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Vor allem die Infektionen nach Osteosynthesen stellen immer noch ein großes Problem dar. Trotz verbesserter Implantate und standardisierter perioperativer Antibiotika-Prophylaxen ist die Infektion weiterhin ein zentrales Thema in der Orthopädie und Unfallchirurgie. Aufgrund der großen Individualität von Implantaten, Erregern und spezifischen Ko-Morbiditäten, stellt die Behandlung von Knocheninfektionen bei vorhandenen Implantaten eine individuelle Therapie dar. Einen evidenzbasierten Goldstandard, welcher auf einen Großteil der Patienten zutrifft, gibt es nicht. Die Einführung der s2K-Leitlinie zum Thema „Akute und chronische exogene Osteomyelitis langer Röhrenknochen des Erwachsenen” im Dezember 2017 ist in diesem Zusammenhang ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung der diagnostischen und therapeutischen Vorgehensweise. Grundsätzlich sind das radikale Debridement mit begleitender Antibiotikatherapie seit Jahrzehnten ein erprobtes Konzept zur Heilung oder Beruhigung der Infekte [2].

Der vorliegende Artikel versteht sich als Einleitung in ein hochkomplexes Thema und wird voraussichtlich in der Dezemberausgabe vertieft. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite der Sektion für Knochen und Weichteilinfektionen der DGOU.

Insbesondere Infektionen mit Biofilm-bildenden Bakterien bereiten den behandelnden Orthopäden und Unfallchirurgen Probleme. Sowohl akute als auch chronische Infekte können im Extremfall inkurabel sein und bis zum Verlust der Extremität führen. Neben dem medizinischen Kontext ist auch der sozio-ökonomische Faktor erheblich. So verursachen in den USA Patienten mit einem implantatassoziierten Infekt pro Fall Mehrkosten von bis zu 50.000 $ [4].

Daher konzentriert sich bei steigenden Fallzahlen solcher Erkrankungen die aktuelle Forschung immer mehr auf Innovationen der Prophylaxe und der Therapie implantatassoziierter Infekte. Hierbei kommen unterschiedliche Strategien zum Tragen:

  • Implantatwerkstoffe mit unterschiedlichen antibakteriellen Beschichtungen
  • Biokeramische Knochenersatzstoffe mit Antibiotikabeimengung
  • Mikrobiologische Methoden zur Behandlung und Prophylaxe implantatassoziierter Infekte

Bei allen Verfahren gibt es sowohl experimentelle Ansätze als auch klinische Einsatzmöglichkeiten.

IMPLANTATWERKSTOFFE mit antimikrobiellen Beschichtungen

Vor nunmehr fast 30 Jahren wechselte die Materialauswahl für Osteosynthesen von medizinischem Stahl zu Titanlegierungen. Diese versprachen eine Überlegenheit im Hinblick auf die Inzidenz implantatassoziierter Infektionen. Dieser Anspruch ist umstritten und in der Literatur nicht eindeutig belegt. Eine Übersichtsarbeit von Haubruck und Schmidmaier aus dem Jahr 2017 über insgesamt 183 Publikationen konnte erst kürzlich keine Vorteile von Titanimplantaten in Hinsicht auf implantatassoziierte Infektionen nachweisen. Es existieren in der aktuellen Literatur lediglich dezente Hinweise und Tendenzen, dass es bei Titanimplantaten zu einer geringeren Anfälligkeit für periimplantäre Infektionen kommt [3]. Die Bedeutung von Titan als Implantat muss somit durchaus auf den Prüfstand gestellt werden.

Erfolgsversprechender scheinen für die Prophylaxe beschichtete Implantate zu sein. So konnte in einer Multi-Center-Studie die klinische Wirksamkeit eines Gentamycin-beschichteten Titan-Verriegelungsnagels bei infektgefährdeten Frakturen für die Tibia nachgewiesen werden [5]. Die Kombination der Osteosynthese als gleichzeitiger Medikamententräger war bisher nur als Off-Label-Therapie in der Behandlung von Osteomyelitiden durchgeführt worden. Nun steht dem Anwender ein konfektioniertes Osteosynthese-Material zur Verfügung, um prophylaktisch eine hohe lokale Antibiotika-Konzentration bei gleichzeitiger Retention der Fraktur zu gewährleisten.

Im experimentellen Setting konnten auch bakterizide Beschichtungen mit Lysostaphin im Tiermodell zeigen, dass sie eine bakterielle Infektion des Knochens erfolgreich verhindern[7]. Gerade die antimikrobiellen Peptide scheinen eine Alternative bei resistenten Bakterien zu werden (s. u.). Lysostaphin als Endopeptidase kann als Beschichtung auf Osteosynthesematerialien aufgebracht werden und dann lokal im bakteriellen Milieu den Biofilm penetrieren.

