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Die Karriere endlich auf den direkten Weg bringen

Der Flyer zum Führungskräfteseminar für Chirurginnen lag unerwartet in der Post. Meinen ersten Gedanken: „Ist das was für mich? Brauche ich das etwa?“ teilte ich offensichtlich mit vielen Kolleginnen, wie sich in dem ersten Seminarteil heraus stellte. Die Gründe für die Teilnahme waren so mannigfaltig wie die unterschiedlichen Erwartungen.

Es gab Kolleginnen, die Tipps und Tricks für einen besseren Umgang mit männlichen Kollegen suchten, das Ziel anderer war der stressfreie Umgang mit dem Chef, ein weiterer Antrieb war der Wunsch, die Karriere endlich auf den direktem Weg zu bringen.

Die erhoffen präzisen Anwendertipps blieben aber zunächst aus. Wir mussten uns erarbeiten, was es heißt, Karriere zu machen und im besten Fall eine gute Chefin zu sein. Dass es dafür erforderlich ist, Ziele klar zu definieren, den Weg dahin zu planen und die Durchsetzung der Entschlüsse zu verfolgen, war eine wesentliche Erkenntnis. Am Ende gab es dann doch noch die erhofften präzisen Anwendertipps.

Im zweiten Modul konnten einige Kolleginnen schon von großen und auch kleineren Erfolgen berichten. Bei fast allen hatte das erste Modul einen großen Energieschub ausgelöst.

Wir erarbeiteten weitere wichtige Voraussetzungen: Wie kann ich mich abgrenzen, wie kann ich ein gutes Nein definieren und auch aussprechen.

Für viele Frauen, so zeigte das dritte Modul, ist es eine Herausforderung, die eigenen Leistungen souverän darzustellen. Sie halten es oftmals für selbstverständlich, dass alles, was sie tun, ohnehin anerkannt wird.

Es bleiben zwei Fragen:

1. Ist eine solche Veranstaltung speziell für Chirurginnen erforderlich?

Sicherlich, denn Frauen machen andere Erfahrungen und tauschen sich auch anders aus als Männer. Somit war die männerfreie Zone wichtig.

2. Müssen die Chirurgen nun Angst vor uns haben?

Die Antwort ist ein klares JEIN. Denn darum geht es nicht. Es geht darum, dass wir Frauen die Chirurgie auch nach unseren Wünschen gestalten. Es ist erforderlich, dass sich die Geschlechterverteilung in der Berufsgruppe, auch prozentual in den Chefetagen widerspiegelt. Nur so kann die Zufriedenheit und damit zwangsläufig die Qualität der Arbeit gesteigert werden. Und das sollte ein Ziel für alle ChirurgInnen sein!

Petra Boesing

Energieschub schon zwischen den Modulen

Die Erwartungen waren sehr unterschiedlich (wie wir uns später erzählten). Ein Führungskurs nur für Frauen. Worin wird er sich von den herkömmlichen Kursangeboten unterscheiden? Es hatte keine eine konkrete Vorstellung. Was waren die Gründe für die Anmeldung? Ganz unterschiedlich. Viele waren neugierig. Aber einige haben auch im Alltag Probleme mit ihren männlichen Kollegen und erhofften sich Tipps und Tricks für den besseren Umgang, den stressfreieren Alltag mit Chefs und Kollegen. Andere wollten das Geheimnis ergründen, warum sie immer für die lästigen Zusatztätigkeiten erwählt werden.

Was dann kam, war von einigen sicher so nicht erwartet. Statt der erhofften Kochrezepte, stand am Anfang die Arbeit mit sich selbst. Das Erkennen, dass am Anfang von Karriere und Durchsetzung zu allererst der Entschluss dazu steht – und die klare Definition von Zielen.

Das war nicht so leicht wie gedacht. Alleine das laute Aussprechen eines klar formulierten Etappenziels bis Ende des Jahres stellte eine Herausforderung dar. Aber es machte eins deutlich: Manche von uns hatten es sich doch in der bequemen Ecke sehr gemütlich eingerichtet. Es galt sich selbst als Aktivposten zu erkennen, den eigenen Wert zu definieren. Dann würden die Kollegen und der Chef das möglicherweise ebenfalls erkennen. Die Empfehlung war, bei jeder Intensivvisite die Meinung zu äußern und in jeder Konferenz aufzustehen und etwas zu sagen. „Schreiten, nicht huschen!“. Sich selbst sichtbar machen.

Ein weiterer großer Benefit entstand durch den Austausch der Teilnehmerinnen untereinander. Das Motto des „geschützten Raums“ ließ eine sehr offene und vertrauensvolle Atmosphäre entstehen. Es wurde deutlich, dass man mit vielen in einem Boot sitzt. Einige hatten Probleme, die man selbst für sich schon gelöst hatte. Wieder andere hatten für das eigene Problem gute Tipps und Hinweise. Es war in diesem Rahmen einfacher, die Perspektive zu wechseln. Schon allein das lässt einen größeres Vertrauen zu der eigenen Situation fassen. Und das bewirkte, dass man wuchs, größer wurde, mutiger, entschlossener.

Zwischen den Modulen berichteten einige Teilnehmerinnen von einem richtiggehenden Energieschub. Es wurden Entscheidungen getroffen, Stellen gewechselt, Vorträge gehalten, und manche schafften es, sich in ihrem Aufgabengebiet besser abzugrenzen und nicht immer etwas zu tun, was in der Abteilung liegen geblieben war. Ein „gutes Nein“ definieren und aussprechen.

Braucht man nun einen Kurs speziell für Frauen? Aus unserer Teilnehmerinnensicht kann man nur „ja“ sagen. Denn Frauen verhalten sich anders als Männer. Das hat Vor- und Nachteile. Es führt aber bei vielen zu ähnlichen Herausforderungen. Das Wort „Macht“ etwa wird von Frauen viel negativer besetzt. Mit so etwas möchte man sich nicht identifizieren. Über das „Warum“ hatte noch keine von uns nachgedacht. Eine solche Runde kann helfen. So wurde die am Anfang höchst kritisch bewertete klar definierte Führungsrolle nach genauer Betrachtung von vielen doch als eher vorteilhaft erkannt.

Muss jetzt um die männliche Weltherrschaft gefürchtet werden? Nein – oder zumindest nur ein bisschen. Mein Chef wird sich jedenfalls freuen, eine gelassene, zielorientierte Mitarbeiterin zu haben. Gelassen, da sie nun ihren Wert kennt und sich entsprechend abgrenzen kann. Zielorientiert, weil sie ihren Weg kennt und gelernt, hat sich energieschonend durchzusetzen.

Dr. med Petra Kühn

Boesing P./ Kühn P. Erfahrungsberichte: Seminar Chirurginnen auf dem Weg nach oben. Passion Chirurgie. 2012 Juli/August; 2(07/08): Artikel 02_09_02.

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Passion Chirurgie 08/2012

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