Zurück zur Übersicht

Die Arbeitsbedingungen in Akutkrankenhäusern gelten gemeinhin als hoch belastend und der Gesundheit und dem Wohlbefinden von Ärzten und Pflegekräften oft wenig zuträglich. Ebenso leiden deren berufliche Zufriedenheit und Bindung. Hierzu tragen strukturelle Bedingungen, wie hohe Arbeitsverdichtung bei gleichzeitigem Personalmangel, ebenso bei, wie das Erleben einer hohen Ambivalenz zwischen beruflichem Ethos, Qualität und Wirtschaftlichkeit. Nicht selten hinzukommen ein angespanntes Klima in der Zusammenarbeit mit Führungskräften und Kollegen oder auch persönlich erlebte Entwicklungsbarrieren und Gratifikationskrisen.

Kurz: um solchen Belastungen entgegenzuwirken, die berufliche Zufriedenheit zu erhöhen, und damit auch die Qualität der Patientenversorgung auf hohem Niveau zu erhalten, muss der Arbeitsplatz Krankenhaus attraktiver gestaltet werden. Zumal sich der Arbeitgebermarkt im Gesundheitswesen längst zum Arbeitnehmermarkt gewandelt hat: ärztliches und pflegerisches Personal steht nicht mehr Schlange wie noch vor der Jahrtausendwende; die Suche nach Fachkräften gestaltet sich zunehmend schwierig und kostet viel Zeit und Energie. Zugleich wächst die Zahl wechselbereiter, innerlich gekündigter Mitarbeiter, die auf der Suche nach einem Arbeitsumfeld sind, das ihnen besseres Arbeitsklima, bessere Life-Balance, größere Entwicklungsmöglichkeiten, weniger hierarchische Strukturen und bessere Führung, mehr Familienfreundlichkeit oder angemessenere Vergütung bietet.

Ungeschminkte Bestandsaufnahme als erster Schritt

Was ist zu tun? Statt undifferenziertem Klagen hilft ein Blick auf die von Ärzten und Pflegekräften unmittelbar erlebte Qualität und Attraktivität der Arbeitsplatzkultur. Mitarbeiterbefragungen des Forschungs- und Beratungsinstituts Great Place to Work® in 26 Akutkrankenhäusern in Deutschland ab 300 Mitarbeitern zeigen: verglichen mit Arbeitgebern anderer Branchen hinken Krankenhäuser in punkto Arbeitgeberattraktivität im Durchschnitt teils deutlich hinterher (siehe Tabelle unten). Zugleich wird auch erkennbar: unter vergleichbar anspruchsvollen Rahmenbedingungen gelingt es einzelnen Krankenhäusern in sehr unterschiedlichem Maße, eine attraktive Arbeitsplatzkultur zu gestalten. Explorative Untersuchungen mit speziellem Fokus auf 47 chirurgische Abteilungen verdeutlichen zudem, dass die Arbeitsplatzqualität in der Chirurgie aus Sicht der Ärzte und Pflegekräfte teils noch kritischer und unattraktiver erlebt wird als dies fachbereichsübergreifend der Fall ist.

Anschaulich wird dies beispielsweise bei der Zustimmung zu der zusammenfassenden Aussage „Alles in allem ist dies ein sehr guter Arbeitsplatz“. Während diese bei ausgezeichneten Arbeitgebern branchenübergreifend 89 % der Mitarbeiter bestätigen, bei Top-Arbeitgebern der Krankenhausbranche 78 % und im bundesweiten branchenübergreifenden Repräsentativdurchschnitt noch 66 % [4], ist dies in Krankenhäusern durchschnittlich nur zu 53 % der Fall und in der Chirurgie zu 52 %.

