25.08.2021 Wissen
Einführung von AmbuPRAX in unserer chirurgischen Praxis – ein Erfahrungsbericht
Unsere große unfallchirurgisch-orthopädische Gemeinschaftspraxis firmiert als Gelenkzentrum Schaumburg und hat als Besonderheit eine enge und sehr umfangreiche intersektorale Kooperation mit dem Ev. Agaplesion Klinikum Schaumburg in Obernkirchen-Vehlen. In zwei Praxisteilen haben wir ca. 25.000 ambulante Fälle jährlich. Darüber hinaus versorgen wir pro Jahr etwa 1.600 stationäre Patienten. Unsere Gelenkspezialisten implantieren u. a. jährlich mehrere Hundert Endoprothesen an Hüfte, Knie und Schulter. Dazu kommen ca. 1.000 ambulante Operationen pro Jahr.
Vorgeschichte
Schon seit Jahren suchten wir eine Vereinfachung der administrativen Verfahren, insbesondere bei der präoperativen Risikoaufklärung vor den von uns durchgeführten stationären und ambulanten Operationen.
Im Rahmen des gemeinsamen Bundeskongresses Chirurgie in Nürnberg im Februar 2019 wurde uns vom Vertriebsleiter von AmbulApps vollmundig zugesichert, seine Software AmbuPRAX würde jede Praxis komplett digitalisieren und den Papierverbrauch auf Null bringen. Auch wenn uns diese Zusicherung etwas übertrieben vorkam, erschien uns dieses Angebot in Anbetracht der täglichen Papierflut in unserer Praxis doch attraktiv. Ein Besuch in einer orthopädischen Referenzpraxis bei Hannover bestätigte die Alltagstauglichkeit des Systems, so dass schließlich die Einführung von AmbuPRAX in unserer Praxis ab Ende 2020 beschlossen wurde.
Implementierung – Hardware
Zunächst mussten die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. AmbuPRAX läuft auf Apple-Tablet-Computern, so dass wir uns zur Anschaffung von 20 aktuellen iPads (Stand 2020) und den dazugehörigen elektronischen Stiften (Apple Pencil) entschlossen, also je 10 Geräte für unsere beiden Praxisteile. Das Ausfüllen der Formulare ist zwar auch mit dem Finger möglich, die Stifte erlauben aber eine deutlich feinere Darstellung.
Darüber hinaus musste das WLAN in beiden Betriebsteilen optimiert werden, da die Synchronisation der Tablets mit dem Server über eine verschlüsselte WLAN-Verbindung erfolgt. Für die Lagerung und zum Aufladen der Geräte haben wir inzwischen eine Ladestation im Bereich der Anmeldung der Praxis geschaffen. Auf dem EDV-Server wurde gesonderter Speicherplatz reserviert.
Implementierung – Software
Die Einführung von AmbuPRAX in unserer Praxis war gekennzeichnet durch ein außergewöhnliches Engagement der Firma und namentlich durch den persönlichen Einsatz des Entwickler-Ehepaars Schmidt. Dadurch war das System in wenigen Tagen einsatzbereit.
Dreh- und Angelpunkt der Software ist das sogenannte „Control-Center“. Aus unserem Praxisverwaltungssystem (PVS, Medistar) werden die Stammdaten unserer Patientinnen und Patienten über ein Makro per BDT-Schnittstelle exportiert und konnten dann problemlos in verschiedene Arten von Formularen importiert werden. Besonders häufig benötigen wir die Aufklärungsbögen von perimed für die Endoprothetik an Hüfte, Knie und Schulter sowie für arthroskopische Eingriffe. Aber auch individuelle oder praxisinterne Formulare können in die Software importiert und angepasst werden. So verwenden wir für die kleinen handchirurgischen Eingriffe unsere eigenen kompakten Aufklärungsformulare.
Auch die Vorlagen für den Anamnesebogen und die von den Patienten zu unterschreibende Datenschutzerklärung wurden unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben und der Anforderungen unseres Gelenkzentrums selbst entwickelt und implementiert. Darüber hinaus haben wir in AmbuPRAX Formulare hinterlegt, die vom PVS nicht angeboten werden und sonst handschriftlich ausgefüllt werden müssten, z. B. die Arbeitsplatzbeschreibung sowie das Formular für die Wiedereingliederung bei BG-Patienten (Abb. 1).
