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GESUNDHEITSPOLITIK
Dr. Günther Matheis: Der Übergang vom OP-Tisch zum Kammer-Präsidenten war fließend

Chirurginnen und Chirurgen brauchen für ihre Arbeit viele Eigenschaften, die auch in der Politik von Vorteil sind. Dazu zählt neben handwerklichem Geschick besonders Entscheidungsfreude, Verantwortungsbewusstsein, Durchhaltevermögen, Disziplin und Ausdauer. Alles Eigenschaften, die helfen, in der Politik Herausforderungen zu erkennen, zu handeln und auch bereit zu sein, dicke Bretter zu bohren, um ans Ziel zu kommen.

Dies kommt auch mir bei meiner politischen Arbeit zugute. In der Berufspolitik habe ich mich schon früh engagiert. Direkt nach dem Studium bin ich in den Marburger Bund eingetreten, setzte mich viele Jahre lang für die Interessen der Kolleginnen und Kollegen ein und übernahm immer mehr Verantwortung. Meinen Facharzt für Chirurgie absolvierte ich 1990; 1992 kam das Teilgebiet Thorax- und Kardiovaskularchirurgie dazu und der Facharzt für Thoraxchirurgie im Jahr 2007. Die klinische Ausbildung erfolgte an der Medizinischen Hochschule Hannover und am Deutschen Herzzentrum Berlin.

Ich erlebte die Jahre der sogenannten Ärzteschwemme genauso wie jetzt die Zeiten des Ärztemangels. 2011 wurde ich zum Vorsitzenden der Bezirksärztekammer Trier gewählt und war zugleich auch Mitglied im Vorstand der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz. 2016 wählten mich die Ärztinnen und Ärzte schließlich zum Präsidenten der Landesärztekammer. Seit 2021 habe ich darüber hinaus auch das Amt des Vizepräsidenten der Bundesärztekammer inne und bringe mich auch dort in vielen Ausschüssen inhaltlich ein.

Operiert habe ich immer sehr gerne. Aber der Verwaltungsanteil hat früh angefangen, immer mehr Zeit in Anspruch zu nehmen. Die Arbeitszeit hat sich bedeutsam verdichtet und die Bürokratie und auch der ökonomische Druck sind exponentiell gewachsen – zu Lasten der Zeit für die Patientenversorgung. Mein Übergang vom OP-Tisch zum Ärztekammer-Schreibtisch war letztendlich fließend. Das Operieren ist auch nicht gänzlich verschwunden, auch wenn es bedeutend weniger geworden ist. Ich leite nach wie vor die thoraxchirurgische Sektion innerhalb einer Abteilung für Herz- und Thoraxchirurgie in Trier. Das ist mir wichtig, um den Kontakt zur Basis zu behalten. Ich habe das Glück, dass ich auch dort über ein gutes Team verfüge, das vieles abfängt.

Nach und nach in die gesundheits- und berufspolitischen Sachthemen immer mehr hineinzuwachsen und Netzwerke aufzubauen, fand ich extrem spannend. Ich habe inzwischen sehr gute Kontakte zu den Hochschulen, einen Lehrauftrag an der Universitätsmedizin, pflege engen Austausch mit den Krankenhäusern und den Ärzteverbänden aber natürlich auch mit der Politik. Dadurch sind sehr oft Gespräche auf kurzem Dienstweg möglich, die von beiden Seiten genutzt werden. Das erleichtert den Austausch und wir werden als Landesärztekammer mit unserer Expertise als kompetenter Ansprechpartner wertgeschätzt.

