01.02.2018 Aus-, Weiter- & Fortbildung
Intensivmedizin: Wann bedeutet ein Okay auch okay?

Die Versorgung von schwer bis lebensbedrohlich erkrankten oder verletzen Patienten in der Intensivstation stellt an Rotationsassistenten der Chirurgie besondere Herausforderungen. Sie sind Mitglied eines interdisziplinären und interprofessionellen Teams, das in enger Zusammenarbeit Patienten behandelt, bei denen es zu Dysfunktionen in mindestens einem Organsystem gekommen ist. Selbst beim „stabilen“ Patienten kann es dem in der Intensivmedizin Unerfahrenen schwerfallen, alle relevanten Probleme des Patienten zu überblicken und in der Behandlung die richtigen Prioritäten zu setzen. Kommt es nun zu einer dynamischen Dekompensation einer oder mehrerer Vitalfunktionen, so entwickelt sich rasch eine Notfallsituation mit ihren klassischen Merkmalen Komplexität, Dynamik und Intransparenz. Hier kommt es nun neben allem medizinischen Wissen und Können insbesondere auf Fähigkeiten aus dem Bereich der Human Factors an. In den meisten Fällen (bis zu 70 Prozent) sind es Defizite im Bereich der Soft-Skills, die für Probleme und Zwischenfälle in der Notfallversorgung verantwortlich sind.
Verschlechtert sich der Zustand eines Patienten in bedrohlicher Weise, muss dies zunächst einmal erfasst, verstanden und kommuniziert werden (Situational awareness, Shared mental Model). Das Team muss sich unter einer Führung formieren (Teamwork und Leadership) und in diesem Team Entscheidungen treffen (Decision Making). Aufgaben müssen im Team verteilt werden (Task Management). Schließlich muss die Notfallsituation regelmäßig reevaluiert und das weitere Vorgehen angepasst werden. Wie gut dies gelingt, entscheidet in der Intensivmedizin über Leben und Tod. Dies sei an folgendem Beispiel verdeutlicht. Nehmen wir an, die erfahrene Intensivpflegekraft weist den Rotationsassistenten darauf hin, der Patient „in der 8“ habe einen „schlechten Blutdruck“. Was für die erfahrene Pflegekraft einen sich abzeichnenden Notfall darstellt, scheint dem Rotationsassistenten wie eine wahrscheinlich vorübergehende physiologische Störung. Er antwortet mit „Okay“. Dieses „Okay“ bedeutet für die Pflegekraft, der Arzt hat verstanden und wird sich zeitnah um eine Lösung bemühen. Für den Arzt bedeutet „Okay“: „Nehme ich zur Kenntnis, gib Bescheid wenn es schlimmer wird!“ Es wird aus der Perspektive des Beobachters klar, wie hier durch ein Defizit in der Kommunikation beim Erfassen einer Notfallsituation bedrohlicher Zeitverzug für die eigentliche Behandlung entsteht. In unserem Beispiel kommt es zum Kreislaufstillstand. Der herbeieilende Rotationsassistent beginnt sofort mit der Herzdruckmassage. In dieser Position ist er nicht in der Lage, Team und Ressourcen einzuteilen und zu führen. Im Rückblick werden die Beteiligten erinnern, dass hier eine „unnötige Hektik“ entstand. Einige Teammitglieder bekommen mehr Aufgaben, als sie abarbeiten können. Andere Teammitglieder fühlen sich „unnütz“. Alle vergessen, oberärztliche Hilfe anzufordern. In der Nachbesprechung sind sich alle Teammitglieder einig, dass die Bewältigung der Situation „eigentlich nicht schwierig“ gewesen wäre und an rein medizinisches Wissen und Können keine besonderen Herausforderungen gestellt hat. Wissen und Können war vorhanden, um die Situation zu beherrschen, dennoch wurde sie nicht optimal beherrscht. Es besteht somit offenbar ein Defizit in der Ausbildung der so wichtigen Notfallkompetenzen aus dem Bereich der Human Factors. Umso wichtiger ist es, Trainingsmöglichkeiten für Assistenten zu schaffen.
Seminar Simulationstraining Notfallmanagement
Der BDC bietet die Seminare „Simulationstraining Notfallmanagement“ mit dem Ziel an, diese Lücke zu schließen. Mithilfe eines High-Fidelity-Patientensimulators und unter „echten“ Bedingungen werden bei dem Seminar einen Tag lang sowohl das prioritäten-orientierte medizinische Abarbeiten des Notfalls als auch die beschriebenen Soft-Skills trainiert, ohne dass ein Patient zu Schaden kommen kann. Dabei wird die Arbeit des Teams aus verschiedenen Perspektiven mit Kameras und Mikrofonen aufgezeichnet. Kernstück einer jeden Simulation ist die anschließende audio-video-gestützte Nachbesprechung, das sogenannte Debriefing. Hier erhalten die Teilnehmer die Möglichkeit, sich selbst bei der Arbeit zu beobachten, Fehler selbst zu erkennen und mit den Instruktoren zu erarbeiten, wie es zu diesen Fehlern kommen konnte und wie sie in Zukunft vermieden werden können. Dabei wird wiederum sowohl auf medizinische Inhalte als auch im Besonderen auf die Aspekte der Human Factors eingegangen.
Das Zentrum für Notfalltraining des ukb hat sich auf medizinische Simulationstrainings spezialisiert und schult Ärzte, Gesundheits- und Krankenpfleger und Rettungsdienstpersonal sowohl am Unfallkrankenhaus Berlin als auch „in situ“ an anderen Krankenhäusern zum Thema Notfallmanagement im Schockraum, in der Intensivstation, in der Anästhesiologie oder in der Präklinik.
Information & AnmeldungTel. 030/28004-120, Fax 030/28004-129 oder per E-Mail: akademie@bdc.de |
Baus J: Intensivmedizin: Wann bedeutet ein Okay auch okay? Passion Chirurgie. 2018 Februar, 8(02): Artikel 04_01.
Autor des Artikels

Dr. med. Jan Baus
Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und SchmerzmedizinÄrztlicher Leiter Zentrum für NotfalltrainingUnfallkrankenhaus BerlinWarener Str. 712683Berlin kontaktierenWeitere aktuelle Artikel
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