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Vor einer gewissen Zeit – vielleicht vor 10, 20 oder auch 30 Jahren – fällten Sie die Entscheidung für den Beruf des Chirurgen (m/w/d). Unterschiedliche Motivation lag diesem Schritt zugrunde: Bei manchen ist es die Freude daran, anderen Menschen zu helfen, bei anderen die Faszination an der Chirurgie oder auch andere spannende Seiten an diesem wunderbaren Beruf. Die wenigsten Chirurgen allerdings wählen den medizinischen Beruf, weil sie die Herausforderung des Führens suchen.

Tatsache ist: Neben der Freude daran, anderen Menschen zu helfen, neben der Faszination für das chirurgische Fachgebiet und den weiteren attraktiven Seiten am Arztberuf, bringt die Position als Chirurg (m/w/d) im Alltag eine oft unterschätzte Aufgabe mit sich:

Sie sind Führungskraft – ob Sie es wollen oder nicht!

Die meisten Chirurgen (m/w/d) finden sich nach ihrem Studium von heute auf morgen völlig unvorbereitet als Chef*in oder zumindest Co-Chef*in wieder und sehen sich urplötzlich damit konfrontiert, Urlaubsanträge zu genehmigen, sachliche Kritik zu üben, Einstellungsgespräche zu führen, die Durchführung von Aufgaben zu kontrollieren sowie funktionierende chirurgische Teams zusammenzustellen und auch zu führen. Dies alles sind ziemlich unmedizinische Tätigkeiten.

Doch ohne ein (funktionierendes) Team läuft keine chirurgische Praxis. Und ja, es gibt die Kollegen/Kolleginnen, denen diese Aufgaben scheinbar leichtfallen und die all das, was da an angenehmen und weniger angenehmen Führungsaufgaben tagtäglich anfällt (und was seine Zeit braucht), mal eben aus dem Ärmel schütteln. Doch Hand aufs Herz: Stimmt das wirklich? Und wie sieht das bei Ihnen aus? Sind Sie beim Führen ein „Aus-dem-Ärmel-Schüttler“?

Sollte Ihre Antwort auf diese Frage ein Kopfschütteln oder zumindest ein leicht verlegenes „Na ja“ sein, seien Sie beruhigt: Sie sind nicht alleine! Den allermeisten Kollegen/Kolleginnen geht es ebenfalls so. Nur redet kaum einer darüber.

„Führen“ ist eine anspruchsvolle Aufgabe, bei der das „Können“ ebenso wenig vom Himmel fällt, wie das Nähen einer Naht. Die gute Nachricht ist: Führen lässt sich lernen – genauso wie die Durchführung eines chirurgischen Eingriffs.

Augen auf und hinsehen – wie führe ich?

Als Allererstes gilt es zu akzeptieren, dass Führungsaufgaben – egal ob und wie sie Ihnen gefallen – mit Ihrer Tätigkeit als Chirurg (m/w/d) fest verbunden sind. Als nächstes heißt es: Augen auf und hinsehen. Was fällt Ihnen beim Führen leicht? Was läuft gut?

Hinterfragen Sie sich selbstkritisch, ob Sie eine gute Führungskraft sind? Wie würde Ihr Praxisteam diese Frage beantworten und wie Ihre Kollegen/Kolleginnen? Was könnten Sie kurzfristig ändern und was sollten Sie vielleicht sogar unbedingt ändern?

Denn wer gute Führungsarbeit leistet, hat nachweislich deutlich zufriedenere Mitarbeiter/innen, viel weniger Fluktuation, ein gesundes Praxisklima und höhere Motivation bei allen Beteiligten. Gelungenes Führen spart darüber hinaus enorm viel Zeit. Zeit, die sonst für Konfliktbewältigung, Kündigungen, Neueinstellungen und Einarbeitungen sowie Patientenbeschwerden etc. verloren geht. Gelungenes Führen schenkt Ihnen deutlich mehr Zeit für die Ausübung Ihrer chirurgischen Tätigkeit, eine höhere Zufriedenheit und mehr Entspannung wie Freude in Ihrem Arbeitsalltag.

Wie funktioniert gelungenes Führen?

Oftmals sind es die kleinen Dinge, die zum wirksamen Hebel werden können. Führen hat viel mit urmenschlichen Bedürfnissen zu tun. Bei den physischen Bedürfnissen und Abläufen sind Sie ohnehin Expert*in, da ist der Sprung auf die (zwischen-)menschliche Ebene nicht so weit. Denn was braucht jeder Mensch, abgesehen von Nahrung, Schlaf und einem Dach über dem Kopf?