Abb. 1: Auswahl aus den zur Verfügung gestellten ausfüllbaren Vorlagen
Der tägliche Workflow
In unseren beiden Praxis-Teilen sind jeweils 10 iPads vorhanden. Wir haben einen hohen Anteil neuer Patienten, die erstmals (oder erstmals nach Ablauf von zwei Jahren) in unsere Praxis kommen. Diese Patienten erhalten direkt bei der Anmeldung ein iPad ausgehändigt (Abb. 2) mit der Bitte, selbst während der Wartezeit die Datenschutzerklärung (Abb. 3) zu unterschreiben sowie den mehrseitigen Anamnese-Bogen auszufüllen und ebenfalls zu unterzeichnen. In den Bögen können Pflichtfelder und optionale Angaben definiert werden. Die meisten Patienten kommen damit technisch sehr gut zurecht. Nur wenige – meist ältere – Patientinnen und Patienten benötigen dazu die Unterstützung durch eine MFA, was dann in der Regel im Behandlungsraum geschieht.
Abb. 2: Ausfüllen und Unterschreiben der Datenschutzerklärung mit dem Apple Pencil
Abb. 3: Einsatz der iPads an der Praxis-Anmeldung
Sobald die Formulare auf dem Tablet unterzeichnet und abgeschlossen sind, erfolgt ein automatischer „smart import“ aus dem AmbuPRAX-Control Center in unser Dokumentenverwaltungssystem Moviestar, so dass die Dokumente beim Arztgespräch schon zur Verfügung stehen. Darüber hinaus werden wichtige Angaben aus dem Anamnesebogen, wie z. B. die Medikamente, automatisch in die medizinischen Daten von Medistar übernommen und dort angezeigt. Hilfreich ist auch der optisch prägnante Hinweis auf vorliegende Allergien. Die Dokumente werden im Control Center zusätzlich archiviert und können bei Bedarf von dort nachgeladen werden. Die unveränderliche Archivierung ist mit einem Zertifikat der Bundesdruckerei und einem Zeitstempel versehen und gilt somit als rechtssicher.
Die Tablets werden nach einmaligem Gebrauch sorgfältig desinfiziert und stehen dann rasch wieder zur Verfügung.
Attraktive Zusatzfunktionen
Die Software AmbuPRAX bietet darüber hinaus die Möglichkeit, mit der Kamera der iPads Fotos zu erstellen und diese direkt in die Dokumentenverwaltung zu importieren (Abb. 4 und 5). Dies bietet sich zum Beispiel an für die Verlaufsdokumentation bei Wunden oder die im EBM (Kapitel 31.2.2) vorgeschriebene präoperative Befunddokumentation. Mitgebrachte Einzelbefunde können im Behandlungsraum fotografisch dokumentiert werden und brauchen dann nicht mehr eingescannt zu werden. Bei Dupuytren-Patienten empfiehlt sich ein präoperatives Foto, weil postoperativ leicht vergessen wird, wie stark die Beugekontraktur vor dem Eingriff ausgeprägt war.
Abb. 4: Fotodokumentation einer Hautnekrose nach Sturz auf das Knie und Erstversorgung alio loco
Abb. 5: Das Foto von Abb. 4 ist sofort in der Dokumentenverwaltung archiviert
Häufig gestellte kritische Fragen
Werden die Tablets nicht versehentlich mitgenommen oder entwendet?
Nein, weil man mit den iPads außerhalb der Praxis nichts anfangen kann. Der Zugang zur Funktion ist mit einer 6-stelligen Zahlenkombination kodiert und außer der AmbuPRAX Software ist keinerlei Nutzung der Tablets möglich. Darüber hinaus kann jedes Apple-Gerät geortet werden, wenn es eingeschaltet wird, so dass eine versehentliche oder absichtliche Mitnahme aus der Praxis lokalisiert werden könnte.
Erfreulicherweise gibt es auch keinen Schwund bei den zugehörigen Apple Pencils, die jeweils fest einem Gerät zugeordnet sind. Zum Schutz der Geräte haben wir stabile Hüllen angeschafft, die auch einen Platz für die Aufnahme des Stifts bieten. Die Stifte können einfach über die Firewire-Schnittstelle an den iPads selbst aufgeladen werden.
Sind diese präoperativen Risiko-Aufklärungen rechtssicher?
