Laparoskopische Appendektomie sinnvoll?
Nach erstmaliger Durchführung der Appendektomie in laparoskopischer Technik im Jahr 1980 durch Semm und Einführung auch in die chirurgischen Kliniken war dieses Verfahren zunächst in seiner Wertigkeit gegenüber der konventionellen Technik sehr umstritten, fand in Deutschland dennoch zunehmende Verwendung. Wie die letzte durchgeführte Qualitätssicherung der BQS zeigen konnte, wurden 2003 ca. 40 Prozent der Appendektomien in Deutschland laparoskopisch durchgeführt . Ob sich jedoch die laparoskopische Operationstechnik wie bei der Cholezystektomie flächenhaft gegenüber dem konventionellen Zugang durchgesetzt hat oder gar wieder seltener eingesetzt wird, konnte aufgrund einer fehlenden bundesweiten Datenerhebung bislang nicht geklärt werden.
Nach langen Diskussionen über die Vor- und Nachteile des laparoskopischen Vorgehens als optimaler Zugangstechnik bei der Appendektomie, wurden in den letzten zehn Jahren mehrere Metaanalysen sowie Cochraneanalysen zu der Wertigkeit des laparoskopischen gegenüber dem konventionellen Verfahren, aber auch zu unterschiedlichen technischen Details publiziert. Als Vorteile des laparoskopischen Vorgehens zeigten sich dabei die geringere Wundinfektionsrate, die geringeren Schmerzen am ersten postoperativen Tag, der kürzere Krankenhausaufenthalt, der raschere Kostaufbau, die frühere Defäkation, das bessere ästhetische Ergebnis und die raschere Rückkehr zur normalen Aktivität nach der Operation. Dagegen waren die intraabdominelle Abszessrate, die Schnitt-Nahtzeit und die krankenhausbezogenen Kosten bei der laparoskopischen Operation erhöht. Dabei hängen letztere jedoch in erster Linie von der Wahl des Chirurgen hinsichtlich Trokarmodell, Art der Mesoappendixdurchtrennung und Versorgung des Appendixstumpfes ab, so dass der Chirurg bzw. die Klinik hierauf großen Einfluss nehmen kann. Da neben jungen und übergewichtigen, besonders weibliche Patienten von dem laparoskopischen Vorgehen profitieren, kann auch ein patientengeschlechtsabhängiges Vorgehen mit laparoskopischem Vorgehen bei weiblichen und konventionellem Vorgehen bei männlichen Patienten zur Kostenreduktion vertreten werden. Auch der Aspekt der Appendektomie als konventioneller oder laparoskopischer Ausbildungseingriff und die in einigen Kliniken im Bereitschaftsdienst eingeschränkte Möglichkeit, minimal invasiv vorzugehen, kann Einfluss auf die konzeptionelle Vorgehensweise in deutschen Kliniken haben.
Während die European Association for Endoscopic Surgery (EAES) aufgrund der Datenlage schon 2006, die Society of American Gastrointestinal and Endoscopic Surgeons (SAGES) 2010 in ihren Leitlinien das minimalinvasive Vorgehen im Rahmen der Appendektomie empfohlen haben , ist über die Durchdringung bzw. Umsetzung der evidence based Ergebnisse der genannten Publikationen in Deutchland jedoch kaum etwas bekannt.
(Peri-)Operationstechnische Detailfragen nur zum Teil wissenschaftlich geklärt
Hinsichtlich der perioperativen Antibiotikaprophylaxe und -therapie zeigte ein Cochrane-Review, dass die systemische Antibiotikagabe die Raten an Wundinfektionen und intraabdominellen Abszessen sowie die Krankenhausverweildauer gegenüber Placebo signifikant reduziert. Allerdings geben auch zwei große retrospektive Datenanalysen Hinweise darauf, dass die postoperative Antibiotikatherapie bei unkomplizierter Appendizitis keinen Benefit bringt, sondern nachteilig ist . Umstritten sind dagegen weiterhin die Verwendung der Veress-Nadel, die Notwendigkeit und Menge einer Spülung des Operationssitus, die Art des Wundverschlusses, die Versorgung der Mesoappendix und die Art der laparoskopischen Appendixstumpfversorgung, auch wenn Vorteile des Staplerverschlusses in einigen Studien gezeigt werden konnten . Auch die Drainageneinlage wird noch kontrovers diskutiert, obwohl hier gute Daten vorliegen, die bei Drainagenanlage häufiger Wundheilungsstörungen, intraabdominelle Abszesse und Stuhlfisteln zeigen und somit gegen die routinemäßige Verwendung einer Drainage sprechen .
