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Rund 64 Prozent der Medizinstudierenden sind heute weiblich. Um den jungen Nachwuchs für das Fachgebiet der Herzchirurgie zu begeistern und junge Kolleginnen in Fort- und Weiterbildung effektiv zu unterstützen, wurde bereits 2020 das Netzwerk der Herzchirurginnen in der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. gegründet. Es bietet Herzchirurginnen eine fundierte Plattform für den themenübergreifenden Austausch, praxisorientierte Workshops und die berufliche Interessenvertretung. Geleitet wird das Netzwerk von den drei Herzchirurginnen und Initiatorinnen Prof. Dr. Sabine Bleiziffer, Privatdozentin Dr. Gloria Färber und Prof. Dr. Claudia Schmidtke.

Das Thema Nachwuchs in der Herzchirurgie

Nahezu jedes medizinische Fachgebiet muss sich akut mit dem Thema Nachwuchs auseinandersetzen. „Wer das Fachgebiet der Herzchirurgie wählt, braucht einen langen Atem“, weiß Prof. Dr. Sabine Bleiziffer, eine der Gründerinnen des Netzwerks Herzchirurginnen. Die leitende Oberärztin sieht in dem Netzwerk die Möglichkeit der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung. Die Netzwerkgründerinnen Bleiziffer, Färber und Schmidtke werden regelmäßig Workshops für angehende und Herzchirurginnen anbieten und ein Mentorinnen-Programm etablieren. Die Fragen des Nachwuchses sind allerdings genderübergreifend: Weiterbildungschancen und Karriere, Work-Life-Balance und familiengerechtes Arbeiten beschäftigen Frauen wie Männer in der Herzchirurgie. „Wollen wir jedoch gerade Medizinstudentinnen und junge Ärztinnen für das Fachgebiet gewinnen und Kolleginnen fördern, brauchen wir dieses stabile und tragende Netzwerk“, betont die Führungs-Trias. „Das bekommen wir auch gespiegelt und die Resonanz zeigt, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind.“ Schmidtke fügt hinzu: „Bedenken wir, dass derzeit das Medizinstudium in nahezu 65 Prozent von Frauen begonnen wird, so muss die Herzchirurgie zukünftig für Ärztinnen attraktiver werden.“

Frauenanteil in der Herzchirurgie erhöhen – weiblichen Nachwuchs fördern

Einer im Netzwerk initiierten Umfrage zufolge sind im Bundesgebiet im Fachgebiet der Herzchirurgie 34 Prozent der Fachkräfte Assistenzärztinnen, 28 Prozent Fachärztinnen und 12 Prozent Oberärztinnen. Nur ca. 10 Prozent der Leitungspositionen innerhalb der Herzchirurgie sind mit Frauen besetzt. In den 78 etablierten bundesweiten herzchirurgischen Einheiten gibt es keine einzige Chefärztin. „Die Herzchirurgie ist ein absolut spannendes und faszinierendes Fachgebiet“, betont Herzchirurgin Bleiziffer. „Immerhin hat sich in den letzten zehn Jahren der Frauenanteil verdoppelt. Es geht zwar schon in die richtige Richtung, aber es bleibt noch viel zu tun. Das gilt übrigens auch für weitere chirurgische Fachgebiete. Frauen machen gleich gute Arbeit auf dem Fachgebiet der Herzchirurgie. Das ist unumstritten. Jetzt müssen wir weiter daran arbeiten, dass Frauen im herzchirurgischen Fachgebiet ankommen und vor allem bleiben.“

Auftaktveranstaltung der Praxisseminare: Frauen trainieren Frauen in der Herzchirurgie

Erstmalig veranstaltete das Netzwerk der Herzchirurginnen das speziell auf den weiblichen Nachwuchs in der Herzchirurgie ausgerichtete Seminar Herzchirurgie-Praxis: Frauen trainieren Frauen. Im Langenbeck-Virchow-Haus konnten zwölf Assistenzärztinnen in fortgeschrittener Weiterbildung und junge Fachärztinnen die persönliche Weiterentwicklung der individuellen herzchirurgischen Operationstechniken in Form von Hands-on-Übungen am Schweineherz trainieren. Privatdozentin Dr. Gloria Färber verantwortet dieses praktische Seminar: „Hier wurden sowohl verschiedene Anastomosen-Techniken aus dem Bereich der koronaren Bypass-Chirurgie als auch unterschiedliche Optionen zur Aorten- und AV-Klappen-Chirurgie individuell zugeschnitten in Kleingruppen trainiert. Die praktischen Einheiten wurden auf erfrischende Weise durch kurze Theorie-Parts und durch interaktives Coaching rund um das Thema Soft Skills, Karriere und Self-Marketing ergänzt.“ Als weitere erfahrene und etablierte Herzchirurginnen begleiteten Prof. Dr. med. Sabine Bleiziffer, Prof. Dr. med. Claudia Schmidtke, Privatdozentin Dr. med. Julie Cleuziou und Dr. med. Jasmin Hanke das Seminar als Referentinnen und Tutorinnen. Dr. med. Shirin Mansouri und Sabine Schicke unterstützten mit Einblicken aus dem Bereich Coaching, Karriere und Marketing. „Bereits beim ersten Seminar hätten wir die dreifache Teilnehmerinnenzahl schulen können. Wir haben uns jedoch bewusst für kleine Ausbildungseinheiten entschieden, die wir gezielt trainieren können“, erklärt das Team des Netzwerk Herzchirurginnen. „Weitere Workshops sind geplant, um den Anfragen gerecht zu werden.“

