Abstrakt: Im vorliegenden Beitrag werden Langzeitergebnisse nach Durchführung einer Cholezystektomie auf Basis von aktuellen deutschen Abrechnungsdaten aufbereitet und diskutiert. Zunächst wird dargestellt, dass eine Betrachtung der 90-Tage-Sterblichkeit der Krankenhaussterblichkeit zwar überlegen, aber auf Grund geringer Prävalenz und geringer Fallzahlen als Qualitätsindikator unzuverlässig und daher ungeeignet ist.
Anschließend wurde ein Index poststationärer potenzieller Komplikationen zum Zwecke der fachlichen Diskussion vorgeschlagen, der eine breitere zuverlässigere Qualitätsmessung ermöglicht. In der Zukunft soll eine Weiterentwicklung dieses Index – zusammen mit stationären Komplikationen – eine valide und zuverlässige Beurteilung der Ergebnisqualität (auch für Kliniken mit geringeren Fallzahlen) ermöglichen.
Einführung: Entfernungen der Gallenblase (Cholezystektomien) werden in Deutschland aktuell bei etwa 170.000 Patienten durchgeführt (Veith et al. 2009). Damit gehört diese Operation zu den häufigsten Operationen in der Bauch- bzw. Allgemeinchirurgie. Der quantitativen Bedeutung dieser Operation entsprechend, wurde dieser Leistungsbereich seit 2001 durch die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung intensiv analysiert und evaluiert.
Allerdings wurden bis heute keine Analysen von potenziellen Komplikationen nach dem initialen Krankenhausaufenthalt durchgeführt, mutmaßlich deswegen, weil entsprechende Datengrundlagen dem BQS-Verfahren unter vertretbarem Aufwand nicht zur Verfügung standen.
Dabei scheinen Analysen der Langzeitergebnisse für den Leistungsbereich der Gallenblasenentfernungen aber schon deswegen bedeutsam, weil Probleme nach einer Gallenblasenentfernung wie auch Probleme der Indikationsstellung zur Gallenblasenentfernung in der Chirurgie und klassischen Schulmedizin seit Langem so bekannt und prominent sind, dass sie nicht nur unter der Bezeichnung „Postcholezystektomie-Syndrom (K91.5)“ in der ICD verzeichnet sind, sondern darüber hinaus unter der Bezeichnung „sog. Postcholezystektomie-Syndrom“ einen fest definierten Begriff besitzen, der in (nahezu) jedem Lehrbuch der Allgemeinchirurgie benannt und erläutert wird.
Ziel der vorliegenden Analyse war es daher, in Ergänzung zu den vorigen Qualitätsanalysen der stationären Behandlungsphase durch die BQS, mögliche Komplikationen – insbesondere nach dem akutstationären Krankenhausaufenthalt – zu identifizieren und zu quantifizieren.
Material und Methoden: Dazu wurden aus den Abrechnungsdaten diejenigen Fälle mit einem Entlassungsdatum in den Jahren 2005 bis 2007 identifiziert, bei denen eine Gallenblasenentfernung durchgeführt worden war. Zur Identifikation einer Cholezystektomie wurden die Kriterien der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung (BQS1) verwendet2.
Zu diesen Krankenhausfällen wurden – über anonymisierte individuelle Verknüpfungen – Informationen zum Überleben und deren Versichertenstatus innerhalb von 90 Tagen nach Aufnahme ergänzt. Darüber hinaus wurden für Patienten mit Cholezystektomie die Wiederaufnahmen innerhalb eines Jahres analysiert.
Ergebnisse: Tabelle 1 zeigt die Anzahl, wie auch die Alters- und Geschlechtsverteilung der analysierten AOK-Patienten der Jahre 2005-2007 und stellt diese den entsprechenden Angaben von allen Cholezystektomiepatienten im Jahr 2008 gegenüber. Das 3-Jahres-Kollektiv der AOK-Patienten ist dabei etwas umfangreicher (184.450 vs. 170.868). Die Anzahl der Kliniken mit Cholezystektomien ist dagegen nahezu identisch (1.209 vs. 1.204 Kliniken). Erwartungsgemäß zeigt sich im Vergleich der Altersverteilungen, dass das AOK-Kollektiv etwas älter ist, wie auch ein etwas geringerer Anteil an operierten Männern unter den AOK-Patienten (31,1 % vs. 34,3 %).