Mehrere neue Operationstechniken entwickelt
Darüber hinaus sind in den letzten Jahren auch bei der Appendektomie neue Operationsverfahren wie die Single-Port-Technik und Eingriffe über natürliche Körperöffnungen (NOTES) entwickelt worden, deren Verbreitung in den deutschen Kliniken aber ebenfalls bislang unklar war. Die Single-Port-Technik soll durch das alleinige Einbringen der laparoskopischen Instrumente über einen in der Nabelgrube eingebrachten sogenannten Multiport sichtbare Narben verhindern. Dabei wurde die Appendektomie schon 1989 vom französischen Chirurgen Georges Begin im Rahmen der transumbilicalen laparoskopisch assistierten Appendektomie (TULAA) mit einem alleinigen umbilicalen Zugang durchgeführt , was schon das Konzept der heutigen Single-Port-Technik vorweggenommen hat. Dem offensichtlichen Vorteil der nicht sichtbaren Narben könnte jedoch durch den technikimmanent größeren umbilicalen Zugang eine höhere Trokarhernienrate gegenüberstehen. Zudem ist die ansonsten gewohnte Triangulation bei einem Single-Port-Zugang erschwert, zumindest anfangs gewöhnungsbedürftig. Prospektiv randomisierte Studien zu diesem Thema stehen allerdings noch aus. Im Sinne von NOTES (Natural Orifice Transluminal Endoscopic Surgery) ist die Appendektomie bereits als Hybrid-Eingriff transvaginal/transumbilical mit starrem Instrumentarium ähnlich der Cholezystektomie von Prof. Zornig aus Hamburg und transvaginal sowie transgastral flexibel mittels Endoskop durchgeführt worden . Vor allem bei letzteren ist der Umgang mit dem flexiblen Endoskop für viele Chirurgen eher ungewohnt. Als alternatives Verfahren zu den neuen atraumatischeren und narbenärmeren bzw. narbenlosen Techniken hat die Verwendung von laparoskopischen Miniinstrumenten mit Trokaren von 2 bis 3,5 mm Durchmesser eine gewisse Renaissance erfahren, um das operative Zugangstrauma auf diesem Wege weiter zu reduzieren. Allerdings steht der Nachweis einer Reduzierung der postoperativen Schmerzen bzw. des Schmerzmittelbedarfs bei der Appendektomie hierdurch bislang aus.
Vorgehen bei intraoperativ blander Appendix?
Eine weitere, immer wieder kontrovers diskutierte Frage ist das Vorgehen bei Verdacht auf akute Appendizitis und intraoperativ blandem Appendixbefund. Diese Situation muss unterteilt werden in den Fall einer anderweitigen, die Klinik und Befunde des Patienten erklärenden Pathologie und den Fall, dass der gesamte einsehbare abdominelle Befund unauffällig ist. Sollte die Appendix abhängig oder auch unabhängig eines anderweitigen pathologischen Befundes simultan entfernt werden? Auch hier existieren Daten, die die Appendektomie zumindest bei Fehlen einer anderweitigen Pathologie aufgrund der hohen Rate an histologisch belegten Appendizitiden trotz makroskopisch blandem Aussehen in 26-58 Prozent der Fälle nahelegen . Dagegen spricht wiederum die niedrige Rate an sekundären Appendektomien aufgrund einer dann doch evidenten akuten Appendizitis bei primärem Belassen der makroskopisch blanden Appendix . Beim konventionellen Zugang gilt seit jeher die typische Narbe im rechten Unterbauch als sicheres Zeichen der stattgehabten Appendektomie, so dass hierbei das Belassen der Appendix traditionell eher die Ausnahme darstellt. Schon die Qualitätssicherung des BQS konnte allerdings keine Aussage über das Vorgehen bei intraoperativ blander Appendix in deutschen Kliniken treffen, da hier nur durchgeführte Appendektomien dokumentiert wurden. Über die Versorgungsrealität in den deutschen Kliniken hinsichtlich dieses unterschiedlichen Vorgehens bestand daher immer schon Unklarheit.
Ergebnisse unserer bundesweiten Umfrage
Aufgrund der über die Jahre erhärteten „evidence-based“ Empfehlung der laparoskopischen Appendektomie, aber auch der teilweise weiterhin unklaren Datenlage von technischen Details wollten wir wissen, wie das operative Konzept bei diesem häufigen Eingriff aktuell in deutschen Kliniken ist. Aus diesem Grund führten wir eine bundesweite Unfrage an 1870 Kliniken durch, deren Chefärzte wir mit Hilfe des BDC und unter der Schirmherrschaft der DGAV sowie der CAMIC per E-Mail kontaktierten und baten, einen ausführlichen Fragebogen internetbasiert zu beantworten. Die inzwischen im International Journal of Colorectal Disease publizierten Ergebnisse dieser Umfrage zeigen vor allem die Penetranz der laparoskopischen Operationstechnik . Von den 643 auswertbaren Datensätzen (Abb. 1) gaben nahezu alle Kliniken an, die Appendektomie in laparoskopischer Technik anzubieten (Abb. 2). Daneben führten 99 Kliniken die sogenannte Single-Port-, nur 14 Kliniken die (Hybrid-)NOTES-Appendektomie durch. Über 85 Prozent der Kliniken gaben für männliche Patienten die laparoskopische Technik als Standardvorgehen an, während dies für weibliche Patienten sogar in fast neun von zehn Kliniken der Fall war. Das Standardvorgehen fast aller anderen Kliniken war hingegen die konventionelle Technik. Somit bleibt festzuhalten, dass sich die laparoskopische Operationstechnik bei der Appendektomie, möglicherweise gestützt auf die vorliegenden Studienergebnisse, nach unserer Umfrage deutschlandweit durchgesetzt hat, die neuen Techniken jedoch noch nicht sehr weit verbreitet sind. Über die Gründe hierfür kann man derzeit nur spekulieren.