Aus der Rechtsprechung ist bekannt, dass bei der Verwendung von vorgefertigten Formularen individuelle Anpassungen als Hinweis auf eine patientenspezifische Einzelaufklärung gefordert werden. Das System ermöglicht es, wie auf Papier in die Bögen handschriftliche Markierungen, Erläuterungen und Ergänzungen einzufügen, um dieser Forderung nachzukommen. Uns ist darüber hinaus keine Rechtsprechung bekannt, in der eine digital unveränderlich gespeicherte Aufklärung in Form eines pdf-Dokuments nicht anerkannt wurde. Die Dokumente werden nach der Unterschrift unveränderlich und mit Zertifikat und Zeitstempel archiviert.
Darüber hinaus wird nach der Unterschrift nachgefragt, ob der Patient einen Ausdruck des Aufklärungsbogens zur Mitnahme wünscht. Viele Patientinnen und Patienten verzichten darauf. Im Endausbau des Systems soll das Dokument nach Abschluss als verschlüsselte E-Mail an den Patienten zur eigenen elektronischen Archivierung oder zum Selbstausdruck versandt werden.
Rechnet sich diese Investition betriebswirtschaftlich?
Aus unserer Sicht kann diese Frage mit Ja beantwortet werden. Der Workflow in der Praxis hat sich deutlich beschleunigt, so dass mehr Sprechstundenzeit für mehr Patientinnen und Patienten zur Verfügung steht. Eine weitere Verbesserung erwarten wir durch die zukünftige Nutzung des Patientenportals (s. u.). Auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit unserer Praxis ist AmbuPRAX ein großer Fortschritt. Benötigten wir früher monatlich viele Tausend Seiten Papier zum Ausdrucken und Kopieren, so hat sich dieser Aufwand jetzt um ca. 90 % reduziert. Weggefallen ist auch der erhebliche Aufwand durch das Einscannen der Papierformulare und die anschließende datenschutzrechtlich einwandfreie Entsorgung (Schredder oder verschlossene Datentonne). Die daraus resultierenden Kosten sind minimiert worden.
Wieviel Papier kann denn nun wirklich eingespart werden?
Im 2. Quartal 2021 wurden in unserer Praxis 8.885 Dokumente über AmbuPRAX ausgefüllt und gespeichert. Das entspricht insgesamt 18.343 Druckseiten. Leider müssen wir die Risiko-Aufklärungen zur Operation im Krankenhaus noch zweimal ausdrucken, einmal für die Krankenhausakte und eine Abschrift für den Patienten. Aber auch hier arbeiten wir mit Hochdruck an einer Lösung. Die Anpassung an das Krankenhausinformationssystem ist aber schwierig umzusetzen.
Fazit
Gut ein halbes Jahr nach der Einführung von AmbuPRAX sind wir mit dem Produkt und mit der Vereinfachung unserer Praxisabläufe sehr zufrieden. Die Unterstützung bei der Implementierung und auch aktuell durch die Hotline war und ist exzellent. Um den Workflow weiter zu verbessern, planen wir als nächsten Schritt die Erweiterung um das Patientenportal. Dies bedeutet, dass Patientinnen und Patienten sich schon im Vorfeld des Praxisbesuchs über das Web-Portal anmelden und den Anamnesebogen und die Datenschutzerklärung am Bildschirm und in aller Ruhe ausfüllen können. Dies wird den administrativen Aufwand in der Praxis weiter reduzieren. Darüber hinaus können wir dann die unterschriebenen präoperativen Aufklärungsbögen direkt an die angegebene E-Mail-Adresse senden, was wiederum den noch bestehenden restlichen Druckaufwand reduzieren wird.
Der BDC hat mit Ambulapps einen Rahmenvertrag geschlossen. Dieser ermöglicht allen Mitgliedern des BDC Zugang zu den Leistungen zu Sonderkonditionen.
Detaillierte Informationen finden Sie auf BDC|Online unter:
www.bdc.de/sonderkonditionen-fuer-bdc-mitglieder-fuer-digitalisierung-der-praxisunterlagen
Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass auch andere Produkte für den gleichen Zweck am Markt angeboten werden.
Kalbe P, Barth F: Einführung von AmbuPRAX in unserer chirurgischen Praxis – ein Erfahrungsbericht. Passion Chirurgie. 2021 September; 11(09): Artikel 04_07.
Autoren des Artikels
Dr. med. Peter Kalbe
Vizepräsident des BDCGelenkzentrum SchaumburgStükenstraße 331737Rinteln kontaktierenDr. med. Florian Barth
ChefarztGelenkzentrum SchaumburgStükenstraße 331737RintelnWeitere Artikel zum Thema
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