Great Place to Work® Benchmark-Untersuchungen zur Arbeitsplatzkultur in Krankenhäusern und in Chirurgischen Abteilungen Untersuchungszeitraum: 2013-2015

Ergebnisse aus Great Place to Work® Mitarbeiter
befragungen (Auszug)

Ø Positive Zustimmungs
werte (%)

Arbeitgeber aller Branchen Top

KH >300 MA Top

KH >300 MA Non-Top

Chirurgie Abteilungen Non-Top*

n=201

n=7

n=19

n=47

Alles in allem sehr guter Arbeitsplatz

89 %

78 %

53 %

52 %

Führungskräfte erkennen gute Arbeit an

75 %

57 %

39 %

37 %

Berufliche Entwicklung wird unterstützt

77 %

71 %

55 %

57 %

Führungsverhalten ist kompetent

82 %

72 %

52 %

53 %

Führungskräfte lassen Worten Taten folgen

77 %

59 %

42 %

40 %

Am Arbeitsplatz bleibt man psychisch gesund

76 %

52 %

32 %

30 %

Gesundheit wird gefördert

76 %

72 %

40 %

31 %

Ehrliche und ethische Geschäftspraktiken

89 %

74 %

48 %

44 %

Alle ziehen an einem Strang

79 %

60 %

38 %

36 %

Mitarbeiter kommen gerne zur Arbeit

84 %

63 %

39 %

39 %

Möchte hier noch lange arbeiten

84 %

80 %

65 %

62 %

Besondere Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter

84 %

77 %

65 %

68 %

Stolz auf Leistung

86 %

82 %

65 %

64 %

Angemessene Bezahlung

66 %

46 %

35 %

34 %

Weiterempfehlung Produkte/Dienstleistungen

91 %

79 %

55 %

56 %

Weiterempfehlung als Arbeitgeber

85 %

79 %

50 %

48 %

Trust Index – Gesamtwert

83 %

71 %

54 %

53 %

*Top-Arbeitgeber-Werte speziell aus Chirurgien aufgrund zu geringer Fallzahl nicht dargestellt; als Orientierungswert kann der allg. KH-Topwert dienen. Ergebnisse zu „Chirurgie“ beziehen sich auf 47 chirurgische Abteilungen aus 17 Akutkrankenhäusern. Prozentwerte: < 60% können als kritisch, 60-80% als moderat und über 80% als gut bzw. sehr gut gelten. Abkürzungen: KH=Krankenhaus; MA= Mitarbeiter

Copyright: Great Place to Work® Deutschland 2016.

Great Place to Work® Benchmark-Untersuchungen zur Arbeitsplatzkultur in Krankenhäusern und in Chirurgischen Abteilungen Untersuchungszeitraum: 2013-2015

Ergebnisse aus Great Place to Work® Mitarbeiter
befragungen (Auszug)

Ø Positive Zustimmungs
werte (%)

