01.08.2014 Politik
Editorial: Passion Praxis

Vor einiger Zeit wurde ich gebeten, einen Vortrag zum Thema „Lebensqualität niedergelassener Chirurgen“ zu halten. Na ja, einfach, habe ich gedacht, schließlich werde ich in meinem Amt nahezu täglich mit Mails und Briefen aus der Kollegenschaft beglückt, in denen diese mir ihre jeweiligen Probleme, Nöte und Ärgernisse mit der Bitte um Abhilfe oder auch nur bloße Kenntnisnahme zukommen lassen. Nie schreibt jemand, es gehe ihm oder ihr gut, die Arbeit mache Spaß, sei befriedigend oder macht sonst eine positive Äußerung. Also liege ich sicher richtig, im Vortrag auf miserable Umfeldbedingungen, übermäßige Arbeitsbelastung und letztlich unterirdische Lebensqualität zu verweisen.
Aber halt, das kann doch nicht sein, dass mehr als 3.500 Kolleginnen und Kollegen mit Ihrem Schicksal hadern. Ist es wirklich so, dass sich die Freiheit des Niedergelassenen nur an der Länge der Kette bemisst, die ihm um den Hals gelegt ist?
Wie so oft, gibt es in der Beurteilung von Lebensqualität mehrere unterschiedliche Wahrnehmungen, die sich erst in der Zusammenfassung zu einer Art Wahrheit verdichten. Nehmen wir den bekannten Sysiphos. Der muss ohne Hilfen einen schweren Stein bei Wind und Wetter einen steilen Hang hinaufrollen, um oben angelangt den Stein wieder herunterrollen zu sehen und von vorne anzufangen. Es handelt sich um eine monotone, wiederkehrende schwere körperlich belastende Arbeit unter schlechten Umfeldbedingungen ohne greifbaren Erfolg, die jeden Gewerkschaftler zum Streik aufrufen ließe. Andererseits: Sysiphos arbeitet an der frischen Luft, darf sich bewegen und körperlich auftrainieren, kommt immer wieder an einem Höhepunkt an, sieht jeden Meter zurückgelegter Strecke und vor allem geht es immer aufwärts. Wozu also jammern, wenn man die Dinge auch von der positiven Seite sehen kann.
Viel zu lange haben wir Klagelieder angestimmt über fesselnde Budgets, überbordende Bürokratie, lange Arbeitszeiten und schlechte Einkommen. Das Ergebnis: Kaum noch junge Kolleginnen und Kollegen finden den Weg in die Niederlassung, es sei denn, sie finden ihre Arbeitsbedingungen in der Klinik noch schrecklicher. Aber ist die Flucht aus dem Unerträglichen in das Unsägliche eine vernünftige Motivation?
Nein, die Arbeit in der eigenen Praxis ist mit das Schönste, was man in seinem Berufsleben erreichen kann. Man ist frei in seinen Therapieentscheidungen, man kann jeden Menschen ganz individuell nach dessen Bedürfnissen behandeln, man erlebt täglich medizinische und menschliche Erfolge, erlebt Dankbarkeit, Anerkennung und bekommt gelegentlich auch mal eine Tafel Schokolade.
Wozu bin ich Arzt geworden? Doch im Kern aus der Begeisterung heraus, anderen Menschen zu helfen. Genau das kann ich in der eigenen Praxis verwirklichen und zwar genau so, wie ich das will. Natürlich gibt es Ärgernisse genug, aber nicht in der Interaktion mit meinen Patienten. Überlassen Sie den Kampf mit den Institutionen doch Ihrem Berufsverband und widmen sich Ihrem Hobby. Denn Arbeit ist dann keine Belastung mehr, wenn sie Spaß macht. Es ist mehr eine Frage der Einstellung. Wer nur die Nachteile sieht, hat zwar Recht, aber leidet. Wer das Positive sucht und findet, für den ist der Einstieg in die eigene Praxis die Erfüllung eines Lebenstraums. Ich für meinen Teil habe meine Entscheidung niemals bereut und werde, so ich gesund bleibe sogar über das Rentenalter hinaus meiner Passion frönen.
Autor des Artikels

Dr. med. Jörg-Andreas Rüggeberg
Vizepräsident des BDCReferat Presse- & Öffentlichkeitsarbeit/Zuständigkeit PASSION CHIRURGIEPraxisverbund Chirurgie/Orthopädie/Unfallchirurgie Dres. Rüggeberg, Grellmann, HenkeZermatter Str. 21/2328325Bremen kontaktierenWeitere aktuelle Artikel
11.09.2019 Politik
“Jeder Mitarbeiter in med. Einrichtungen hat ein Recht, vor Infektionen geschützt zu werden!”
Zum diesjährigen Welttag der Patientensicherheit am 17. September 2019 fordert der BVMed-Fachbereich "Nosokomiale Infektionen" (FBNI), dass in Kliniken, Pflegeheimen und ambulanten Einrichtungen noch mehr Anstrengungen für besseren Infektionsschutz und damit für mehr Patientensicherheit unternommen werden.
10.09.2019 Krankenhaus
VDK: Scheitern mit Ansage – Folgen der Personaluntergrenzen
Es ist genauso gekommen, wie es der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) aus seiner Kenntnis der Praxis vor einem Jahr vorausgesagt hat: Das Kind wurde mit dem Bade ausgeschüttet.
05.09.2019 BDC|News
Replik des BDC auf Leitartikel vom BNC
Das Themenreferat für Niedergelassene des BDC nimmt Stellung zum Leitartikel des BNC, worin Dr. Schüürmann offen zum Austritt aus dem BDC aufruft.
05.09.2019 Politik
Finanzergebnisse der Krankenkassen im 1. Halbjahr 2019
Um ihre Rücklagen abzubauen, haben die gesetzlichen Krankenkassen im ersten Halbjahr 2019 mehr ausgegeben, als sie durch Beitragszahlungen ein-genommen haben. Trotzdem liegen ihre Finanzreserven immer noch bei rund 20,8 Milliarden Euro. Das zeigt die aktuelle Krankenkassen-Statistik. Im Durchschnitt entspricht dies etwa einer Monatsausgabe und damit etwa dem Vierfachen der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.