Abb. 1: Bundesweite Verteilung der antwortenden Kliniken [20], mit freundlicher Genehmigung von Springer Science+Business Media
Abb. 2: Verteilung der angebotenen OP-Techniken
Die Technik der konventionellen Appendektomie hat sich in den letzten Jahren offensichtlich kaum gewandelt. Appendix und Mesoappendix werden fast überall unter Ligaturen abgesetzt. Bei der laparoskopischen Operation wird trotz in der Vergangenheit teils vehement geführter Diskussionen auch aktuell in der Hälfte der Eingriffe die Veress-Nadel verwendet. Die Appendix wird laparoskopisch in zwei Drittel der Fälle inzwischen mit dem Endo-GIA abgesetzt, gefolgt von Endoloop und Klipp, während die Versorgung der Mesoappendix in fast der Hälfte der Fälle mittels bipolarer Koagulation, gefolgt von Klipps, Endo-GIA und monopolarer Koagulation, durchgeführt wird. Es fand sich eine signifikante Korrelation zwischen der Eingriffshäufigkeit sowie Krankenhausträgerschaft und der Verwendung des Endo-GIA, wobei einerseits bei großer Eingriffszahl, andererseits bei privater Trägerschaft die routinemäßige Verwendung eines Endo-GIA am häufigsten angegeben wurde. Unabhängig von der Zugangstechnik wird der Operationssitus in fast der Hälfte der Kliniken gespült. Drainagen werden in den meisten Kliniken befundabhängig eingelegt, wobei laparoskopisch gut ein Drittel der Befragten den Situs selten oder nie drainieren. Der Hautverschluss erfolgt in beiden Standardtechniken meist intrakutan mit resorbierbarem Nahtmaterial, dicht gefolgt von Einzelknopfnähten. Dabei korreliert die Verwendung von resorbierbarem Nahtmaterial, unabhängig vom Zugang, signifikant positiv mit der Eingriffshäufigkeit sowie der Versorgungsstufe der Klinik. In den meisten Kliniken wird entweder eine Antibiotikaprophylaxe oder befundabhängig eine Antibiotikatherapie durchgeführt, ohne dass sich Unterschiede zwischen der konventionellen und der laparoskopischen Appendektomie zeigen.
Beim konventionellen Zugang im Falle des Appendizitis-Verdachts wird die makroskopisch blande Appendix bei anderweitigem pathologischen Befund in fast zwei Drittel, bei Fehlen eines anderweitigen Befundes in mehr als 90 Prozent „en principe“ entfernt (Abb. 3 a+b). Beim laparoskopischen Zugang sind die Raten nur geringfügig niedriger (Abb. 3 c+d), sodass von einer hohen Verbreitung dieses Vorgehens unabhängig von der Zugangstechnik ausgegangen werden kann.
Abb. 3a: Vorgehen konventionell mit anderem pathol. Befund
Abb. 3b: Vorgehen konventionell ohne anderen pathol. Befund
Abb. 3c: Vorgehen laparoskopisch mit anderem pathol. Befund
Abb. 3d: Vorgehen laparoskopisch ohne anderen pathol. Befund
Zusammenfassung
Zusammengefasst kann von einer hohen Durchdringung der „evidence-based“ Empfehlungen hinsichtlich der Appendekomie in deutschen Kliniken gesprochen werden. Auch wenn eine vergleichsweise hohe Antwortquote erreicht wurde, kann bei der Interpretation der Analyse sicherlich ein Bias in jedweder Richtung vorliegen. Auch wurden keine realen Daten ausgewertet, sondern das Standardvorgehen in den einzelnen Kliniken abgefragt. Dadurch, dass mehrere Antworten aus der gleichen Klinik ausgeschlossen wurden und die Anfrage an die Chefärzte gerichtet war, spiegelt die Umfrage jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit das in den einzelnen Häusern geübte Vorgehen wieder. Allerdings blieb unter anderem die große Thematik der präoperativen Diagnostik in der durchgeführten Umfrage unberücksichtigt.
Wir möchten uns bei allen Kollegen bedanken, die mit der Beantwortung des Fragebogens unsere Auswertung erst ermöglicht haben, aber auch bei den vielen Kollegen, die den Fragebogen durch konstruktive Kritik ergänzt haben. Dabei waren sehr viele positive Rückmeldungen, die die Durchführung der Erhebung begrüßten und großes Interesse an den Ergebnissen äußerten. Wir hoffen, diese Kollegen auf diesem Weg ausreichend informiert zu haben. Für weitergehende Details sei auf die Originalpublikation verwiesen. Über weitergehende Hinweise für eine mögliche Wiederholung der Umfrage würden wir uns zudem sehr freuen.
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