Ärzte Chirurgie

Ärzte allgemein

MA Pflege Chirurgie

MA Pflege allgemein

n=492

n=2.005

n=302

n=5.057

Alles in allem sehr guter Arbeitsplatz

58 %

61 %

40 %

55 %

Führungskräfte erkennen gute Arbeit an

47 %

52 %

32 %

42 %

Berufliche Entwicklung wird unterstützt

59 %

63 %

48 %

63 %

Führungsverhalten ist kompetent

60 %

65 %

42 %

55 %

Führungskräfte lassen Worten Taten folgen

45 %

48 %

34 %

45 %

Am Arbeitsplatz bleibt man psychisch gesund

35 %

42 %

25 %

31 %

Gesundheit wird gefördert

37 %

43 %

31 %

46 %

Ehrliche und ethische Geschäftspraktiken

52 %

56 %

36 %

52 %

Alle ziehen an einem Strang

40 %

47 %

33 %

42 %

Mitarbeiter kommen gerne zur Arbeit

45 %

53 %

30 %

40 %

Möchte hier noch lange arbeiten

61 %

63 %

57 %

66 %

Besondere Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter

71 %

73 %

64 %

66 %

Stolz auf Leistung

63 %

68 %

57 %

68 %

Angemessene Bezahlung

39 %

51 %

32 %

29 %

Weiterempfehlung Produkte/Dienstleistungen

65 %

64 %

37 %

55 %

Weiterempfehlung als Arbeitgeber

53 %

60 %

37 %

54 %

Trust Index – Gesamtwert

56 %

62 %

48 %

57 %

*Top-Arbeitgeber-Werte speziell aus Chirurgien aufgrund zu geringer Fallzahl nicht dargestellt; als Orientierungswert kann der allg. KH-Topwert dienen. Ergebnisse zu „Chirurgie“ beziehen sich auf 47 chirurgische Abteilungen aus 17 Akutkrankenhäusern. Prozentwerte: < 60% können als kritisch, 60-80% als moderat und über 80% als gut bzw. sehr gut gelten. Abkürzungen: KH=Krankenhaus; MA= Mitarbeiter

Copyright: Great Place to Work® Deutschland 2016.

Differenziert man einzelne Mitarbeitergruppen liegt die Gesamtzufriedenheit der Ärzte im Krankenhaus generell bei 61 % und speziell unter Chirurgen bei 58 %. Bei den Pflegekräften liegen die Werte bei 55 % und in der Chirurgie nur bei 40 %. Krankenhausmitarbeiter jenseits ärztlicher und pflegerischer Tätigkeiten (Verwaltung, Sozialdienst etc.) urteilen in der Regel positiver.

Ihren Arbeitgeber guten Bekannten weiterempfehlen, würden lediglich 53 % der Chirurgen (Krankenhaus-Ärzte gesamt: 60 %) und sogar nur 37 % der Pflegekräfte chirurgischer Abteilungen (Pflegekräfte gesamt: 54 %). Top-Arbeitgeber anderer Branchen erzielen hier Werte von 85 %. Auch hinsichtlich der Wertschätzung guter Arbeit, der Kompetenz der Führungskräfte, der Entwicklungsförderung und der Qualität der Zusammenarbeit, sehen Ärzte wie Pflegekräfte in der Chirurgie noch stärkeren Verbesserungsbedarf als ihre Kollegen aus anderen Fachbereichen im Krankenhaus.

Psychische Gesundheit und Gesunde Organisation

Besonderes Augenmerk erfordert das Thema Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz [3]. Während bei den im Benchmark-Vergleich besten Krankenhäusern bereits lediglich 52 % der Mitarbeiter bestätigen: „An diesem Arbeitsplatz bleibt man psychisch gesund“ sind dies in der Chirurgie sogar nur 30 % (Top-Arbeitgeber branchenübergreifend: 76 %; Durchschnitt branchenübergreifend: 41 %; Krankenhaus-Durchschnitt: 32 %). Krankenhausärzte sehen fachübergreifend die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu 42 % gewährleistet, Chirurgen lediglich zu 35 %. Bei den Pflegekräften in Krankenhäusern sind es abteilungsübergreifend 31 %, in der Chirurgie sogar nur 25 %. Diese Ergebnisse müssen aufhorchen lassen. Zumal psychische Fehl-Belastungen (Disstress) am Arbeitsplatz in hohem Maße zu verminderter Leistungsfähigkeit, erkrankungsbedingten Fehlzeiten, „Burn-Out“ oder dauerhafter Arbeitsunfähigkeit führen (vgl. jährliche Fehlzeiten-/Gesundheitsreports der Krankenkassen).

