Bremen aufgestellt?
Es ist schon so, dass die spezifische Konstruktion der kommunalen und privaten Krankenhäuser in Bremen zu einer etwas anderen Arbeitsmarktsituation in den Kliniken führt als andernorts.
386.048
Operationen erfolgten 2023 am Darm (2022: 377.954).
ZUR PERSONDr. Jörg-Andreas Rüggeberg, BDC-Vizepräsident |
Finke G: Unfallchirurg Dr. Jörg-Andreas Rüggeberg über das Verhältnis von Mensch und Maschine im modernen Klinikalltag. Passion Chirurgie. 2025 Juli/August; 15(07/08): Artikel 07_02.
Autor des Artikels

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