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Mehr Tempo, mehr Teamgeist – Ein neuer Takt im Klinikalltag

Die Uhr im Gesundheitswesen tickt immer schneller: Fachkräfte fehlen, Patientenzahlen steigen, Dokumentationspflichten wachsen. In diesem Spannungsfeld wirken Physician Assistants (PAs) wie Katalysatoren. Sie sind akademisch qualifiziert, klinisch erfahren und übernehmen unter ärztlicher Delegation Routine-, Organisations- und Versorgungstätigkeiten – damit Ärzte und Ärztinnen wieder da sein können, wo sie am meisten gebraucht werden: bei Diagnose- und Therapieentscheidungen. Das Positionspapier „Physician Assistance ein etabliertes Berufsbild im deutschen Gesundheitswesen“ der Bundesärztekammer vom April 2025, das unter aktiver Mitwirkung der DGPA erarbeitet wurde, beschreibt die Rolle der PAs als „hochschulisch qualifizierte Gesundheitsberufler:innen, die ärztliche Versorgung kooperativ unterstützen“.

Vom Pilotprojekt zum Berufsbild – die kurze Geschichte der PAs in Deutschland

  • 2005 startete an der Steinbeis-Hochschule Berlin der erste deutsche PA-Studiengang.
  • In den folgenden zwei Jahrzehnten wuchs die Zahl der Studiengänge rasch; aktuell bieten über 26 Hochschulen an ca. 40 Standorten verteilt akkreditierte Bachelor-Programme an.
  • Heute arbeiten rund 2.500 PAs in Kliniken, MVZs und Praxen; die DGPA zählt mehr als 1.600 Mitglieder.

Wer PAs sind – und was sie leisten

Zwei Wege, ein Ziel – hochqualifizierte Unterstützung am Patientenbett:

  • Primärqualifikation – das dreijährige Vollzeitstudium für Abiturienten und Abiturientinnen. Ohne vorherige Berufsausbildung erwerben die Studierenden in Campus- und Klinikblöcken zugleich Theorie und Praxis und entwickeln sich Schritt für Schritt zu ärztlich versierten Teamplayern.
  • Sekundärqualifikation – das berufsbegleitende Teilzeitstudium, das Angehörigen von Gesundheitsberufen wie bspw. Pflegefachkraft, Notfallsanitäter:in, OTA, ATA u. a. erlaubt, bis zu 50 % weiter im Job zu arbeiten. So wird vorhandene Erfahrung nahtlos mit akademischem Wissen verknüpft.

In beiden Formaten stehen medizinisch-praktische Fertigkeiten, wissenschaftlich-ärztliches Denken und Prozessmanagement im Fokus. Nach dem Abschluss reicht das Einsatzspektrum der PAs von Anamnese, körperlicher Untersuchung und Wund- bzw. Gipsversorgung bis zu spezialisierten Tätigkeiten wie bspw.:

1.1. und 2. Assistenz im OP

2.Wundnahttechniken

3.Anlage von Pleuradrainagen

4.Durchführung endoskopischer Maßnahmen

5.Aufklärung nach Delegation, nach § 630 e BGB und der Vorgabe im Papier der Bundesärztekammer 2025 „Physician Assistance ein etabliertes Berufsbild im deutschen Gesundheitswesen“ (Link siehe INFO BOX)

Ebenso übernehmen sie Befundbesprechungen, Dokumentation und die Koordination komplexer Behandlungsabläufe. Kurz – PAs bringen Zeit und Struktur in den Klinikalltag, ohne die eigenverantwortliche Ausübung der Heilkunde zu berühren – ganz im Sinne der Bundesärztekammer, die in ihren Positionen zu einer interdisziplinären und teamorientierten Patientenversorgung (Dez 2021) klar „Team statt Hierarchie“ fordert.

Warum Deutschlands Versorgung PAs dringend braucht

Der demografische Wandel schlägt doppelt zu: Immer mehr Patientinnen und Patienten, immer mehr Ärzte und Ärztinnen in Teilzeit und immer komplexere Therapien. Gesundheitsökonomische Analysen zeigen: Um zwei ausscheidende Hausärzte und Hausärztinnen zu ersetzen, müssten derzeit drei Nachwuchskräfte gefunden werden – ein aussichtsloses Verhältnis.