Nicht umsonst hat auch der Gesetzgeber reagiert: seit 2014 fordert das Arbeitsschutzgesetz explizit die Berücksichtigung von psychischer Belastung in der Gefährdungsbeurteilung. Das heißt: Alle Unternehmen und Organisationen müssen verpflichtend auch jene Gefährdungen für ihre Beschäftigten ermitteln, die sich aus psychischen Belastungen bei der Arbeit ergeben. Zentrale Bereiche sind: Arbeitsinhalte, Arbeitsorganisation, psycho-soziale Beziehungen sowie die physikalisch-chemisch-biologische Arbeitsumgebung. Das Great Place to Work® Institut trägt dieser gewachsenen Anforderung in der Beratung von Unternehmen und Gesundheitseinrichtungen mit dem eigenständigen Befragungskonzept „Gesund Arbeiten“ Rechnung. Bei der Unterstützung der Gesamtentwicklung der Arbeitsplatzkultur werden zudem ganzheitliche Ansätze des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) und der „Gesunden Organisation“ [1] integriert.

Folgende Tabelle gibt einen vertiefenden Einblick zur erlebten Arbeitsplatzkultur in Akutkrankenhäusern (ausgezeichnete vs. durchschnittliche Einrichtungen) sowie speziell Chirurgie und zur Sicht einzelner Mitarbeitergruppen (Ärzte/Pflegekräfte). Zum Vergleich dargestellt sind die Ergebnisse aus dem jährlichen branchenübergreifenden Great Place to Work® Benchmark-Wettbewerb «Deutschlands Beste Arbeitgeber» und dem Branchenwettbewerb «Beste Arbeitgeber – Kliniken» (www.greatplacetowork.de).

Weitere Erkenntnisse zur Fachgebiete-spezifischen Differenzierung der ärztlichen Arbeitsbedingungen im Krankenhaus finden sich auch in der iCept-Studie [2] der Goethe-Universität Frankfurt.

Generell zeigen die hier auszugsweise dargestellten Ergebnisse der Benchmark-Untersuchungen von Great Place to Work®: der Arbeitsplatz Krankenhaus, und speziell auch die Chirurgie, ist aus Sicht von Ärzten und Pflegekräften an vielen Stellen deutlich verbesserungswürdig, und – dies zeigen positive Praxisbeispiele – auch verbesserungsfähig. Die Gestaltung einer Arbeitsplatzkultur, die Ärzte und Pflegekräfte dauerhaft leistungsfähig und psychisch gesund hält, die Mitarbeiter fördert, unterstützt und motiviert, ist daher eine zentrale Managementaufgabe für Klinikleitungen, Chefärzte und Pflegedirektoren.

Wichtige Handlungsfelder sind beispielsweise nachhaltige, mitarbeiterorientierte Personalführung, Unterstützung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Privatleben, alters- und alternsgerechte Arbeitsmodelle, bessere Qualifizierung und Professionalisierung und die betriebliche Gesundheitsförderung. Zudem gilt es die Selbstbestimmung der Arbeitnehmer zu erhöhen und Handlungsspielräume zu vergrößern und ein Gleichgewicht zu finden zwischen Belastungen und Anforderungen (bspw. Entlastung von bürokratischen Aufgaben). Dabei sollte auch die gerade in den Helferberufen gehäuft anzutreffende persönliche Verausgabungstendenz sowohl von Arbeitnehmer- als auch von Arbeitgeberseite kritisch hinterfragt werden. Regelmäßige Mitarbeitergespräche können zudem helfen, Situationen mit erhöhtem Disstresspotenzial zu identifizieren und präventiv zu vermeiden. Und nicht zuletzt geht es auch um ausgewogene Bezahlung – auch wenn das Gehalt oft nicht an erster Stelle der Motivationsskala stehen mag. Chirurgen im Krankenhaus sehen sich im Verhältnis zu ihrer Beanspruchung gegenüber Kollegen anderer Fachrichtungen häufiger als unterbezahlt an (61 % vs. 49 %).

Im Ganzen geht es um die Entwicklung einer von Glaubwürdigkeit, Fairness und Respekt getragenen Arbeitsplatzkultur auf deren Basis Vertrauen, Stolz und Teamgeist in der Organisation wachsen können. So lassen sich gesteckte Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsziele besser und einfacher erreichen. Eine gute und attraktive Arbeitsplatzkultur wird so ein wichtiger Baustein eines modernen Krankenhausmanagements und der internen Qualitätssicherung und Qualitätsweiterentwicklung.