Biokeramische Knochenersatzstoffe als Medikamententräger und osteokonduktive Matrix

Seit 20 Jahren werden Knochenersatzstoffe als osteokonduktive Matrix in der Knochendefektheilung sowohl mit als auch ohne Antibiotikabeimengung verwendet. Initial wurde als Hauptträger Calciumsulfat benutzt. Aufgrund seiner hohen Wasserlöslichkeit kann dieses gut mit Antibotikazusätzen vermengt werden. Nachteilig ist die kurze Halbwertzeit und damit der Verlust der Osteokonduktivität im feuchten Milieu. In jüngerer Vergangenheit zeigen hier Kombinationspräparate von Calciumsulfat mit Hydroxylapatit bessere Eigenschaften für die Knochenheilung bei gleichzeitiger guter Trägereigenschaft und Elution von Antibiotikazusätzen [1]. Als alleiniges Therapeutikum scheinen diese Antibiotika-freisetzenden Substanzen im Tiermodell nicht den Infekt zu beherrschen. Als Supportivum in Kombination mit einem radikalen chirurgischen Debridement konnte in einigen Fallstudien, mit mittlerweile hohen Patientenzahlen, eine Infektberuhigung und Osteoneogenese beobachtet werden. So berichtet Ferguson et al. bei einer Fallzahl von mehr als 290 Patienten über eine gute Wirksamkeit dieser Kombinationspräparate.

Derzeit besteht durch die Weiterentwicklung von dreidimensionalen Matrixdruckern die Möglichkeit, individualisierte, antibiotikaversetzte Spacer herzustellen. Diese können dann als passgerechter Knochenersatz in den Defekt eingebracht werden. Hierdurch konnte bisher im Mausmodell eine deutliche Reduktion der Bakterienbelastung im Vergleich zu PMMA-Spacern nachgewiesen werden [4]).

Weitere prospektive Untersuchungen sind allerdings von Nöten, um eine generelle Empfehlung für biokeramische Antibiotikaträger auszusprechen.

Bisher ungeklärte Probleme sind bei allen Materialen als Antibiotikaträger die Dauer der Antibiotika-Freisetzung. Was passiert mit den implantierten Fremdkörpern, wenn keine Antibiotika mehr freigesetzt werden und vor allem: Wie gehen wir mit einem Keimwechsel bei einliegenden antibiotikahaltigen Fremdkörpern um? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, hierdurch resistente Erreger zu selektionieren?

Mikrobiologische Methoden zur Behandlung und Prophylaxe implantatassoziierter Infekte

Vielversprechend scheint der Einsatz von Bakteriophagen bei Infekten mit oder ohne Osteosynthese. Hierbei handelt es sich um Viren, welche sich auf die Zerstörung von Bakterien spezialisiert haben. Hierunter sind für die implantatassoziierten Infekte solche Bakteriophagen von besonderem Interesse, welche spezielle Polysaccharidmatrizes bilden, die Biofilme auflösen können. Somit penetrieren diese Phagen den Biofilm und können dort so genannte Persisterzellen, welche sonst von Antibiotika nicht erreicht werden, zerstören. Die Wirksamkeit von beschichteten Osteosynthesematerialien oder aber auch Knochenersatzstoffen konnte bereits beobachtet werden [6]. Regelhafte Anwendungen von Phagen sind über die Testphase hinaus jedoch noch nicht erfolgt und bisher nicht zugelassen.

Ähnlich wie die Phagen wirken antimikrobielle Peptide (AMP). Diese kurzen Proteine können aufgrund ihrer amphiphilen Eigenschaft die Bakterienzelle sofort schädigen. Wirkort können die zytoplasmatische Membran oder selektiv die DNA- oder Proteinsynthese insbesondere für die Zellwand sein. Vorteil dieser antimikrobiellen Wirkstoffe ist auch ihre Wirksamkeit bei Antibiotikaresistenzen und somit ein wichtiger Baustein bei zunehmenden Problemkeimen. Seit wenigen Jahren sind hier bereits Daptomycin und Polymyxin E im klinischen Einsatz. Allerdings gibt es im Tiermodell Hinweise, dass der langfristige Einsatz von AMPs zu Kreuzresistenzen von körpereigenen AMPs führen kann. Sollte dies im humanoiden Organismus geschehen, könnte dies zu fatalen Auswirkungen in der körpereigenen Kontrolle von Infekten haben [6].

