01.12.2025 BDC|News
Editorial 12/IV/2025: Kognitive Dissonanz

Zur Dezemberausgabe 2025 | PASSION CHIRURGIE
Liebe Mitglieder,
wir sind Chirurginnen und Chirurgen, die ihren Beruf mit Leidenschaft ausüben. Unsere Profession und die Passion dafür sind im Prinzip zwei uns einende Parameter. Was wir allerdings ebenfalls im berufspolitischen Alltag immer wieder erfahren, ist, dass die Rechnung nicht so einfach ist. So sind diese beiden Eigenschaften eine Klammer um zahllose Variablen, die die Chirurgie bietet. Wenn wir noch die Medizin und das Gesundheitssystem als übergeordnete Faktoren miteinschließen, ist die Komplexität des Ganzen für den einzelnen nicht mehr zu überblicken. Was meinen wir: Uns eint unser Beruf und das Gebiet in dem wir tätig sind. Danach differenzieren wir uns aber schon: In unterschiedliche Fachrichtungen, in Angestellte in der Klinik und Praxisinhaber, in unterschiedliche Altersgruppen, in Ärzte und Ärztinnen in der Stadt und auf dem Land, in unseren diversen Karriereabsichten, in unseren politischen Einstellungen, etc. Wir handeln also auch als Einzelpersonen, die ihre eigenen Werte und Ziele haben und ihre individuellen Bedürfnisse decken wollen.
Für die Arbeit des BDC ist diese Heterogenität bereits eine stetige Herausforderung. Um tragfähige Konzepte etwa für die chirurgische Weiterbildung, sinnvolle Dienstleistungen und pointierte politische Stellungnahmen zu realisieren, muss der Verband hier immer wieder den allgemeinen Konsens herausarbeiten oder bewusst einige Gruppen adressieren und andere in diesem Moment weniger berücksichtigen. Der Berufsverband befindet sich aber noch in einem weiteren Spannungsfeld: Einerseits vertritt er die Interessen seiner Mitglieder. Gleichzeitig muss er gerade in politischen Belangen sehr sensibel die Ambitionen der anderen Player außerhalb des BDC kennen und in seinen Handlungen berücksichtigen. Es müssen dann manchmal Entscheidungen getroffen werden, die nicht für jeden passen. Wir wissen, dass diese empfundene kognitive Dissonanz nicht nur bei uns zu spüren ist. Egal, ob Sie in der Klinik oder eigenen Praxis arbeiten, in einem MVZ oder einer Behörde – jeden Tag sind Sie mit Themen konfrontiert, die bis ins Detail kontrovers diskutiert und ausgehandelt werden können. Ab einem Punkt müssen wir die Diskussion jedoch beenden und handeln, wenn wir wollen, dass sich in unseren Systemen – der Chirurgie, der Medizin und dem Gesundheitsbereich – Dinge weiterentwickeln.
Unsere Verantwortlichen in der Gesundheitspolitik zeigen, wie man sich bestmöglich im Weg stehen, Initiativen zerreden und Prozesse blockieren kann. Unser Sektor ist durch die vielen starken Interessensgruppen auch prädestiniert dafür, neue Wege hin zu innovativen Lösungen zögerlich und behäbig zu beschreiten, weil es immer Gruppen gibt, die mit Gegenargumenten oder aktivem Widerstand scheinbar positive Entwicklungen hemmen können.
Wie wichtig ist in diesem Kontext für unseren chirurgischen Alltag und uns als BDC-Gemeinschaft die Klammer „Chirurgie mit Passion“? Essenziell. Ohne Leidenschaft wären wir nicht in diesem Beruf und ohne die Chirurgie nicht im BDC. Die Klammer gibt uns Orientierung und Rückversicherung, wo wir zu Hause sind in turbulenten Zeiten. Die Klammer löst die kognitive Dissonanz auf, die wir verspüren, wenn wir mit etwas mitgehen müssen, das nicht unseren persönlichen Überzeugungen entspricht, aber der gemeinsamen Sache dient. Mit Einigkeit untereinander und Konsensfähigkeit können wir starker Partner der Selbstverwaltung sein und für politische Entscheidungsträger sichtbar werden. So funktioniert erfolgreiche Interessensvertretung im Sinne der Chirurgie. In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Treue und Ihre Unterstützung unserer Verbandsarbeit im vergangenen Jahr.

Meyer HJ, Burgdorf F, Kalbe P, Rüggeberg JA: Kognitive Dissonanz. Passion Chirurgie. 2025 Dezember; 15(12/IV): Artikel 01.
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