„Gesundheitseinrichtungen müssen endlich begreifen, dass sich die Erwartungen an die Arbeitskultur gewandelt haben“, sagt Alexander Riad, Chefarzt im Krankenhaus Teterow. Und weiter: „Ich will meine Mitarbeiter nicht verschleißen, ich will, dass diese mit ihrer Arbeit glücklich sind.“ Und mit Blick auf die Personalrekrutierung: „Ich frage meine Bewerber jetzt genau das, was mich in 15 Jahren selbst noch nie jemand gefragt hat: Wie möchten Sie arbeiten?“

Führungskräfte im Krankenhaus müssen Menschen leiten, die für Menschen arbeiten und sie müssen diese humanitäre Arbeit mehr denn je auch nach ökonomischen Gesichtspunkten organisieren. Zugleich gilt es, die Bedürfnisse der dienstleistenden Mitarbeiter nicht zu übergehen – und diese trotz aller Bereitschaft zu gewissen Opfern, nicht zu verbrennen. Kein leichtes Unterfangen. Manchmal sogar eine Herkulesaufgabe. Ohne Frage ist bei all dem auch die Politik in der Pflicht. Namhafte Vertreter äußerten sich dazu in einem ZEIT-Spezial [5]: „Die Frage von attraktiven Arbeitsplätzen umreißt eine unserer größten Baustellen“, so Jens Spahn, (seinerzeit) gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. „Ich erlebe dort seit Jahren einen tiefliegenden Frust. Viele haben nicht mehr genug Zeit, sich so zu kümmern, wie sie es gerne täten.“ Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der SPD, fasst es so zusammen: „Die Bedeutung der Zufriedenheit von Arbeitnehmern wurde früher unterschätzt. Doch der Gesundheitsmarkt wird sich verändern, und die Strukturen werden modernisiert. Mittelfristig werden Pflegekräfte und Ärzte viel bessere Arbeitsbedingungen haben.“

Entschlossen handeln statt klagen 

Längst nicht alle Mängel und brachliegenden Potenziale des Arbeitsplatzes Krankenhaus sind jedoch „systembedingt“. Das wäre ein folgenschwerer Irrtum, und ignoriert das hohe Engagement derjenigen Krankenhäuser, die frühzeitig begonnen haben, im Bereich der Arbeitsplatzkultur neue Wege zu gehen. Ebenso wenig können zirkuläre Schuldzuschreibungen von eigener Verantwortung und eigenem Handeln entbinden. Vieles ist auch hausgemacht. Verantwortliche tun daher gut daran, sich zusammen mit ihrer Führungsmannschaft auch einmal selbst kritisch zu hinterfragen. D.h. den Entwicklungsstand der Arbeitsplatzkultur und Arbeitgeberattraktivität im eigenen Haus auf den Prüfstand zu stellen, sich mit Durchschnittswerten und Benchmarks zu vergleichen. Und wo übergreifend oder abteilungsspezifisch erforderlich schrittweise organisationale und kulturelle Verbesserungs- und Wandelprozesse einzuleiten.

Denn die Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz Krankenhaus und dessen subjektiv wahrgenommene Attraktivität bestimmen maßgeblich, wie motiviert und leistungsfähig die Mitarbeiter ihre Arbeit verrichten und wie gut die Zusammenarbeit in den Teams und an den wichtigen Schnittstellen gelingt. Hohe Qualität und Effizienz lassen sich nicht mit dauerhaft überlasteten oder frustrierten Mitarbeitern erreichen.