Meine Jahre als Vorsitzender der Bezirksärztekammer Trier waren sehr hilfreich. Man wurde dadurch auch in der Landeshauptstadt Mainz schon bekannt. Zumal ich während meiner Trierer Amtszeit auch schon im Vorstand der Landesärztekammer aktiv war. Die Kammerarbeit in Trier wurde für dortige Verhältnisse bewusst sehr öffentlichkeitswirksam geführt. Beispielsweise habe ich starke Akzente gesetzt, die Rolle der Ärzte in der Region während der NS-Zeit aufzuklären. Denn auch vor Trier hatten diese schlimmsten Verwerfungen in der deutschen Geschichte nicht haltgemacht. Wir haben uns damit der unrühmlichen Vergangenheit gestellt und das Schweigen beendet. Daraus resultierte ein Buchprojekt in Zusammenarbeit mit der Universität. Mir war und es ist auch immer noch wichtig, vor allem jungen Ärztinnen und Ärzten zu zeigen, welch hohe moralische Verantwortung sie tragen.

Jedes Netzwerk ist auf seine Weise wichtig. Die Landesärztekammer ist beispielsweise während meiner Amtszeit in den Landesverband der Freien Berufe (LFB) eingetreten. Das war mir sehr wichtig, denn wir sind als Ärztinnen und Ärzte die größte Gruppe unter den Freiberuflern. In diesem Gremium können wir mit anderen Vertretern von freien Berufen im Schulterschluss gemeinsam noch wirksamer auftreten. Mittlerweile engagiere ich mich beim LFB auch als erster Vizepräsident.

Ein weiteres wichtiges Netzwerk hat sich während der Corona-Pandemie etabliert: die Steuerungsgruppe Impfen. Während der Akutphase haben wir uns gemeinsam mit dem Ministerium und vielen weiteren Institutionen täglich per Videokonferenz kurgeschlossen. Wir haben es geschafft, an einem Strang zu ziehen: zielgerichtet miteinander und keiner ist ausgeschert. Wir haben ausgesprochen unaufgeregt und effizient einen Weg gefunden. Alle Heilberufe haben in der Pandemiezeit Hand in Hand gearbeitet. Jeder steht in der Verantwortung, das zu tun, was er am besten kann. Und schaut zugleich, wen er noch unterstützen kann. Das hat gut geklappt und alle haben gemeinsam in unermüdlichem Dauereinsatz Hervorragendes geleistet. Ich bin zudem in den Ethikbeirat des Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit berufen worden.

Auf Landesebene haben wir inzwischen viele Projekte mit angestoßen wie beispielsweise das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin und die Koordinierungsstelle Weiterbildung Allgemeinmedizin. Beim Kompetenzzentrum sind wir gerne als Kooperationspartner mit dabei, denn es bietet für künftige Hausärztinnen und -ärzte ein interessantes Weiterbildungsprogramm und ist zugleich eine gute Anlaufstelle für Weiterbilder, um sich noch mehr Lehrkompetenz anzueignen.

Partner sind wir auch bei der Koordinierungsstelle. Hier laufen alle Fäden zusammen für die Verbundweiterbildung. In diesen Verbünden bieten Praxen und Kliniken die Weiterbildung Allgemeinmedizin als Komplettpaket an. Das gibt den angehenden Hausärzten viel Planungssicherheit.

Bedeutsam wird es auch werden, mit dem Ministerium eine zukunfts- und tragfähige Krankenhausplanung zu realisieren. Hierfür sitze ich für die Landesärztekammer mit am Tisch im Krankenhausplanungsausschuss.

Eine wichtige Bedeutung hat natürlich die ärztliche Weiterbildung und deren Weiterentwicklung. Wir haben beispielsweise mit als erste Landesärztekammer neu das Fachgebiet „Innere Medizin und Infektiologie“ eingeführt. Ein weiteres bundesweites Novum: Für den Kompetenzerwerb im großen Gebiet „Innere Medizin“ können sich Ärztinnen und Ärzte in Rheinland-Pfalz künftig sechs Monate lang auch Kompetenzen in anderen Gebieten aneignen. Das ist eine wichtige, zukunftsweisende Entscheidung.

Eine große Rolle wird auch weiterhin das Thema „Delegation oder Substitution von ärztlichen Leistungen“ spielen. Meine Position hierzu ist klar: Delegation halte ich in bestimmten Fällen für sinnvoll; Substitution lehne ich ab – genau wie der überwiegende Teil der Ärzteschaft.