Richtig – jeder Mensch braucht Zuwendung, körperliche Zuwendung ebenso wie verbale Anerkennung. Die Forschung und leider auch die traurige Realität zeigen immer wieder, dass Babys und Kleinkinder ohne Zuwendung und Wärme gar nicht gut gedeihen, und dass dieses biologische Grundbedürfnis uns Erwachsenen noch genauso innewohnt. Gerade in der aktuellen Zeit des „Social Distancing“ wird vielen das (wieder) schmerzlich bewusst. In der psychologischen Theorie der Transaktionsanalyse wird dies als „der Hunger nach strokes“ („strokes“ = englisch für „Streicheln“) erfasst. Negative strokes sind immer noch besser als gar keine strokes, weshalb manch einer sich lieber Schläge und Demütigungen abholt, als ignoriert zu werden. Denn das ist am schwersten zu ertragen: gar nicht beachtet und geachtet zu werden.

Für den Führungsalltag heißt das, dass die Redensarten „Nicht getadelt ist genug gelobt“ und „Solange ich nichts sage, ist es ja gut“ zum Glück ausgedient und sich als falsch erwiesen haben. Denn nicht zu tadeln, also nichts zu sagen, kommt der Nicht-Beachtung gleich und kann eine fatale Wirkung haben.

Das Gegenteil von tadeln ist naturgemäß loben und anerkennen. Und wissen Sie was? Loben und anerkennen kostet noch nicht mal etwas – außer, sich ein paar Gedanken zu machen und ein paar (passende) Worte zu sagen. Wenn Sie jetzt denken: „Das mache ich doch schon!“ – hervorragend – vielleicht möchten Sie noch ein Schippchen drauflegen?

Wenn Sie mögen, versuchen Sie einmal Folgendes: Wenn Ihnen bei Ihrer MFA etwas Positives im Praxisalltag auffällt, benennen Sie es ganz bewusst: „Das haben Sie gut gemacht, Frau X. Vielen Dank!“ – „Ihre Idee, die Ablage zu verändern, gefällt mir, jetzt findet sich alles viel schneller wieder.“ – „Die letzte Teamsitzung war wirklich effizient und konstruktiv, meinen Dank an Sie alle.“

Ihnen fällt zu einer Mitarbeiterin beim besten Willen kein positives Feedback ein? Manchmal ist das auf den ersten Blick so, aber dann ist es entweder Zeit, sich daran zu erinnern, warum Sie sich einmal für diese Mitarbeiterin entschieden haben, oder sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen, um ihre positiven Seiten und Fähigkeiten zu erkennen. Ich behaupte kühn: Jeder(!) Mensch hat seine Stärken und guten Seiten, sie wollen nur gesehen und (an)erkannt werden.

Geben Sie positives Feedback von außen an Ihr Team weiter: „Frau Meier hat sich sehr positiv über die freundlichen Mitarbeiterinnen am Empfang geäußert.“ oder „Mein Kollege Dr. Müller sagte neulich, dass unsere Praxis einen super Eindruck auf ihn macht. Dazu tragen Sie alle eine Menge bei – vielen Dank für Ihren Einsatz!“

Lob und Anerkennung zu geben, ist natürlich bei Weitem nicht das einzige Führungsinstrument. Aber ein wesentliches und obendrein eines, das Sie mit wenig Aufwand und ohne Kosten sofort umsetzen können. Wenn Sie sich darüber hinaus weiteres nützliches Handwerkszeug aneignen und Ihr Führungs-Know-how vertiefen möchten, gibt es zielführende Seminare, zum Beispiel bei der Frielingsdorf Akademie. Denn gelungenes Führen braucht ebenso fundiertes Wissen, Instrumente und Erfahrung, wie eine korrekte Diagnose oder eine chirurgische Operation. Führungs-Knowhow vermittelt Sicherheit bei Entscheidungen, höhere Zufriedenheit und eine entspanntere Haltung bei Ihren Führungsaufgaben. Zum Wohle aller Beteiligten.

Van Uelft N. Herausforderung Mitarbeiterführung. Passion Chirurgie. 2020 10(7/8): Artikel 04_02.

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Nadja van Uelft

Lehrbeauftragte der Hochschule für Medien, Kommunikation und WirtschaftMenzelstraße 25, Gartenhaus12157Berlin kontaktieren

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