Eine attraktive Arbeitsplatzkultur ist zudem zentraler Erfolgsfaktor, um im umkämpften Fachkräftemarkt gutes Personal für den ärztlichen und pflegerischen erfolgreich zu gewinnen und zu binden. Generell gilt: diejenigen Krankenhäuser, die bessere und attraktivere Arbeitsbedingungen aufweisen und mehr Geschick bei der Einbindung und Ansprache entwickeln, schneiden im Wettbewerb erfolgreicher ab. Wohlgemerkt: hier geht es nicht um äußeren Anstrich, Schönwetter-Konzepte oder isolierte Einzelmaßnahmen. Sondern um echte Weiterentwicklung der Arbeitsplatzkultur im Inneren. Krankenhäuser sind als soziale Systeme patientenorientiert und zugleich mitarbeiterorientiert gestaltbar, auch unter den komplexen und anspruchsvollen Rahmenbedingungen des Gesundheitswesen. Dies bedarf aktiver Verantwortungsübernahme und Passion. Und nicht zuletzt der vertrauensvollen Zusammenarbeit von kaufmännischer, ärztlicher und pflegerischer Leitung sowie der Beteiligung der Mitarbeitervertretung und nachfolgend der Mitarbeiter selbst.

Initial erforderlich ist der gemeinsam getragene Entschluss, das eigene Haus zu einem sehr guten und attraktiven – und das heißt auch wettbewerbsfähigen – Arbeitgeber weiterzuentwickeln, und zugleich kulturelle Treiber und Hemmschuhe erfolgreicher Unternehmensentwicklung und Zielumsetzung sichtbar zu machen. Bisweilen gilt es dabei dicke Bretter zu bohren. Ist ein solches Commitment jedoch einmal erreicht, setzt dies ungeahnte positive Entwicklungskräfte frei. In der Praxis gelingt dies oft mit begleitender Unterstützung erfahrener Berater und Moderatoren.

Entwicklungschancen nutzen

Weiterer Ausgangspunkt ist dann eine Kulturanalyse, die zentrale Aspekte der Arbeitskultur und Arbeitgeberattraktivität (sowie auch Maßnahmen der Personalarbeit) aus Mitarbeitersicht beleuchtet, intern differenziert (Abteilungen, Mitarbeitergruppen etc.) und mit externen Durchschnitts-/Benchmark-Werten ähnlicher Krankenhäuser vergleicht. Auf diese Weise ergibt sich eine systematische Bestandsaufnahme mit differenzierten Stärken-Schwächen-Profilen, die wichtige Ansatzpunkte für Zielsetzungen und relevante Entwicklungs- und Umsetzungsschritte liefern. Führungskultur, persönliche Anerkennung und individuell zugewandte Förderung, Anforderungsbalance, Entwicklungsperspektiven, soziale Unterstützung, Innovationsbereitschaft und die Überwindung von Bereichsbarrieren sind häufige Entwicklungsfelder. Wo es in der eigenen Organisation im Alltag primär „hakt“ und welche individuellen Stellschrauben und Entwicklungspotenziale nutzbar sind, muss auf Basis hausspezifischer Bestandsaufnahmen ermittelt werden. Zudem unterstützt die Nutzung von Best-Practice-Beispielen. Nachfolgend gilt es, zu den wichtigsten identifizierten Handlungsfeldern konkrete und messbare Ziele zu formulieren, Maßnahmen und Konzepte zu entwickeln und diese schrittweise zielgerichtet umzusetzen und später zu evaluieren.

„Dies ist kein Sprintprojekt, der Weg zahlt sich aber in hohem Maße aus“, sagt Marcus Baer, Leiter einer medizinisch-psychosomatischen Klinik mit rund 500 Mitarbeitern. Der Gewinn ist messbarer Natur: Krankenhäuser mit einer in hohem Maße von Vertrauen, Stolz und Teamgeist geprägten Arbeitsplatzkultur haben neben engagierteren Mitarbeitern durchschnittlich weniger Fehlzeiten, geringere Fluktuation, größere Innovationsstärke und mehr Initiativbewerbungen. Und nicht zuletzt auch eine deutlich größere Bereitschaft ihrer Mitarbeiter zur Weiterempfehlungen als Arbeitgeber und als Dienstleister (79 % vs. durchschnittlich 50 %). Diese Entwicklungschancen zu nutzen, neue Entwicklungswege zu öffnen, liegen in der Verantwortung weitblickender Klinikleitungen und Chefärzte.