Hier setzt der PA an. Ein Modellprojekt der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (2023–2025) belegt:

  • Wartezeiten in teilnehmenden Praxen sanken signifikant.
  • Ärzte und Ärztinnen und Patienten und Patientinnen bewerteten den PA-Einsatz „überwiegend sehr positiv“.
  • Mehr als die Hälfte der Praxen plant, zusätzliche PAs einzustellen.

Ergebnis: Mehr Termine, kürzere Wege, höhere Zufriedenheit – und das ohne Abstriche bei der Behandlungsqualität.

Rückenwind aus Berlin: Das Papier der Bundesärztekammer 2025

Das neue Rahmenpapier der Bundesärztekammer definiert:

  • Zulassung: Hochschulreife plus anerkannte Gesundheitsausbildung
  • Curriculum: Klinisch fokussierte Module, Präsenzlehre in der Hochschule
  • wissenschaftliches Arbeiten
  • Kompetenzstufen: Grund-, erweiterte und spezielle Kompetenzen – transparent, prüfbar für Bachelorabsolventinnen- und Absolventen
  • Delegationsrahmen: Dauerhafte Übertragung definierter Tätigkeiten
  • Teilnahme an ärztlichen Fortbildungen

Bemerkenswert: Die DGPA brachte ihre Expertise als maßgebliche beratende Stimme in die Expertenarbeitsgruppen ein, die das Papier erarbeiteten. Damit erhält das Berufsbild nicht nur höchste fachliche, sondern auch kraftvolle berufspolitische Legitimation – ein echter Meilenstein für die Entwicklung der Physician Assistants in Deutschland.

INFOBOX

Physician Assistance ein etabliertes Berufsbild im deutschen Gesundheitswesen“ der Bundesärztekammer vom April 2025

Juristische Einschätzung

Aus juristischer Sicht bewegt sich das allgemeine Thema der Übertragung ärztlicher Leistungen auf nicht-ärztliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stets im Rahmen der Delegation.

Dies bedeutet, dass keine eigenständige Zuständigkeit der nicht-ärztlichen Mitarbeiter begründet wird, sondern tatsächlich die Ärzteschaft die Verantwortung dafür trägt, wem welche Leistungserbringung angeordnet wird. Diese Anordnungsverordnung korrespondiert mit der Durchführungsverantwortung der nicht-ärztlichen Mitarbeiter, damit auch der PAs. Dabei gilt der Grundsatz des Bundesgerichtshofs schon seit mehr als 30 Jahren, dass all dasjenige delegationsfähig ist, was nicht fachärztliches Wissen voraussetzt.

Insofern gewinnt natürlich jedwede Stellungnahme der Ärzteschaft zur Frage der Delegationsfähigkeit einzelner Leistungen extrem an Bedeutung. Verwiesen darf an dieser Stelle beispielsweise auf das Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Gefäß- und Herzchirurgie vom 28.12.2021, das sich im Detail für den Fachbereich mit der Übertragbarkeit von Leistungen auf PAs auseinandersetzt.

Derartige Positionspapiere sind allerdings noch nicht von allen Fachgesellschaften erarbeitet worden.

Umso wichtiger ist daher der allgemeine Rahmen, den die Bundesärztekammer nunmehr mit ihrem Positionspapier „Physician Assistance – ein etabliertes Berufsbild im deutschen Gesundheitswesen“ vom April 2025 gesteckt hat.

