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Ich muss es gestehen: Als langjährig in leitender Stellung tätiger Unfallchirurg mit einem speziellen Interesse für Kindertraumatologie fuhr ich mit gebremsten Erwartungen nach Dresden, eben um meine Fortbildungsverpflichtung als D-Arzt zu erfüllen. Um es gleich vorwegzunehmen: es hat sich wirklich gelohnt. Im Westin Bellevue Hotel mit Blick auf die frühlingshaften Elbwiesen und die Dresdner Altstadt trafen sich 120 Teilnehmer, davon ca. zweidrittel niedergelassene Kollegen, um sich mit vier erfahrenen Referenten sowohl über Standards als auch etliche Neuentwicklungen bei der Behandlung verletzter Kinder auszutauschen.

Die aus meiner Sicht interessantesten Punkte:

Der Umgang mit den Eltern: Primär so ehrlich und umfassend wie möglich informieren, um spätere Probleme zu vermeiden.

Das Vorgehen bei Verdacht auf Kindswohlgefährdung (mehrzeitige Verletzungen, jede Fraktur im ersten Lebensjahr): Hämatome fotografieren, das Kind unter irgendeinem Vorwand stationär aufnehmen („aus dem Verkehr ziehen“), um weitere Angriffe zu verhüten. Die Person, die das Kind ins Krankenhaus bringt, ist damit fast immer einverstanden („Hilfeschrei“). Weiteres Vorgehen in Absprache mit Sozialdienst, Rechtsmedizin, Jugendamt.

Die Bildgebung: streng an der therapeutischen Konsequenz ausrichten. Wenn OP-Indikation bereits aufgrund der ersten Aufnahme gegeben, zweite Ebene erst im OP unter Narkose. Die Sonographie gibt in bestimmten Fällen durch subperiostales oder intraartikuläres Hämatom einen eindeutigen Frakturhinweis. CT nur, wenn zum Verständnis der Fraktur und zur Therapieentscheidung erforderlich.

Tipps und Tricks beim operativen Vorgehen:

ESIN von Femur und Tibia: Endcaps mit Außengewinde erhöhen die axiale Stabilität.

ESIN Femur: Divergierende Stellung der Nagelkufen proximal erhöht die Rotationsstabilität (cave dorsale Perforation proximal: seitlich durchleuchten!)

BOEBPS/images/02_08_01_A_07-08_Kinderchirurgie_image_01_neu.jpgei der aufsteigenden ESIN des Humerus darf die proximale Fuge durchstoßen werden.

Rolle der Physiotherapie: nicht primär, sondern ausschließlich bei persistierenden Bewegungseinschränkungen, ansonsten gelegentlich kontraproduktiv.

Neben den Vorträgen brachten die Referenten zahlreiche Fallvorstellungen mit, die unter reger Beteiligung der Teilnehmer durchgesprochen wurden. Die Fallvorstellungen wie auch die Diskussionen der Vorträge fielen bemerkenswert ehrlich und selbstkritisch aus. Auch der Umstand, dass 2 der Referenten von der Unfallchirurgie und die anderen beiden von der Kinderchirurgie herkamen, wurde als glücklicher Umstand empfunden.

Das passende Ambiente mit perfekter Organisation und perfektem Catering rundeten das Bild ab.

Für die Zukunft wünschten sich die Teilnehmer eine stärkere Berücksichtung von Weichteilverletzungen (Patellaluxation, Kniebinnenverletzung, insbesondere auch unter dem Aspekt des Unfallzusammenhangs), detailliertere Hinweise auf den Ablauf der konservativen Therapie und der Nachbehandlung. Auch die Frage der Metallentfernung spielt gerade für niedergelassene D-Ärzte eine große Rolle. Eine Tagung in kleinerem Kreis könnte möglicherweise den Informationsaustausch und die Diskussionsfreude noch steigern.

Alles in allem eine gelungene Veranstaltung, die ein gerade in der traditionellen Unfallchirurgie oft stiefmütterlich behandeltes Thema wirkungsvoll in den Mittelpunkt rückte.

Kundel K. Erfahrungsbericht: Seminar Kindertraumatologie. Passion Chirurgie. 2012 Juli/August; 2(07/08): Artikel 02_08_01.

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