Tab. 1 Charakteristika der Cholezystektomie Patienten
Die Krankenhaussterblichkeit beträgt 0,9 %, bei der BQS dagegen 1,0%. Darüber hinaus konnte mit unserem Ansatz auch das Versterben innerhalb von 90-Tagen-nach Aufnahme analysiert werden. Diese beträgt für unser Kollektiv 1,5 %.
In Abbildung 1 ist der Zusammenhang der klinikspezifischen Krankenhaussterblichkeit mit der 90-Tage-Sterblichkeit dargestellt. Zwar zeigt sich erwartungsgemäß ein deutlicher Zusammenhang zwischen den beiden Mortalitätsraten (Die 90-Tage-Sterblichkeit besteht zum überwiegenden Teil aus der Krankenhaussterblichkeit), dennoch finden sich mitunter deutliche Abweichungen, z. B. für die Kliniken mit einer Krankenhaussterblichkeit von 0 und einer merklich erhöhten 90-Tage-Sterblichkeit.
Abb. 1 AOK-Patienten mit Cholezystektomie, 2005-2007 = 183.282, 1.117 Krankenhäuser, nur Häuser mit mindestens30 Patienten im Beobachtungzeitraum
Führt man eine lineare Regression durch, in der versucht wird, die 90-Tage-Sterblichkeit auf Basis der Krankenhaussterblichkeit vorherzusagen, so ergibt sich eine erklärte Varianz von 60 %, was umgekehrt bedeutet, dass 40 % der Varianz der 90-Tage-Sterblichkeit durch die Krankenhaussterblichkeit nicht vorhergesagt wird. Dieses Beispiel illustriert die Notwendigkeit einer Nachbeobachtung und einer sektorenübergreifenden Qualitätsevaluation, insbesondere vor dem Hintergrund von sinkenden Verweildauern.
Um die Sterblichkeitsraten zwischen Kliniken mit unterschiedlich kranken Patienten besser vergleichen zu können, wurde darüber hinaus eine Risikoadjustierung durchgeführt. Dazu wurden – neben Alter und Geschlecht – Definitionen von Begleiterkrankungen gemäß dem international weit verbreiteten Elixhauser-Score berücksichtigt (Elixhauser et al. 1998, Quan et al. 2005). Dabei weist eine Receiver-Operator-Characteristic-Analyse mit 92 % Fläche unter der Kurve auf eine exzellente Diskriminationsfähigkeit dieses Modells hin (Kurve nicht dargestellt).
Um risikoadjustierte klinikspezifische Sterblichkeiten vergleichen zu können, wurden „Standardisierte Mortalitäts-Ratios“ (SMR) berechnet. Dazu wurden beobachtete Sterblichkeiten einer Klinik durch die erwarteten Sterblichkeiten dividiert, wobei die erwarteten Sterblichkeiten auf Grund des oben genannten Elixhauser Scores ermittelt wurden. In Abbildung 2 ist die Verteilung dieser SMR für alle Kliniken in Deutschland dargestellt, die im Untersuchungszeitraum mindestens 30 Fälle behandelt hatten.
Abb. 2: Risikoadjustierte 90-Tage-Sterblichkeit nach Cholezystektomie, AOK-Patienten, 2005-2007, nur Kliniken >= 30 Fälle
Es zeigt sich eine deutliche Streuung der klinikspezifischen SMR. So wiesen 18 % der Klinken keinen Todesfall auf, während 56 Kliniken (5 %) eine um das 2,5–fach erhöhte Mortalität aufweisen (SMR > 2,5). Allerdings zeigen weitere statistische Analysen, dass die Anzahl der Fälle pro Klinik bzw. die Sterberate deutlich zu gering ist, um anhand dieses Indikators die Qualität jenseits von zufälligen Schwankungen beurteilen zu können (Heller 2008, Heller et al. 2004, Dimick et al. 2004).
Wenn beispielsweise eine real existierende Verdopplung der Mortalitätsrate einer Klinik mit einer Sicherheit von 80 % (Power) bei einem Signifikanzniveau von 95 % nachgewiesen werden sollte, würden für die hier gegebenen Bedingungen (1,5 % 90-Tage-Sterblichkeit) mindestens 505 Fälle in dieser Klinik benötigt.