Abb. 1: Frauen trainieren Frauen – erstes Praxisseminar mit zwölf Teilnehmerinnen, initiiert vom Netzwerk Herzchirurginnen: PD Dr. Gloria Färber (links), Dr. Laura Gutierres Roman; (Mitte mit Lupenbrille) und Dr. Che von Wardenburg (rechts)

Für Frauen – das Netzwerk in der Herzchirurgie

Chancengleichheit und Gleichbehandlung sollten im 21. Jahrhundert in allen beruflichen Bereichen gegeben sein. Die Entscheidung sollte nach Qualifikation und Qualität fallen. Im klinischen Umfeld zeigt sich oftmals noch Verbesserungsbedarf, diesem will das Netzwerk der Herzchirurginnen z.B. mit Workshops und Mentoring-Programmen begegnen. „Wir wollen gezielt Ärztinnen fördern. Der Trainingseffekt in rein weiblichen Seminaren ist deutlich höher. Das Selbstbewusstsein wird gestärkt; die Kommunikationsfähigkeit geschult“, sagt PD Dr. Gloria Färber, Beisitzerin im Vorstand der DGTHG. Künftig soll das Mentorinnen-Programm Kolleginnen noch individueller in der Herzchirurgie begleiten. Ziel: Mehr Frauen an den OP-Tisch zu bringen. Das Netzwerk will aber nicht nur die chirurgischen Fähigkeiten fördern, sondern macht es sich darüber hinaus zur Aufgabe, bei der Karriereplanung zu unterstützen, Forschungsmöglichkeiten zu fördern und den Diskurs zum Thema Familie und Beruf auf die berufspolitische Plattform der DGTHG zu heben. Dabei gehen die gestandenen Herzchirurginnen den jungen Kolleginnen und Studierenden mit positivem Beispiel voran. „Die Vereinbarung von Familie und Beruf ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das Thema ist zwar in der Politik angekommen, dennoch braucht es Best-Practice-Vorbilder und Ideen, wie beispielsweise Forschung und Familie neben der klinischen Tätigkeit Bestand haben können. Der Austausch von Erfahrungen und kreativen Lösungsansätzen im Netzwerk soll jede einzelne unterstützen“, so Prof. Dr. Schmidtke. „Jede Kollegin ist uns herzlich willkommen, um ihre Erfahrungen einzubringen, aber eben auch um Unterstützung zu erhalten“, so die Herzchirurgin.

Abb. 2: Anleitung Bypass-Chirurgie am Schweineherzen durch PD Dr. med. Julie Cleuziou. Frau Dr. Agunda Chekhoeva (links), PD Dr. Julie Cleuziou, Fabienne Plaßmeier (rechts)

Heterogenität ist ein Erfolgsfaktor in der Arbeitswelt

Eine gesündere und arbeitsklimaverbessernde Gruppendynamik und eine verbesserte Entscheidungsqualität gehen mit gemischten Teams einher. Dies bestätigte das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW)/2017) und die Unternehmensberatung McKinsey mit ihrer Studie „Diversity wins“ in Kooperation mit der AllBright-Stiftung, die für 1039 Unternehmen in 15 Ländern durchgeführt wurde. Demnach ist Heterogenität ein Erfolgsfaktor in der Arbeitswelt. Es lohnt sich also, geschlechtergerecht zu sein. Arbeitsklima, Umgangston und Kommunikation sind laut dieser Studie positiver.

DGTHG unterstützt das Netzwerk

„Als Netzwerk sind wir fest in der DGTHG etabliert“, sagen die Fachärztinnen Bleiziffer, Färber und Schmidtke. „Hier erfahren wir die Unterstützung, die notwendig ist, um unser Anliegen weiter voranzubringen: den weiblichen Nachwuchs im Fachgebiet Herzchirurgie qualitativ und quantitativ zu stärken.“ Die Chirurgie im Allgemeinen ist bekannt als Fachgebiet, das Mut und Forschungsdrang erfordert. Dies kann und wird sie jetzt auch bei der Frauenförderung in der Herzchirurgie beweisen können – und müssen.

Dabei betonen die etablierten Herzchirurginnen mit einem Augenzwinkern: „Im Klinikalltag bilden wir natürlich auch Männer aus …!“

Abb. 3: Netzwerk Herzchirurginnen im Virchow-Langenbeck-Haus, Charité Campus Mitte, Berlin; Prof. Dr. Sabine Bleiziffer (vorderste Reihe, Dritte v.l.) neben Privatdozentin Dr. Gloria Färber (vorderste Reihe, Vierte v.l,)

Regina Iglauer-Sander

Pressereferentin

Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG)

[email protected]

Chirurgie+

Iglauer-Sander R: Netzwerk Herzchirurginnen fördert weiblichen Nachwuchs und initiiert praxisorientierte Seminare. Passion Chirurgie. 2022 April; 12(04): Artikel 09_01.

Diesen Artikel finden Sie auf BDCOnline (www.bdc.de) unter der Rubrik Wissen | Panorama.

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Weiterführende Informationen

Netzwerk Herzchirurginnen
Studie Diversity wins

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