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Nachfolgend wollen wir mit Ergebnissen aus Studien Klarheit in die Diskussion bringen, oder aber ggf. auch Forschungsbedarf aufzeigen. Klar ist, daß wir die meisten der aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit Mindestmengen in der Medizin nur durch gute Versorgungsforschungsstudien beanworten werden können.

Wohnortnahe Versorgung?

Die diesbzüglichen Studien sehen insgesamt nur wenig Evidenz für die Gefährdung der wohnortnahen Versorgung, auch wenn sich zum einen die Entfernung zur nächstgelegenen Klinik teilweise verlängert hat und zum anderen regionale Besonderheiten eine Rolle spielen. Spannend an der Diskussion ist jedoch die Tatsache, dass „wohnortnah“ nicht abschließend definiert ist. Patienten in Finnland oder (Nord-)Schweden werden sehr wahrscheinlich ein ganz anderes Verständnis von wohnortnaher Versorgung haben, als wir es in Deutschland haben. Eine Möglichkeit sich dieser Thematik anzunähern ist die Erfassung von diesbzüglichen Patientenpräferenzen. Bereits jetzt nehmen Patienten freiwillig längere Wege in Kauf anstatt in ihr wohnortnächstes Krankenhaus zu gehen. Hier stellt sich unmittelbar die Frage nach dem akzeptablen/gewünschten Trade-off zwischen Entfernung und gutem Behandlungsergebnis. Solche Studie liegen international bereits vor, unseres Wissens jedoch noch nicht für Deutschland.

Kontinuität der Versorgung?

Die Erreichbarkeit von nachsorgenden Zentren und Ärzten kann durch eine größere Distanz erschwert sein. Dies hört sich insofern plausibel an, als dass Ärzte wenig Anreize haben werden, sich in Regionen anzusiedeln, wo kein Krankenhaus mit dem entsprechenden Leistungsspektrum in der Nähe ist. Dies sind jedoch alles theoretische Überlegungen zu denen kein gesichertes Wissen aus Studien vorliegt.

Koordination der Versorgung?

Es wird hinterfragt, ob sich bestehende Kooperationen zwischen Krankenhäusern und Ärzten durch die Einführung von Mindestmengen verändert haben. Auch diese Frage ist aber nicht ausreichend beforscht, um die These zu beantworten.

Indikationsausweitung?

Eine durch die Mindesmengeneinführung bedingte Indikationsausweitung erscheint wahrscheinlich. Mehrere Studien weisen daraufhin, dass gerade jene Krankenhäuser, die vor Einführung einer Mindestmenge diese nicht erreicht hätten, nach Einführung der Mindestmenge knapp oberhalb des benötigten Schwellenwerts liegen. Ähnliche Erfahrungen liegen auch aus dem Ausland vor.

Gefährdung der Notfallversorgung?

Diese Frage hängt unweigerlich von der analysierten Prozedur ab, da bestimmte Eingriffe für den Operateur schwieriger durchzuführen sind als andere. Die Fragestellung ist aus Versorgungssicht hoch interessant, wie auch relevant. Es fehlen nur leider bislang Studien, die hierauf eine Antwort geben könnten.

Sogwirkung durch Mindestmengen?

Die These besagt, dass das Durchführen bzw. Nichtdurchführen eines Eingriffs aufgrund einer bestehenden Mindestmengenregelung Auswirkungen auf die Attraktivität eines Krankenhaus hat. Ein solcher Verlust an Attraktivität kann zur Folge haben, dass die Wirkungen auch außerhalb der von den Mindestmengen betroffenen Bereichen spürbar werden, z. B. in Form einer geringeren Anzahl an Einweisern. Diese Befürchtungen sind von Krankenhäusern in Umfragen des öfteren geäußert worden, jedoch ohne dass diese auch empirisch überprüft worden wären. Zudem wurden die existierenden Befragungen kurz nach der Mindestmengenregelung durchgeführt, sodass ein Mangel an aktuellen Daten herrscht, um die langfristigen Auswirkungen untersuchen zu können.

Leistungsverlagerungseffekte?

Können Krankenhäuser aufgrund einer nicht erreichten Mindestmenge eine Prozedur nicht mehr erbringen, stellt sich die Frage, was mit den bis dato aufgewendeten Ressourcen geschieht. Es kann vermutet werden, dass Krankenhäuser versuchen, Prozeduren, die sie nicht mehr durchführen können, durch eine Ausweitung anderer Prozeduren zu „kompensieren“, was mit einer Indikationsausweitung einhergehen kann, aber nicht muss.

Fazit

Viele der genannten Aspekte sind sehr interessant und sollten mit Forschungsergebnissen unterlegt werden. Letztendlich darf bei dieser Debatte jedoch nicht vergessen werden, dass Leistungsmengen allein nur ein Surrogatparameter sind. Den Fokus allein auf die Fallzahlen zu legen ist nicht ausreichend, denn es gibt sehr wohl Krankenhäuser, die trotz hoher Fallzahl schlechte Qualität erbringen, wie auch Krankenhäuser, die bei geringer Fallzahl sehr gute Qualität erbringen. Hinter der reinen Fallzahl stecken Strukturen und Prozesse und diese gilt es in Zukunft näher zu analysieren. Dies ist eine Herausforderung für die Versorgungsforschung, die sie meistern kann, wenn, wie im Koalitionsvertrag ausgeführt, die finanziellen Mittel tatsächlich zur Verfügung gestellt werden.

Literatur beim Verfasser.

Original-Artikel „Mindestmengen in der Medizin – gemeinsames Symposium der DGCH und des BDC“ aus Passion Chirurgie 09/2013

Pieper D. / Neugebauer E. Leserbrief zum Artikel Mindestmengen in der Medizin. Passion Chirurgie. 2014 Februar; 4(02): Artikel 09_04.