Um diesem Problem zu begegnen, wurde untersucht, ob stationäre Wiederaufnahmen ggf. auf potentielle Komplikationen hinweisen und sich damit gegebenenfalls als Endpunkte einer Qualitätsanalyse eignen. Tabelle 2 zeigt die häufigsten Hauptdiagnosen bei Wiederaufnahme innerhalb eines Jahres nach einem stationären Aufenthalt mit Cholezystektomie.
Dabei lassen die häufigsten Wiederaufnahmediagnosen, wie etwa Cholelithiasis, sonstige Erkrankungen der Gallenwege oder auch Pankreatitis oder Ileus (Darmverschluss) durchaus an potentielle Komplikationen der Cholezystetkomie, also an „Postcholezystektomiesyndrome“ oder „sog. Postcholezystektomiesyndrome“ denken.
Wie zuvor für die Endoprothetik durchgeführt (Heller 2008), wurde im Folgenden ein Index potentieller Komplikationen entworfen. Dabei wurde von einer potentiellen Komplikation ausgegangen, wenn:
der Patient 90 Tage nach Aufnahme verstorben war eine Wiederaufnahme innerhalb von 90 Tagen mit folgender Hauptdiagnose (ICD-Kode) vorlag: Peritonitis (K65), Pankreatitis (K85), Paralytischer Ileus und mechanischer Ileus ohne Hernie (K56), Komplikationen bei Eingriffen (T81), Bauch- und Beckenschmerzen (R10), Sonstige Krankheiten des Peritoneums (K66), Gastritis und Duodenitis (K29), sonstige nichtinfektiöse Gastroenteritis und Kolitis (K52), Thrombose und Embolie (I80)
eine Wiederaufnahme innerhalb von 1 Jahr mit folgender Hauptdiagnose vorlag: Cholelithiasis (K80), sonstige Krankheiten der Gallenblase/Gallenwege (K83), Hernia ventralis (K43), stationärer Aufenthalt mit Bauchoperation
Dabei ist an dieser Stelle zu betonen, dass es sich bei dem aktuellen Index potentieller Komplikationen um einen Arbeitsentwurf handelt, der in einer aktuell stattfindenden Diskussion mit medizinischen Fachgremien, niedergelassenen Ärzten und Patienten (-vertretern) ggf. überarbeitet wird.
Ungeachtet dieser Tatsache ist in Abbildung 3 die Verteilung der klinikspezifischen Raten dieses Index für Kliniken mit mindesten 30 Fällen im Untersuchungszeitraum dargestellt. Es zeigt sich, dass lediglich 0,7 % der Kliniken keinerlei poststationäre potentielle Komplikationen aufweisen, die durchschnittliche Rate des Index beträgt 7,7 %, etwa 1,7 % der Kliniken weisen eine Indexprävalenz > 15 % auf. Die maximale Prävalenz im untersuchten Kollektiv beträgt 30 %. Wird eine Power-Analyse bzw. eine Berechnung der minimal benötigten Fallzahl analog zu dem oben anhand der 90-Tage-Sterblichkeit angeführten Beispiel durchgeführt, so ergibt sich eine minimal benötigte Fallzahl von 93 Fällen pro Klinik.
Abb. 3 Index potenyieller poststationärer Komplikationen nach Cholezystektomie, AOK-Patienten, 2005-2007, nur Kliniken >= 30 Fälle
Damit wären – auf Basis unseres Untersuchungskollektivs – etwa 70 % der Kliniken anhand dieses Indikators mit ausreichender Sicherheit (Power) beurteilbar. Dabei konnte unlängst von uns und anderen gezeigt werden, dass die Verwendung von Qualitätsindizes ebenfalls zu einer deutlichen Verbesserung der Reliabilität dieser Maßzahlen führt (Heller 2010, Staiger et al. 2009).
Diskussion und Ausblick: In dieser Arbeit wurden erste Analyen von potenziellen poststationären Komplikationen nach Cholezystektomie durchgeführt. Zunächst wurde eine risikoadjustierte 90-Tage-Sterblichkeit analysiert, aber gleichzeitig dargelegt, dass eine Qualitätsmessung, die nur auf diesem Endpunkt besteht, auf Grund der zu geringen Prävalenz bzw. der zu geringen Fallzahl zu keinen zuverlässigen Ergebnissen führen kann.