Ein umfassenderer Kulturwandel benötigt Entschlossenheit, Ausdauer und Zeit, in der Regel mehrere Jahre. Bereits mit vergleichsweise einfachen Mitteln und zeitnahen Maßnahmen lassen sich erste wichtige Quick-Wins erzielen. Wichtig ist, zu beginnen und mutig aufzubrechen. In der Regel erwarten Ärzte und Pflegekräfte auch gar nicht, dass sich von heute auf morgen alles ändert. Sie honorieren – und lassen sich dann überzeugen und begeistern – wenn sich ihr Arbeitgeber und verantwortliche Führungskräfte auf einen ernstgemeinten und authentischen Entwicklungsweg machen. Wenn ein offener und möglichst hierarchiefreier Dialog zur Gestaltung der Arbeitsplatzkultur geführt wird. Wenn Stagnation überwunden und konkret etwas bewegt wird. Mit Weitblick und mit Passion. Es lohnt sich!

Literatur

[1] Badura, B.; Walter, U.; Hehlman, T. et al. (2010): Betriebliche Gesundheitspolitik. Der Weg zur Gesunden Organisation. 2. Auflage. Berlin: Springer.

[2] Bauer, J. & Groneberg, D. A. (2015): Ärztliche Arbeitsbedingungen im Krankenhaus. Ein Vergleich der Fachgebiete (iCept-Studie). Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: e150-e158.

[3] Hurrelmann, K. (2006): Gesundheitssoziologie: eine Einführung in sozialwissenschaftliche Theorien von Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung. Weinheim: Juventa/Beltz.

[4] Forschungsbericht: Unternehmenskultur, Arbeitsqualität und Mitarbeiterengagement in den Unternehmen in Deutschland. Forschungsbericht F371, Abschlussbericht Forschungsprojekt Nr. 18/05. Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

[5] ZEIT-Spezial in Kooperation mit Great Place to Work® (2014, 2015): Kulturwandel: Attraktive Arbeitgeber im Gesundheits- und Sozialwesen.
ZEIT-Ausgaben v. 27.2.2014 und 26.2.2015. Online abrufbar unter:
www.zeit.de/angebote/beste-arbeitgeber-gesundheit/arbeit/index
www.zeit.de/angebote/beste-arbeitgeber-gesundheit-2015/kulturwandel
http://pdf.zeit.de/angebote/beste-arbeitgeber-gesundheit/kulturwandel/index.pdf

OEBPS/images/02_03_A_03_2016_Borgelt_image_author.jpg

Korrespondierender Autor:

Stefan Borgelt

Leiter Fachbereich Gesundheitswesen

Great Place to Work® Institut Deutschland

Hardefuststr. 7, 50677 Köln

[email protected]

www.greatplacetowork.de

Ansgar Metz

Organisationspsychologe

Kommunikationsberater

Haselbergstr. 19, 50931 Köln

[email protected]

OEBPS/images/icon_Info.png

Weitere Artikel zum Thema finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de, Rubrik Wissen | Qualität & Patientensicherheit).

Borgelt S. / Metz A. / Langer D. Kulturwandel im Krankenhaus. Passion Chirurgie. 2016 März, 6(03): Artikel 02_03.

Weitere Artikel zum Thema

PASSION CHIRURGIE

Passion Chirurgie 03/2016

Die Chirurgen von morgen Aus- und Weiterbildung – und vor

Passion Chirurgie

Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!

Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.