Die sich darin findende Aufteilung in unterschiedliche Entwicklungsstufen und damit einhergehenden Kompetenzen ist eine erste Richtschnur, an der man sich beim Einsatz von PAs orientieren kann. Juristisch spannend wird es sicherlich ab der Entwicklungsstufe 2 und insbesondere der Entwicklungsstufe 3. Gerade bei letzterer sind beispielsweise die Durchführung von endoskopischen Maßnahmen und auch die Aufklärung benannt. Die Aufklärung durch PAs soll zulässig sein, sofern über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt wird. Was auf den ersten Anblick möglicherweise seltsam anmutet und sich ein Stück weit auch von demjenigen entfernt, was die Rechtsprechung bislang fordert, nämlich, dass die Aufklärung unter dem absoluten Arztvorbehalt steht, ist bei Licht betrachtet und unter Berücksichtigung des Gesetzestextes des § 630 e Abs. 2 BGB nur konsequent. Der Gesetzgeber hat sich nämlich dafür entschieden, dass die Aufklärung -zumindest im Gesetzeskontext- nicht unter dem Arztvorbehalt steht.

Auch muss man auch klar festhalten, dass die derzeitige Praxis, dass beispielsweise einzelne therapeutische Maßnahmen delegationsfähig sind und immer schon waren, andererseits dann vorher ein Arzt-Patienten-Gespräch im Hinblick auf die Aufklärung stattfinden müsste, mehr als unpraktikabel ist. Genannt sei hier beispielsweise die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Aufklärung bei Blutentnahmen im Hinblick auf eine mögliche Läsion des Hautnervs. Die Blutentnahme an sich wäre delegationsfähig, das vorher nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs notwendige Aufklärungsgespräch nicht. Insofern ist die Darstellung im Positionspapier der Bundesärztekammer nur konsequent.

Zudem greift das Positionspapier der Bundesärztekammer den Grundsatz auf, dass der Umfang der Delegation davon abhängt, welche Kenntnisse die Person hat, auf die delegiert wird. Es ist daher folgerichtig, wenn die Bundesärztekammer den Schwierigkeitsgrad der delegationsfähigen Leistungen von den dreien von ihr benannten Entwicklungsstufen abhängig macht. Im Rahmen der Grundkompetenzen ist der Umfang dessen, was delegiert werden kann geringer, im Rahmen der Entwicklungsstufe 3, wenn also spezielle Kompetenzen, die jenseits des Hochschulabschlusses erworben werden müssen, vorliegen, ist dann ein sehr weites Spektrum der Delegationsfähigkeit gegeben.

Will man sich allerdings auf die Suche danach begeben, dass eine Art Positivkatalog von Leistungen sich in diesem Papier findet, so wird man möglicherweise enttäuscht. Selbstverständlich werden einzelne Leistungen beschrieben, aber es findet sich keine allumfassende Aufzählung. Dies kann und darf auch nicht Sinn und Zweck eines solchen Positionspapiers sein, da und dies darf man nicht vergessen, der Umfang der Delegationsfähigkeit immer davon abhängt, welche Kompetenzen der PA aufweisen kann. Und hier wird es sicherlich, wie immer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben, die hochqualifiziert sind, auf die man dann entsprechend auch sehr umfangreich delegieren kann und es wird Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben, bei welchem man gut beraten ist, eher restriktiv vorzugehen.

Was die rechtliche Einordnung des Positionspapiers der Bundesärztekammer zum Physician Assistance anbelangt, so darf man dieses weder überbewerten, noch geringschätzen. Es ist nicht mehr, aber auch nicht weniger, als ein Positionspapier. Wenn man sich aber beispielsweise vor Augen führt, dass auch Leitlinien der höchsten Evidenz nicht davon entbinden, sich nochmals Gedanken zu machen, ob angesichts des Patienten, der entsprechenden Anamnese und Diagnostik der Inhalt der Leitlinie tatsächlich tragfähig ist, so wird sehr schnell deutlich, dass auch ein Positionspapier es überhaupt nicht leisten kann, im Sinne einer rechtsverbindlichen Darstellung all diejenigen Fragestellungen zu beantworten, die sich mit dem Einsatz von PAs ergeben.