In der Folge wurde daher ein Index aus unterschiedlichen potentiellen poststationären Komplikationen gebildet. Demnach fanden sich nach der akutstationären Entlassung im Durchschnitt bei etwa 7,7 % der Patienten Hinweise auf mögliche Komplikationen nach Gallenblasenentfernung in der postationären Phase. Die vorgelegte Arbeit versteht sich als Ergänzung zu den bestehenden Qualitätssicherungsverfahren der Cholezystektomie der externen Qualitätssicherung, die bislang nur Ereignisse während des Krankenhausaufenthaltes analysieren konnte.
Dabei kann argumentiert werden, dass die Entwicklung und Verwendung von Qualitätsindizes,
eine statistische Beurteilung der Ergebnisqualität mit deutlich besserer Sicherheit ermöglicht.
eine deutliche umfassendere Qualitätsmessung ermöglicht, da unterschiedliche Endpunkte berücksichtigt werden, zumal erwartet werden kann, dass nicht jeder relevante Qualitätsmangel eine Erhöhung der Sterblichkeit zur Folge haben muss.
mutmaßlich ein besseres Instrument für die Qualitätssicherung darstellt.
Wobei insgesamt anzumerken ist, dass eine Bildung von Indizes oder zusammengesetzten Endpunkten in der Medizin bzw. in der Qualitätssicherung nicht unüblich ist3. Allerdings existieren auch mögliche Nachteile einer solchen Indexbildung. So sind die Indizes aus heterogenen Endpunkten zusammengesetzt, die nicht nur unterschiedliche Dimensionen abdecken, sondern mitunter auch deutlich unterschiedliche Bedeutungen haben. Je nach Kontext ist dabei zu erwarten, dass die gewünschten Wertigkeiten der einzelnen Dimensionen ggf. auch sehr unterschiedlich sein werden.
Ein weiterer Diskussionspunkt besteht in der Frage, ob tatsächlich alle und immer relevante Qualitätsendpunkte erfasst werden. Beispielsweise könnte kritisch angemerkt werden, dass eine Gastroenteritis/Kolitis keine typische Komplikation einer Cholezystektomie darstellt. Dem könnte entgegnet werden, dass eine Gastroenteritis/Kolitis kurz nach einer Cholezystektomie den Verdacht aufkommen lässt, dass die Indikation zur Cholezystektomie ggf. falsch gestellt worden war. Unter Umständen wäre es dann aber sinnvoll, ein kürzeres Zeitintervall der Nachbeobachtung für diese Diagnose zu wählen.
Ziel aktueller Anstrengungen ist es, dies anhand der vorliegenden Daten im Detail empirisch zu evaluieren. Grundsätzlich versteht sich der hier vorgestellte Index aber – wie oben bereits betont – als eine Arbeitsfassung der in Kooperation mit unterschiedlichen Beteiligten weiter angepasst und verbessert werden soll. Konstruktive kritische Kommentare aus der Leserschaft zu der hier vorgelegten Arbeit sind also ausdrücklich erwünscht. Einen vergleichbaren Prozess haben wir für Qualitätsindizes in der Endoprothetik vor einiger Zeit zusammen mit medizinischen Fachexperten, Einweisern und Patienten bereits begonnen (Heller 2008).
In Zukunft soll eine Weiterentwicklung dieses Index mit weiteren stationären Komplikationen zusammengeführt werden, um insgesamt eine breitere, valide und zuverlässige Beurteilung der Ergebnisqualität – auch für Kliniken mit geringeren Fallzahlen zu ermöglichen.
