01.01.2015 Sonstige
Editorial: Qualität und Chirurgie

Nicht ohne Hintergedanken steht der Artikel zum Korporatismus von H. Laschet an erster Stelle in dieser Ausgabe, tritt uns der Korporatismus doch in zweierlei Formen gegenüber. Als autoritärer Korporatismus, der die erzwungene Einbindung gesellschaftlicher Strukturen in politische Prozesse fordert und als liberaler Korporatismus, der deren freiwillige Teilhabe am politischen Prozess ermöglicht.
Betrachtet man die Entwicklungen der letzten Jahre kritisch, ist zu konstatieren, dass der autoritäre Korporatismus fröhliche Urstände feiert. Es werden politisch administrative Prozesse und Strukturen entwickelt, welche die Freiheit des Bürgers einschränken und gesellschaftliche Strukturen – seien dies etwa die Ärzteschaft oder die Verbände – in vorgegebene Prozesse zwingen.
Vielfach sind die Auswirkungen dieser Prozesse auf den ersten Blick nicht zu erkennen und es bedarf ausgiebiger Beschäftigung mit Erfahrungen und Literatur. Auf den zweiten Blick kann dann das primär sinnvoll Erscheinende durchaus Tücken entwickeln, wenn es zu Zwecken verwandt wird, die dem ursprünglichen Sinn zuwiderlaufen. Dies gilt für die ILV, die innerklinische Leistungsverrechnung, die nicht selten als Disziplinierungsinstrument missbraucht wird, so für Unfrieden unter den Leistungsträgern sorgt und therapeutische Entscheidungen in eine Richtung lenkt, die dem Patientenwohl abträglich sein kann. Das gilt aber ganz besonders für die risikoadjustierte Qualitätssicherung mit Routinedaten, die von bestimmten Interessenvertretern zur Bereinigung des “Klinikmarktes” instrumentalisiert wird. Dabei sind es nicht allein die grundsätzlichen Schwächen mathematischer Betrachtung komplexer Prozesse, die zu denken geben sollten. Das Aqua-Institut attestiert nur 50 Prozent der Krankenblätter eine ausreichende Genauigkeit, um Qualitätssicherung betreiben zu können. Es ist zu fragen, ob die Routinedaten so viel besser sein können?
Auch die Konzentration auf Prozesse wird in Zukunft nicht mehr hinreichen, um gute Medizin zu betreiben. Wenn man die berechtigten Wünsche der Patienten nach dem Guten und Richtigen, nach Empathie, Zuwendung und Vertrauen reduziert auf die effiziente Erfüllung bestimmter Prozessgegebenheiten und Standards, wird unser Medizinsystem weiter in die Irre gehen. Prozesse, Prozess- und Ergebnisqualität müssen in Übereinstimmung stehen mit den Anforderungen, die von der Gesellschaft und von Patienten mit Recht erhoben werden, so jedenfalls Philip B. Crosby, einer der Vordenker industrieller Prozesse. Daher mag die Betrachtung von Prozessen bei Routineeingriffen wie etwa der Cholecystektomie noch sinnvoll sein.
Die Worte von Bettina Warzecha sollten uns jedoch in jedem Falle Mahnung sein:
Je komplexer die Arbeit,
desto weniger Messbares steckt in ihr.
Autor des Artikels

Prof. Dr. med. Hans-Peter Bruch
ehem. PräsidentBerufsverband der Deutschen Chirurgen e.V.Luisenstr. 58/5910117BerlinWeitere Artikel zum Thema
01.03.2023 Sonstige
App.in.den.OP® – der chirurgische Stellenmarkt
Im Auftrag des Berufsverbands der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC) In
01.11.2022 Sonstige
Personalia im November 2022
Dr. med. Minh-Tung Cao, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie mit Zusatzbezeichnung Handchirurgie und Facharzt für Allgemeine Chirurgie, ist neu am Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie am Städt. Klinikum in Brandenburg an der Havel und wird dort als leitender Arzt die Abteilung Plastische und Ästhetische Chirurgie aufbauen.
01.10.2022 Sonstige
Safety Clip: „Fokus Chirurgie“ – Praxisrelevante Erkenntnisse aus dem Buch Patientensicherheitsmanagement
Das Buch Patientensicherheitsmanagement, erschien am 20. Dezember 2021 in der zweiten Auflage im Verlag De Gruyter, bietet einen umfassenden Überblick zu Forschungsergebnissen, Handlungsfeldern und Präventionsmaßnahmen für Klinik und Praxis. Die mehr als 100 Autorinnen und Autoren blicken aus unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema Patientensicherheit – die klinische Sichtweise wird ergänzt um die Wahrnehmung aus psychologischer, betriebswirtschaftlicher, IT-technischer und juristischer Sicht sowie um die versicherungswirtschaftliche Komponente.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.