Dies wird, ähnlich dem ärztlichen Tun, auch ein Prozess der Rechtsprechung sein. Es werden sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Urteile herausbilden, die hier dann im Einzelfall Fragestellungen beantworten und somit sukzessive für mehr Rechtssicherheit sorgen. Gleichwohl gibt dieses Positionspapier der Bundesärztekammer die Leitplanken vor, innerhalb derer man sich bewegen kann. Natürlich wird man weiterhin gut beraten sein, sukzessive den PA an sein neues Aufgabenfeld heranzuführen, ihn am Anfang engmaschig zu überwachen und dann immer mehr in die Eigenständigkeit zu entlassen. Es ist auch sicherlich anzuraten, die ersten Schritte entsprechend zu dokumentieren und mit SOPs zu hinterlegen.

Auch wenn also das Positionspapier der Bundesärztekammer zum PA aus dem Jahr 2025 die Rechtsicherheit nicht unmittelbar erhöht, dies aber weder schuldet noch leisten kann, so ist es doch ein Meilenstein im Hinblick darauf, was nunmehr ärztlicherseits dem Grunde nach als delegationsfähige Leistungen diskutiert wird. Es ist nunmehr an der Praxis, dies umzusetzen und mit einer klugen Mischung aus Zurückhaltung und Innovationsgeist den Einsatz der PAs in Deutschland weiter voranzutreiben.

Aufbruch 2025: Austausch, Evidenz, Perspektive

Der PA-Kongress am 13./14. November 2025 in Kassel stellt die praktische Umsetzung des Bundesärztekammer-Papiers in den Mittelpunkt. Workshops zu Notaufnahme-Skills, Podien mit Gesundheits- und Wissenschaftspolitiker sowie Best-Practice-Berichte aus Kliniken zeigen: PAs sind keine Zukunftsmusik – sie spielen längst im Orchester der Versorgung.

Fazit

Physician Assistants sind Beschleuniger und Brückenbauer. Sie verbinden Erfahrung und Studium, Praxis und Wissenschaft, Organisation und Empathie. Mit dem Bundesärztekammer-Papier 2025 liegt der Fahrplan vor; mit tausenden engagierten PAs und der DGPA als Stimme des Berufsbildes stehen die Lokomotiven bereit. Jetzt gilt es, Gleise zu legen – damit aus Tempo Qualität und aus Teamgeist Zukunft wird.

Literatur

[1]   Bundesärztekammer: Physician Assistance – ein etabliertes Berufsbild im deutschen Gesundheitswesen, April 2025.
[2]   Bundesärztekammer: Positionen zu einer interdisziplinären und teamorientierten Patientenversorgung, Dezember 2021.
[3]   Steinbeis-Hochschule Berlin: Pressemitteilung zum Start des ersten PA-Studiengangs, 2005.
[4]   DGPA: Mitgliederstatistik, Abruf 05. 07. 2025.
[5]   KVWL & Zentralinstitut: Abschlussbericht Modellprojekt „Physician Assistants im ambulanten Bereich“, März 2025.
[6]   PA-Blog: 2. PA-Kongress 2025 – Wir sind PA, Abruf 05. 07. 2025.
[7]   Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie zum Einsatz von Physician Assistants in der Herzchirurgie Physician Assistants – Eine effektive und sinnvolle Erweiterung des herzchirurgischen Behandlungsteams, Dezember 2021, https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0041-1740534.pdf
[8]   Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. März 2006, Az.: VI ZR 279/04 https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=36302&pos=0&anz=1
[9]   Hüttl P, Heberer J. Physician Assistants – eine juristische Einschätzung. Passion Chir 2021:11

Korrespondierender Autor:

Patrick Klein M. Sc.

Deutsche Gesellschaft für Physician Assistants e. V. (DGPA)

patrick.klein@pa-deutschland.de

Prof. Dr. Peter Hüttl

Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht, München

Kanzlei Dr. Heberer & Kollegen

Chirurgie+

Klein P, Hüttl P: Mehr Tempo, mehr Teamgeist: Physician Assistants sichern die ärztliche medizinische Versorgung im Team. Passion Chirurgie. 2025 September; 14(09/III): Artikel 04_02.

Weitere Artikel zum Thema Physician Assistants finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) unter der Rubrik Wissen | Karriere.

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