01.10.2010 Chirurginnen
Editorial: Die etwas andere Sichtweise
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Erkenntnis der Industrie, dass den Anforderungen der modernen Geschäftswelt besser und effizienter mit gemischtgeschlechtlichen Teams begegnet werden kann, hat in einigen Unternehmen bereits zur Einführung einer Frauenquote geführt. Nicht zuletzt der drohende Fachkräftemangel durch die demographische Entwicklung bewirkt, dass der Blick dieser Unternehmen dahingehend geschärft wird, die zweite Hälfte des Arbeitsmarktes für sich zu gewinnen. Die Tatsache, dass heute bereits 60 bis 70 Prozent der Medizinstudenten weiblich sind und es damit in Zukunft zwingende Notwendigkeit sein wird, diesen Nachwuchs für die Chirurgie zu begeistern, hat der BDC seit langem erkannt. So sollen mit der Kampagne „Nur Mut – kein Durchschnittsjob ChirurgIn“ Medizinstudentinnen gezielt angesprochen werden. Die Website www.chirurg-werden.de und das vorliegende Heft unterstützen diese Aktivitäten.
Auch Vorbilder sind eine Möglichkeit, einen Beruf, oder in unserem Falle ein Fachgebiet, interessant zu machen. Jeder von uns, der mit jüngeren Kolleginnen zusammen arbeitet, ist automatisch gleichzeitig Vorbild. Dass Frauen mit der gleichen Begeisterung in der Chirurgie tätig sind wie ihre männlichen Kollegen, haben Umfragen des BDC 2008 und 2009 ergeben. Die etwas andere Sichtweise, die Frauen einbringen, bereichert die Arbeit von Teams. Sie stellen auch andere Ansprüche an die Work-Life-Balance und werfen darüber hinaus z. T. unerwartete Probleme für die Vorgesetzten und Arbeitgeber auf. Wenn in einer Abteilung zeitgleich mehrere junge Frauen schwanger werden, kann dies unter Umständen zu Einschränkungen im Dienstbetrieb führen. In jedem Falle bedeutet es aber einen erheblichen organisatorischen Aufwand, den die übrigen Kollegen kompensieren müssen.
Der Beitrag der ehemaligen Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB), Astrid Bühren, beschäftigt sich mit der aktuellen Situation zum Mutterschutzgesetz. Welche Auswirkungen diese Gesetzgebung auf die Arbeitssituation, insbesondere während der Weiterbildung hat, wird in ihrem Bericht sowie den Erfahrungsberichten von Freia Minz und Mareike Graff geschildert. Dass hier erheblicher Bedarf zu Nachbesserungen besteht, haben mittlerweile auch Teile der politisch Verantwortlichen erkannt. Doch solange das rigide Mutterschutzgesetz, das für (werdende) Chirurginnen faktisch ein Arbeitsverbot darstellt, nicht den modernen Gegebenheiten angepasst wird, ist jede einzelne Chefärztin, jeder einzelne Chefarzt aufgefordert, im Rahmen ihrer/seiner klinikinternen Möglichkeiten nach Lösungen zu suchen, wenn sie Nachwuchs für ihre Abteilungen gewinnen wollen.
Die in diesem Heft ebenfalls veröffentlichte Umfrage unter Chirurginnen zum Thema „Familien- und Kinderplanung“, die durch den Deutschen Ärztinnenbund initiiert und durch die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie finanziell unterstützt wurde, liefert einen weiteren Hinweis darauf, dass Chirurginnen heutzutage ihren Beruf und gleichzeitig eine Familie mit Kindern nicht mehr als Ausschlusskriterium sehen. Die über 700 Frauen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, arbeiten zu 81 Prozent ganztags, wobei nahezu die Hälfte aller Frauen ein oder mehrere Kinder haben. Auch zeigt die Studie, dass ein Drittel der Frauen unmittelbar nach Ende des Mutterschutzes wieder angefangen haben zu arbeiten, zwei Drittel nach einem Jahr, womit aktuell also Chirurginnen durchaus interessiert sind, die Arbeit so schnell wie möglich wieder aufzunehmen, was sich mit ihrer Begeisterung für das Fach deckt. Die sich daraus ergebenden Probleme der Organisation des Lebens mit Kindern gestalten die Realität allerdings nicht einfach.
Da zudem auch immer mehr junge Väter (s. Beitrag von E. H. Allemeyer) aktiv an ihrem Familienleben teilnehmen möchten und sich eine Elternzeit nehmen, müssen in Zukunft intelligente Arbeitszeitmodelle den Bedürfnissen aller Mitarbeiter und der Abteilung angepasst werden.
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