Weiter am Ball bleiben werde ich mit der Landesärztekammer zudem beim Thema Studienplätze. Wir brauchen einfach mehr ärztlichen Nachwuchs, um den künftigen Versorgungsbedarf auch in Zukunft auf gutem Niveau decken zu können. Seit vielen Jahren weise ich auf den Mangel an Ärztinnen und Ärzten sowohl im hausärztlichen als auch im fachärztlichen Bereich hin. Und natürlich habe ich mich darüber gefreut, dass es gelungen ist, den Medizincampus Trier zu etablieren. Darauf habe ich schon während meiner Trierer Zeit hingearbeitet und es war toll, schließlich den Kooperationsvertrag mit zu unterschreiben.

Dieser zusätzliche Standort für ein regionalisiertes Medizinstudium ist ein wichtiger Baustein für eine dezentralisierte Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten. Wir stellen so für Medizinstudierende im klinischen Teil attraktive Rahmenbedingungen in der Lehre zur Verfügung. Zudem hoffe ich, dass Studierende nach ihrem Studium in der Trierer Region bleiben und dort in die ärztliche Versorgung einsteigen. Das wäre ein großer Gewinn für Eifel und Hunsrück.

Die berufspolitische Arbeit auf Bundesebene als Vizepräsident der Bundesärztekammer (BÄK) ist für mich eine wichtige Ergänzung zu meinem landespolitischen Engagement. So kann ich Themen für die gesamte Ärzteschaft landes- und bundesweit im Blick haben und für die Kolleginnen und Kollegen sowohl im niedergelassenen als auch im stationären Bereich gestalten. Wichtig ist es mir auch, auf Bundesebene gemeinsam tragfähige Beschlüsse zu erwirken. Als BÄK-Vize bin ich beispielsweise als Beauftragter der Bundesärztekammer für die bundesweiten Transplantationsgremien aktiv.

Mit Blick auf die Bundesebene liegt mir etwas sehr am Herzen und es ist eine elementare Forderung von mir: Die Ärzteschaft muss auf Bundesebene über die Bundesärztekammer im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vertreten sein. Und zwar mit Sitz und Stimme. Mir ist schon bewusst, dass die Bundesärztekammer weder Körperschaft noch Leistungserbringer ist. Für andere in diesem Kreis gilt das aber auch. Trotzdem sind sie mit Stimmrecht in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden. Ich bin mir sicher, dass wir als Ärzteschaft im G-BA oft zur Klärung von Sachverhalten wesentliche Beiträge leisten können, denn unsere Stellungnahmen im G-BA sind immer von hoher Effizienz sowie wissenschaftlich fundiert und sollten nicht nur informelle Berücksichtigung finden.

Berufspolitisch gibt es auch wichtige Themen in der Chirurgie, die ich im Blick habe. So hat beispielsweise das DRG-System so seine Tücken. Eigentlich ist es nicht schlecht gemeint, aber es birgt gerade in der Chirurgie auch die Gefahr der Fehlanreize. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass es nur noch darauf ankommt, hierbei ökonomisch zu denken, nämlich, dass jeder Eingriff Geld für die Klinik bringt, deshalb muss so viel wie möglich operiert werden. Das sollte so nicht sein.

Und wenn ich an unseren ärztlichen Nachwuchs denke, fällt mir immer mehr auf, dass es zunehmend schwieriger wird, Nachwuchs für die Chirurgie zu gewinnen und auch zu halten. Wir müssen die Rahmenbedingungen im Sinne einer Restrukturierung verbessern. Das müssen wir gemeinsam leisten. Ansonsten verliert die Chirurgie an Attraktivität. Und dass wäre für unser schönes Fach sehr schade und für die Patientenversorgung fatal.

Dr. Günther Matheis

Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz

Vizepräsident der Bundesärztekammer

Gesundheitspolitik

Matheis G: Dr. Günther Matheis: Der Übergang vom OP-Tisch zum Kammer-Präsidenten war fließend. Passion Chirurgie. 2022 Dezember; 12(12): Artikel 05_02.

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