01.10.2011 Leserbriefe
Leserbrief zu den Artikeln “Neuregelung des D-Arzt-Verfahrens” und “Der Arzt als Gutachter” (E. Hierholzer) in Passion Chirurgie 04/2011
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Hierholzer,
ich nehme Bezug auf die in der Zeitschrift „Passion Chirurgie”, 2011, veröffentlichten Beiträge.
Durch die Neugliederung des D-Arzt-Verfahrens werden die zukünftigen Anforderungen an Qualität und Fortbildung erhöht. Die niedergelassenen Durchgangsärzte sind gern bereit, die Anforderungen zu erfüllen. Dies setzt aber eine deutliche Verbesserung der Vergütung und eine nachhaltige Überarbeitung der UV-GOÄ im Sinne einer Korrektur der Vergütung nach oben voraus.
Wenn die gesetzlichen Unfallversicherungsträger erhöhte Leistungen einfordern, müssen sie auch bereit sein, diese entsprechend zu honorieren. Die im ambulanten Bereich stetig zunehmenden Anforderungen an Qualitätssicherungsmaßnahmen, Dokumentation und Hygiene sowie die Einbußen im RLV im chirurgischen Bereich haben viele Praxen in existentielle Notlagen gebracht. Wir haben Verantwortliche im Gesundheitswesen und der Politik in persönlichen Schreiben darauf aufmerksam gemacht.
Zu den, in der UV-GOÄ verankerten Preisen, können die erwarteten Leistungen nicht angeboten werden, da sie den tatsächlichen Rahmenbedingungen, sowie den Lohn-, Miet- und Nebenkostenpreisen in Ballungszentren keine Rechnung tragen.
Es ist realitätsfern und grotesk, dass z. B. die Punktion eines Kniegelenkes (Ziffer 301) für 13,74 Euro erbracht werden soll. Zu diesem Preis erhält man in Düsseldorf noch nicht einmal einen Haarschnitt. Dafür soll der Eingriff fachmännisch unter Berücksichtigung aller Auflagen und selbstverständlich mit einer im Hintergrund abgeschlossenen Haftpflichtversicherung, deren Beiträge kontinuierlich steigen, dargestellt werden. Dies ist schlichtweg unmöglich.
Insbesondere für ambulant tätige Operateure stellt die UV-GOÄ in der aktuellen Fassung ein unlösbares Problem dar, weil Eingriffe zu den dort genannten Konditionen ambulant nicht wirtschaftlich zu erbringen sind. Dazu kommt eine spürbare Tendenz, nur noch den Haupteingriff zu bezahlen und alle Nebeneingriffe darunter zu subsummieren. Dabei wird das Zielleistungsprinzip großzügig zur Kostensenkung ausgelegt, weil man sich darauf verlassen kann, dass Ärzte selten oder gar nicht gegen die Unfallversicherer Klage führen werden.
Viele operative Leistungen werden selbst im kassenärztlichen Bereich besser honoriert als im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherungen, ein inakzeptabler Zustand.
Jetzt sollen weitere Zusatzqualifikationen und Fortbildungen erbracht werden, natürlich finanziert durch den D-Arzt. Die Unfallversicherungsträger fordern mehr, bieten aber selbst weniger an. Früher konnten die D-Ärzte in NRW an einer jährlichen Fortbildung, die durch den Landesverband finanziert wurde, teilnehmen. Diese Fortbildung wird jetzt in Düsseldorf nur noch alle zwei Jahre angeboten, das bedeutet, dass sämtliche D-Ärzte aus NRW nach Hamburg oder Mainz ausweichen müssen, selbstverständlich auf eigene Reise- und Hotelkosten.
Die Qualität der Gutachter soll durch zusätzliche Qualifikationen verbessert werden, die kostenpflichtig erworben werden müssen. Das BDC-Gutachterseminar kostet derzeit für Mitglieder 370 Euro, für Nicht-Mitglieder 520 Euro. Damit ein solches Seminar besucht werden konnte, ich habe es selbstverständlich bereits absolviert, musste ich also ca. 10 Rentenversicherungsgutachten durchführen, um nach Steuern die Seminargebühren bezahlen zu können. Von den Anfahrts-, Übernachtungs- und Nebenkosten einmal abgesehen. Halten Sie das für angemessen?
Sie können sich gern orientieren, zu welchen Preisen staatlich vereidigte Sachverständige Gutachten erstellen. Wir wissen es sehr genau, während wir zu Preisen von 67 Euro Körperschäden begutachten, von unfallunabhängigen Erkrankungen differenzieren und prognostisch einschätzen sollen, sowie ggfs. die Minderung der Erwerbsfähigkeit angeben und damit evtl. eine lebenslange Rentenzahlung im Wert von zig 10.000 Euro verantworten, erhält ein Kfz-Sachverständiger, der den Blechschaden des gleichen Unfalls beurteilt, in der Regel ein Vielfaches an Honorar.
Wir sehen unsere hochqualifizierte Leistung missachtet und nicht entsprechend gewürdigt. Die Forderung nach verbesserten Gutachterhonoraren ist mehr als begründet.
Den Zeitschriftenartikeln, die Verbesserungen andeuten, widerspreche ich, die Situation der D-Ärzte hat sich in den letzten Jahren real weiter verschlechtert.
Besonders auch deshalb, weil sich im Bereich der UV- GOÄ nichts bewegt.
So sind viele D-Ärzte seit Jahren der Auffassung, dass ein besonderes bg-liches Heilverfahren mit einem entsprechenden Abschlussbericht, der darüber Aufschlüsse gibt, ob und inwieweit ein Schaden verbleibt und ob dieser rentenberechtigend ist, oder nicht, abgeschlossen werden sollte. Eine entsprechende Ziffer dafür gibt es bis heute nicht.
Wenn ein Verletzter häufigere Arztkontakte aufgrund seiner Verletzung benötigt, entwickelt sich durch die Zahl der Wiederholungsbesuche die Behandlung finanziell zu einem Minusgeschäft, weil die Ziffer 1 neben der erbrachten technischen und/oder Verbandsleistung und/oder Wundbehandlung dann nicht mehr angesetzt werden kann. Insbesondere im Bereich der Unfallkassen wird die oft nicht einfache Behandlung von Kindern finanziell unrentabel, weil von diesen auch die Zwischenberichterstattung sehr rigide ausgelegt und dann nicht bezahlt wird.
Es muss mit den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern ein vernünftiger Konsens gefunden werden, wie die erwarteten hochqualifizierten Leistungen wirtschaftlich angemessen honoriert werden können.
Wir bitten Sie, sich für unsere Interessen als D-Ärzte und positive finanzielle Veränderungen einzusetzen und danken Ihnen im Voraus für Ihre Unterstützung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. M. Marquardt
Stellvertretender Obmann der Düsseldorfer Chirurgen
OCS Düsseldorf