1 URL: www.bqs-online.com
2 Zusätzlich zum BQS-Vorgehen wurde in dieser Definition von Tracerfällen bereits die longitudinale Perspektive berücksichtigt: Wiederaufnahmen innerhalb von 2 Tagen in einem anderen Krankenhaus mit dem ursprünglichen Fall zu einem Fall zusammengeführt (Legaldefinition einer Verlegung). Darüber hinaus wurden keine Fälle betrachtet, bei denen im Jahr zuvor das Aufgreifkriterium schon einmal erfüllt war. Dieses Vorgehen entspricht dem Vorgehen im Projekt Qualitätssicherung mit Routinedaten (QSR). Vgl. URL: http://wido.de/fileadmin/wido/downloads/pdf_krankenhaus/wido_kra_qsr-abschlussbericht_
0407.pdf
3 Vgl. zuletzt: Staiger et al. (2009)
Literatur:
[1] Dimick JB, Welch HG, Birkmeyer JD (2004) Surgical mortality as an indicator of hospital quality: the problem with small sample size. JAMA, 292: 847–851. [2] Elixhauser A, Steiner C, Harris DR, Coffey RM (1998) Comorbidity measures for use with administrative data. Med Care, 36 (1): 8–27. [2] Heller G, Swart E, Mansky T (2004) Qualitätsanalysen mit Routinedaten. Ansatz und erste Analysen aus dem Gemeinschaftsprojekt „Qualitätssicherung mit Routinedaten“ (QSR). In: Klauber J, Robra BP, Schellschmidt H (Hrsg): Krankenhaus-Report 2003. Stuttgart: 271–88. [3] Heller G (2008) Zur Messung und Darstellung von medizinischer Ergebnisqualität mit administrativen Routinedaten in Deutschland. In Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 10: 1173–1182. [3] Heller G (2010) Qualitätssicherung mit Routinedaten – Aktueller Stand und Weiterent-wicklung. In: Klauber J, Geraedts M, Friedrich J (Hrsg): Krankenhaus-Report 2010. Stuttgart: 239–253. [3] Quan H, Sundararajan V, Halfon P, Fong A, Burnand B, Luthi JC, Saunders LD, Beck CA, Feasby TE, Ghali WA (2005) Coding Algorithms for Defining Comorbidities in ICD-9-CM and ICD-10 Administrative Data. Med Care, 43 (11): 1130–1139. [4] Staiger DO, Dimick JB, Baser O, Fan Z, Birkmeyer JD (2009) Empirically derived composite measures of surgical performance. Med Care, 47: 226–233. Veith C, Bauer J, Döbler K, Fischer B (2009) Qualität sichtbar machen. [5] BQS-Qualitäts-report 2008. Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung. gGmbH Düsseldorf.
Das Ende des sogenannten H-Arztes, das heißt in bestem Amtsdeutsch des an der „Heilbehandlung beteiligten Arztes“, wird eingeläutet. Dies geht aus der neuen Regelung der Berufsgenossenschaften hervor.
Für alle Ärzte, die Patienten zu Lasten der gesetzlichen Unfallversicherung behandeln, sind Beratungsärzte (BA) häufig unbekannte Kollegen, deren Tätigkeiten oft als unangenehme Kontrollen angesehen werden. Wer nimmt diese Position ein? Der Beratungsarzt (BA) ist Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie oder Orthopädie, häufig in der Praxis oder Klinik tätig. Pensionäre scheiden zunehmend aus, angelehnt an die Regelungen der Beendigung der D-Arzt-Tätigkeit mit Ablauf des 68. Lebensjahres.
Bereits mit der Anmeldung zur Facharztprüfung für Chirurgie wird im Katalog der einzureichenden Unterlagen die selbstständige Durchführung von Gutachten verlangt. Beim weiteren Weg zum Arzt für Unfallchirurgie oder Arzt für Orthopädie/Unfallchirurgie muss dann auch wieder eine Anzahl von selbstständig erstellten Gutachten dokumentiert werden. Wo lernt der Kollege in der Ausbildung das Abfassen von Gutachten? Eher selten trifft man junge Kollegen in den angebotenen Gutachtenfortbildungen der Ärztekammern oder der Berufsgenossenschaften.
Schon im alten Ägypten enthielt die Hieroglyphe für den Arzt einen Salbentopf und einen Schreibgriffel als Ausdruck der Behandlung und der Dokumentation (Herodot 490–420 v. Chr., 450 Ägypten-Reise; Carstensen, Schadewaldt, Vogt; Die Chirurgie in der Kunst, Econ Verlag 1983, S. 52). Seit Jahrhunderten und ins besondere heute ist die Dokumentation der ärztlichen Befunde und Behandlungsmaßnahmen für die Ausübung der Heilkunde aus fachlichen und rechtlichen Gründen zwingend und somit die Erstellung von Attesten und Gutachten eine originäre und primäre ärztliche Aufgabe.
Das traditionsreiche Feld der Proktologie bildet den Themenschwerpunkt dieser Ausgabe der “Passion Chirurgie”. Im Angesicht einer Vielzahl von konkurrierenden Methoden in Diagnostik und Therapie, deren Effektivität oft von der Erfahrung des einzelnen Arztes und der Mitartbeit der Patienten abhängt, ist es besonders wichtig, diese Verfahren durch Studien zu erarbeiten und zu sichern, die den höchsten Standards der evidenzbasierten Medizin entsprechen.
