Im Krankenhaus ist das Patientenwohl nicht mehr das Maß aller Dinge, stellt der Deutsche Ethikrat in einer Stellungnahme fest. Ein Grund dafür sei der zunehmende ökonomische Druck in den Kliniken. Während sich die Krankenkassen vor allem auf eine Verringerung der Ausgaben fokussierten, hätten die Leistungserbringer ihre Ertragssteigerung zum Ziel.
„Wir besitzen in Deutschland eine Krankenhausversorgung auf hohem Niveau“, sagt die Vorsitzende des Ethikrates, Prof. Christiane Woopen. „Diese ist jedoch teilweise nicht ausbalanciert, weshalb durchaus Reformbedarf besteht.“ Die Entwicklungen der letzten Jahre würfen Fragen nach dem leitenden normativen Maßstab der Krankenhausversorgung auf. Die in der Klinik Tätigen stünden vor zunehmenden Schwierigkeiten, ihre berufsethischen Pflichten umzusetzen, ergänzt Ethikrat-Mitglied Prof. Thomas Heinemann. Das Geschehen in der Klinik müsse sich am Patientenwohl ausrichten, so das Gremium. Dies sei durch drei Kriterien gekennzeichnet: die „selbstbestimmungsermöglichende“ Sorge für den Patienten, die gute Behandlungsqualität sowie Zugangs- und Verteilungsgerechtigkeit.
Aktuell sei die Versorgung jedoch gekennzeichnet durch schwindende Möglichkeiten einer angemessenen Kommunikation in der Arzt-Patienten-, Pflegende-Patienten- und Therapeut-Patienten-Beziehung. Einige der 29 Empfehlungen des Ethikrates beziehen sich darauf, die Verständigung zwischen den Beteiligten zu verbessern. Dazu gehört, die kommunikativen und interkulturellen Kompetenzen aller im Krankenhaus Tätigen zu fördern und dafür entsprechende Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote zu entwickeln. Zudem soll der zeitliche und organisatorische Aufwand bei den Vorgaben für die Vergütung innerhalb des DRG-Systems berücksichtigt werden. Dies betrifft sowohl die Kommunikation mit Patienten als auch die zwischen den Professionen. Außerdem sollten Fehlanreizen im DRG-System, die das Patientenwohl beeinträchtigten, entgegengewirkt werden. Der Ethikrat schlägt unter anderem vor, die Abrechnung von zwei und mehr DRGs für einen Krankenhausaufenthalt bei multimorbiden Patienten einzuführen, um sogenannte Drehtüreffekte zu vermeiden.
Zudem mahnt das Gremium an, Patienten mit besonderen Bedarfen stärker zu berücksichtigen. Für Kinder und Jugendliche, Menschen in hohem Lebensalter, mit Demenz, mit Behinderung und mit Migrationshintergrund müsste sichergestellt werden, dass sie den gleichen Zugang zu Krankenhausleistungen erhalten. Die 26 Ratsmitglieder empfehlen unter anderem, kinderspezifische DRGs einzuführen oder die Kindermedizin vom DRG-Abrechnungssystem zu entkoppeln. Für Menschen mit Behinderung sollten die Krankenhäuser barrierefrei gestaltet und Bedingungen geschaffen werden, die ihren besonderen Belangen gerecht werden.