Fazit

Die individuelle Behandlung und Prophylaxe von implantatassoziierten Infekten bleibt weiterhin problematisch. Gerade in der Behandlung von multiresistenten Erregern wird in der Zukunft ein antimikrobieller Einsatz von Bakteriophagen und AMPs ein hoffnungsvoller Ansatz sein, diese Infektionen zu beherrschen. Zur Beschichtung von Osteosynthesematerialien stehen mittlerweile sowohl Antibiotika als auch AMPs zur Verfügung. Konfektionierte beschichtete Implantate zur Osteosynthese sind mittlerweile verfügbar. Auch in Knochenersatzmaterialien finden sich Antibiotika und AMPs wieder, welche den postinfektiösen Knochenaufbau additiv unterstützen können.

Festzustellen bleibt allerdings, dass trotz der o. g. Innovationen die konsequente chirurgische Herdsanierung die Grundlage für eine erfolgreiche Behandlung des Periimplantatinfektes darstellt.

Die dargestellten Neuregelungen und Weiterentwicklungen sind weitere Steine im Mosaik von Prophylaxe und Therapie dieser Entität.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der rationale und rationelle Einsatz aller diagnostischen und therapeutischen Verfahren zur Behandlung periimplantärer Infektionen, speziell ihrer chronischen Formen, in den Händen erfahrener Spezialisten/Spezialabteilungen liegen sollte.

Literatur

[1] Dorati, R., DeTrizio, A., Modena, T., Conti, B., Benazzo, F., Gastaldi, G., & Genta, I. (2017). Biodegradable scaffolds for bone regeneration combined with drug-delivery systems in osteomyelitis therapy. Pharmaceuticals, 10(4), 96.
[2] Feihl, S., Renz, N., Schütz, M., & Müller, M. (2017). Antiinfektiöse Strategien in der Unfallchirurgie Antibiotic strategies in trauma surgery. Der Unfallchirurg, 120(6), 486-493.
[3] Haubruck, P., & Schmidmaier, G. (2017). Infektanfälligkeit und Verhalten von Stahl. Der Unfallchirurg, 120(2), 110-115.
[4] Inzana, J. A., Trombetta, R. P., Schwarz, E. M., Kates, S. L., & Awad, H. A. (2015). 3D printed bioceramics for dual antibiotic delivery to treat implant-associated bone infection. European cells & materials, 30, 232.
[5] Schmidmaier, G., Kerstan, M., Schwabe, P., Südkamp, N., & Raschke, M. (2017). Clinical experiences in the use of a gentamicin-coated titanium nail in tibia fractures. Injury, 48(10), 2235-2241.
[6] Vogt, D., Sperling, S., Tkhilaishvili, T., Trampuz, A., Pirnay, J. P., & Willy, C. (2017). „Beyond antibiotic therapy “–Zukünftige antiinfektiöse Strategien–Update 2017Beyond antibiotic therapy–Future antiinfective strategies–Update 2017. Der Unfallchirurg, 120(7), 573-584.
[7] Windolf, CD, Lögters, T., Scholz, M., Windolf, J. & Flohé, S. (2014). Lysostaphin-beschichtete Titanimplantate verhindern eine lokalisierte Osteitis durch Staphylococcus aureus in einem Mausmodell. PLoS One , 9 (12), e115940.
[8] Ferguson, J., Mifsud, M., Stubbs, D., & McNally, M. (2018, May). THE CHOICE OF LOCAL ANTIBIOTIC CARRIER SIGNIFICANTLY AFFECTS OUTCOME IN TREATMENT OF CHRONIC BONE INFECTION. In Orthopaedic Proceedings (Vol. 100, No. SUPP_8, pp. 3-3). The British Editorial Society of Bone & Joint Surgery.

Scholz AO, Militz M, Tiemann A: Innovationen in der Therapie und Prophylaxe bei implantatassoziierten Infekten. Passion Chirurgie. 2018 September, 8(09): Artikel 03_01.

Autoren des Artikels

Profilbild von M. Militz

Dr. med. M. Militz

Sektion für Knochen und Weichteilinfektionen der DGOU Leitender ArztBerufsgenossenschaftlichen Unfallklinik MurnauAbteilung für Septische und Rekonstruktive ChirurgieProf.-Küntscher-Straße 882418Murnau
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Prof. Dr. med. Andreas Tiemann

Sektion für Knochen und Weichteilinfektionen der DGOUChefarzt SRH Zentralklinikum SuhlMuskuloskelettales ZentrumAlbert-Schweitzer-Straße 298527Suhl

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