Ein essenzieller Teil und Grundlage dieses Unternehmens sind die Erkenntisse aus der Arbeit der praktizierenden Ärtze im Feld der Proktologie.
In drei ausführlichen Artikeln zum Titelthema geben wir Ihnen daher anhand von Krankheitsbildern wie Hämorrhoidalleiden, perianalen Fisteln und Analekzemen einen anschaulichen Einblick in die Arbeit anerkannter Spezialisten.
Wie immer finden Sie auch in dieser Ausgabe einen CME-zertifzierten Artikel zur Weiterbildung, diesmal zum Thema Pilonidal-Sinus-Erkrankung.
Im Mittelpunkt der Ausgabe 08/2011 der Passion Chirurgie steht die Handchirurgie. Wir stellen Ihnen in zwei ausführlichen Artikeln dieses relativ junge, ausdrücklich interdisziplinär angelegte Fachgebiet vor.
Die detaillierten Analysen zur Therapie von Infektionen und Brandverletzungen der Hand geben einen Einblick in die enge Zusammenarbeit von Ärzten aus Fachgebieten wie der Chirurgie, der Unfallchirurgie, der Orthopädie, der Kinderchirurgie und der plastischen Chirurgie. Sie zeigen auch die Komplexität der aufwändigen, oft schweren und belastenden Arbeit im Bereich der rekonstruktiven Chirurgie.
Auch die Fortbildung steht mit dem CME-zertifiziertem Kurs “Möglichkeiten der Nervenrekonstruktion” in dieser Ausgabe im Zeichen der plastischen Chirurgie und Handchirurgie.
Diverse Umfragen in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass das Gebiet Chirurgie für viele Medizinstudenten am Anfang ihres Studiums einen großen Reiz ausstrahlt. Dieser verblasst während des Studiums kontinuierlich und erreicht nach dem praktischen Jahr seinen Tiefpunkt. Deshalb müssen wir im PJ ansetzen, wenn wir unser Fachgebiet in den Augen unseres Nachwuchses wieder attraktiv gestalten wollen.
Bisher gingen Schätzungen des BDC davon aus, dass nur ca. fünf Prozent der Absolventen sich für eine chirurgische Karriere entscheiden. Aktuelle Zahlen, die in dieser Ausgabe der „Passion Chirurgie“ erstmals publiziert werden, zeigen ein etwas optimistischeres Bild. Es ist davon auszugehen, dass ca. 1.000 junge Kollegen jährlich nach Abschluss ihres Studiums eine chirurgische Karriere einschlagen. Dies ist uns als Berufsverband der Deutschen Chirurgen Ansporn und Verpflichtung zugleich, uns auch zukünftig aktiv um eine hohe Qualität der chirurgischen Weiterbildung zu bemühen.
Die gesamte fünfte Ausgabe der Passion Chirurgie ist der Durchgangsarzt-Tätigkeit gewidmet. Der D-Arzt ist nicht nur Behandler von Verletzungen und Erkrankungen, sein Wissen ist im Einzelfall die fachliche Grundlage aller darauf beruhenden Verwaltungs- und Rechtsvorgänge.
Zu den zahlreichen Herausforderungen für den Durchgangs-Arzt, die thematisiert werden, gehören die neuen Anforderungen der DGUV zur Beteiligung am Durchgangsarztverfahren seit 1.1.2011, die speziellen Weiterbildungsverpflichtungen, die Mindestzahlen an Behandlungsfällen, Abrechnungsfragen, die Überwachung der Heilverfahren, das zunehmend erweiterte Reha-Management sowie die Beendigung des H-Arzt-Verfahrens zum 31.12.2014.
Die Tätigkeit des D-Arztes als Organisator des gesamten Behandlungspfades und Patientenanwalt geht weit über die operativen Techniken und das fachliche Wissen hinaus, was in diesem Heft exemplarisch angedeutet wird. Unsere Autoren gehen unter anderem auf die Rolle des Arztes als Gutachter, als Beratungsarzt der gesetzlichen Unfallversicherung und als ärztlichen Sachverständigen im sozialgerechtlichen Verfahren ein.